Kann Deutschland auch auf den Handel mit China verzichten?

Oriental Pearl Tower, im Shanghaier Stadtteil Pudong. Bild: Alexander Schimmeck/Unsplash

Eine Disruption des Handels mit China könnte deutlich größere Konsequenzen haben, als dies der Westen gerade am Beispiel Russland bemerkt

Während sich im Westen vielfach ein sehr kurzfristiges Denken, aufgegliedert in Quartalen oder Legislaturperioden, etabliert hat, denkt China traditionell in anderen Zeitdimensionen. Für die wirtschaftlich erfolgreiche Entwicklung des Landes fördert man gezielt bestimmte Anwendungen, lässt jedoch bei der Auswahl und Nutzung der dafür angewandten Technologien viel Freiraum, was immer wieder im Scheitern von Projekten endet, jedoch insgesamt eine hohe Innovationsgeschwindigkeit bewirkt.

Schnelligkeit erscheint den Verantwortlichen in China wichtiger als die umfassende theoretische Absicherung einer Entwicklung. Während man im Westen immer wieder das Scheitern chinesischer Entwicklungen betont, hat das Reich der Mitte den Westen in zahlreichen technologischen Bereichen nicht nur eingeholt, sondern schon deutlich überholt.

Es fällt dabei auf, dass China in Bereichen wie den effizienten Verbrennermotoren im PKW-Bereich deutlich weniger Engagement zeigt als beim elektromotorischen Antrieb. In diesem Zusammenhang scheint die Befürchtung des Bayrischen Wirtschaftsministers Aiwanger vom 9. Juni 2022, dass die Verbrennertechnologie nach China abwandert, wenn die EU bis 2035 den Verbrennern in Europa ein Ende bereiten will, wenig begründet. Diese Technologie verliert zunehmend an Wert, da die Länder Asiens sie nur noch befristet nutzen wollen.

Eine für die erwartetete Digitalisierung unseres Alltags benötigte Hardware-Industrie ist in Mitteleuropa gar nicht erst entstanden, weil die asiatischen Hersteller von Anfang an den Markt der Hardware besetzten und jetzt damit begonnen haben, auch die entsprechende Software beizusteuern.

Als Apple auf politischen Druck einen Teil der Hardwarefertigung aus China abzog, hat man die Fertigung jedoch nicht ins Haus zurückgeholt, sondern einen asiatischen Auftragsfertiger damit betraut, eine Fertigung in den USA aufzubauen. Wenn der Westen diese Technik wieder aus Asien abziehen will, muss er auch die gesamte Zulieferer-Infrastruktur neu aufbauen, was nur mit massiver staatlicher Unterstützung möglich sein dürfte.

China und Russland

Während sich die Bundesregierung mit großer Energie darum bemüht, die Reihen des Widerstands gegen die russische Wirtschaft zu schließen, haben Russland und China gerade eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Dies gilt für die industrielle und die militärische Zusammenarbeit. So kann China zahlreiche Bauteile liefern, die Russland bislang aus dem Westen bezogen hat, und Russland kann Rohstoffe liefern. Sibirien bietet hier einen reichen Schatz bislang noch unerschlossener Lagerstätten.

Der Westen mag China drängen, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen, wird damit jedoch nur in wenigen Fällen Erfolg haben. Bei den zahlreichen Flugzeugen russischer Fluggesellschaften, die als Leasingmaschinen im Ausland registriert sind, hat sich China inzwischen den Sanktionsmaßnahmen angeschlossen, solange diese Maschinen nicht nachweislich auf Russland umregistriert sind. Allen nicht nachweislich umregistrierten Boeing- und Airbus-Maschinen sind die Lande- und Überflugerlaubnis entzogen worden.

Bei Öl und Gas wird man sich jedoch mit Sicherheit nicht an die westlichen Vorgaben halten, den Bezug aus Russland eher noch ausweiten und für die Bezahlung auf den in der Energiebranche üblichen US-Dollar verzichten. Bisherige Versuche von Regierungen, sich beim Ölgeschäft vom Dollar zu lösen, sind von den USA regelmäßig mit militärischen Interventionen gekontert worden, eine Option, die im Falle China wohl nicht mehr zur Ausführung kommen wird. Zur Störung der chinesischen wirtschaftlichen Entwicklung setzt man meist auf Sanktionen gegen einzelne Firmen, welche im direkten Wettbewerb zu US-Interessen stehen.

