Kann Deutschland auch auf den Handel mit China verzichten?
Seite 2: China und Taiwan
Während im Westen traditionell die Rolle Taiwans als selbständiger Staat betont wird, den die USA auch mit militärischen Mitteln verteidigen wollen, vertritt China die Ansicht, dass Taiwan ein Teil Chinas ist und bei passender Gelegenheit wieder mit Mainland China zusammengeführt werde.
"Peking wird 'nicht zögern, einen Krieg zu beginnen', wenn Taiwan seine Unabhängigkeit erklärt, warnte Chinas Verteidigungsminister am Freitag, dem 10. Juni, seinen US-Kollegen — die jüngste Salve zwischen den Supermächten wegen der Insel", meldete der in Bangkok erscheinende Wochenblitz am 11. Juni.
Die Warnung von Wei Fenghe erfolgte anlässlich seines ersten persönlichen Treffens mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Rande des Sicherheitsgipfels Shangri-La Dialogue in Singapur. Die stramm transatlantische Neue Züricher Zeitung vermeldete in diesem Zusammenhang nur die US-Sicht.
Die Regierung in Beijing macht schon seit Jahren kein Geheimnis um ihr Ziel, Taiwan wieder ihrer Macht zu unterstellen und damit auch direkten Zugriff auf die dort entwickelte Technologie zu erhalten. Nur der Zeitpunkt wird derzeit noch nicht öffentlich diskutiert.
Ob die USA in diesem Falle wirklich selbst militärisch eingreifen würden, wie sie dies immer wieder versprochen haben, ist jedoch nicht gesichert und die chinesische Regierung wird das weitere Engagement des Westens gegen Russland aufmerksam beobachten.
Eine wie auch immer geartete Angliederung Taiwans an Mainland China dürfte für den Westen einen Abbruch der Handelsbeziehung nach sich ziehen, wobei damit zu rechnen ist, dass China darauf vorbereitet ist, und anders als Russland dann alle Handelsbeziehungen mit dem Westen abbricht.
Reziprozität bei den Investitionen?
Während die deutschen Investitionen seit Jahren schon ein Vielfaches der chinesischen Investitionen in Deutschland ausmachen und man in der Vergangenheit immer auf einer Ausgeglichenheit der gegenseitigen Investitionen bestanden hat, ist dies in den letzten Jahren in den Hintergrund getreten. So will Mercedes jetzt sein chinesisches Jointventure mit BAIC zu 100 Prozent übernehmen, jedoch einen höheren Anteil des chinesischen Partners an Mercedes auf politischem Wege verhindern.
Zudem ist die chinesische Regierung inzwischen weniger an Auslandsinvestitionen ihrer Unternehmen interessiert. Man wird hier ebenfalls genau beobachten, wie die Bundesregierung mit den russischen Investitionen in Deutschland umgeht, die 2014 noch deutlich höher waren als die aus China.
Ob das in China investierte Geld jemals wieder den Weg in seine Heimat findet, ist überaus fraglich. Wahrscheinlicher ist eine steuersparende Abschreibung wie im Falle von Nord Stream 2.
China ist mehr als Beijing oder Shanghai
Das Reich der Mitte ist deutliche heterogener, als dies dem westlichen Beobachter erscheint. Die einzelnen Provinzen unterscheiden sich deutlich bei ihren wirtschaftlichen und politischen Ausrichtungen.
Das zeigt sich beispielsweise am Social Scoring, das in den einzelnen Provinzen unterschiedliche Schwerpunkte hinsichtlich Umweltschutz oder Arbeitsbedingungen hat. Fotografen, die ihre Bildrechte in China geltend machen wollten, mussten feststellen, dass dies zwar möglich ist, dass jedoch eine Registrierung in der jeweiligen Provinz Voraussetzung ist.
Auch bei der Sprache ist China keinesfalls homogen, wie man ganz praktisch an den Untertiteln im chinesischen Fernsehen erkennen kann. Die gleiche Schrift wird ganz unterschiedlich gelesen, was sich auch in die Übernahme chinesischer Begriffe in fremde Sprachen zeigt. Das deutsche Wort Tee, das englische Tea und das chinesische Chai - in Deutschland über Chai latte bekannt -, lassen sich auf das gleiche Schriftzeichen zurückführen.
Konzentration auf den Binnenmarkt
Im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz, die ihre Wirtschaft dauerhaft auf den Export ausgerichtet haben und zu über 40 Prozent vom Export abhängig sind, was nicht zuletzt durch die Reisefreudigkeit der Europäer gestützt wurde, die in ihrer Freizeit die Importländer mit den benötigten Devisen versahen, war der Export für China nur ein Zwischenschritt bei der Entwicklung des Landes, um Devisen zu verdienen, die Wirtschaft zu entwickeln und im Land für einen höheren Lebensstandard zu sorgen.
Heute ist China nur noch zu etwa 20 Prozent auf den Export angewiesen. Zu 80 Prozent trägt der Binnenmarkt. Eine Reduzierung des Außenhandels ist durchaus im Plan der chinesischen Regierung, wenn man damit einem Druck ausländischer Politik ausweichen kann.
Die Zeiten als China lediglich die verlängerte Werkbank des Westens war und mit niedrigen Löhnen, geringen Umwelt- und Sozialstandards glänzte, gehören inzwischen der Vergangenheit an.