Ein schon klassisches Beispiel ist das Vorgehen gegen Huawei, das von aller modernen Technik abgekoppelt werden sollte und inzwischen gezwungen ist, diese Technik im eigenen Land zu entwickeln. Schaden bei diesem Vorgehen tragen auch deutsche Firmen wie Leica Camera, die in der Vergangenheit von der Zusammenarbeit mit Huawei nicht nur in technologischer Hinsicht, sondern auch marketingtechnisch ungemein profitierten. Der Name Leica gehört allerdings nicht dem Wetzlarer Unternehmen, sondern wird in Lizenz einer Tochterfirma des US-Konzerns Danaher genutzt.

Uiguren als Handelshemmnis?

Ein weiteres Instrument gegen die chinesische Wirtschaft ist die gezielte Instrumentalisierung der meist muslimischen Uiguren. Zwar gibt es bis heute keinen Hinweis darauf, dass es in der von Volkswagen seit 2013 zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern Saic betriebenen Fabrik in der Stadt Urumqi zu Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren gekommen sei, dennoch wird Volkswagen inzwischen dazu gedrängt, sich aus dieser Fabrik zurückzuziehen.

Das wird für VW ein ziemlich teures Abenteuer, ist doch China für den niedersächsischen Konzern inzwischen der größte Einzelmarkt. Um den Druck auf Volkswagen zu erhöhen, hat die Bundesregierung jetzt vier Anträgen von VW auf Verlängerung von Investitionsgarantien nicht stattgegeben, welche nicht die Fabrik in Urumqi, sondern andere Werke betrafen.

Man könne jedoch nicht ausschließen, dass es einen Bezug zum Werk in Xinjiang geben könnte. Offensichtlich will man Volkswagen dazu drängen, seine Investments in China zu überdenken, was den inzwischen weltweit größten Absatzmarkt des deutschen Automobilherstellers betrifft.

Ein deutlich größeres Problem wird sich für Deutschland im Bereich der Photovoltaik auftun, deren forcierter Ausbau im Sinne der Energiewende gefordert wird, nicht zuletzt um die Abhängigkeiten von Russland bei der Energieversorgung zu reduzieren. China produziert über 80 Prozent des weltweit verarbeiteten Polysiliziums.

Rund die Hälfte davon wird in Xinjiang hergestellt. Nachdem die USA Sanktionen gegen Firmen ausgesprochen haben, die im Verdacht stehen, in ihren Fabriken in Xinjiang Zwangsarbeit einzusetzen, geraten nun auch deutsche Firmen unter Handlungsdruck, andere Bezugsquellen zu suchen.

Da China den Weltmarkt für PV heute eindeutig dominiert, wird dies den Ausbau der Photovoltaik mit Sicherheit bremsen und verteuern. Wenn jetzt auch in China aufgrund des Social Scorings die Umwelt- und Sozialstandards deutlich angehoben werden, wird der Preis auch für chinesische Ware steigen. Den Markt für chinesische Solar-Module wird dies jedoch kaum einschränken. Zu groß ist der weltweite Bedarf.

Kommunikations- und Unterhaltungselektronik

Bislang noch nicht unter dem Vorwurf der Zwangsarbeit steht der gesamte Bereich der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik. Praktisch jedes Smartphone oder Tablet stammt heute aus chinesischer Produktion. Selbst südkoreanische Unternehmen nutzen Fertigungsstätten in Mainland China, die höchst effizient arbeiten.

Auch der taiwanesische Hersteller Hon Hai Precision Industry, der für Apple produziert und der den japanischen Hersteller Sharp übernommen hat, betreibt seine größten Fabriken in China. Im Bereich der Unterhaltungselektronik sind Produkte, die nicht aus chinesischer Fertigung stammen oder zumindest chinesische Bauteile enthalten, nur noch im ausgesprochenen High End-Sektor denkbar. Wer auf chinesische Produkte verzichten will, findet sich in einem ziemlich kahlen Umfeld wieder.

Ursprünglich als Billiganbieter gestartet, hat sich das Land in den letzten Jahren deutlich an die westlichen Gepflogenheiten angepasst und seine technische Infrastruktur deutlich ausgebaut.

Angefangen hat dies beispielsweise mit den CCC-Zertifizierungen, gefolgt von der verstärkten Anmeldung von Patenten bis zum Engagement bei der Entwicklung internationaler Normen, was sich nicht zuletzt in der aktiven Mitarbeit in der International Electrotechnical Commission zeigt.

Medikamentengrundstoffe

Dass die Produktion von Medikamentengrundstoffen zu großen Teilen nach Fernost ausgelagert wurde, gilt schon seit Jahren als potentielles Risiko. Auch die USA mussten feststellen, dass ihre Versorgung mit Medikamenten weitgehend von chinesischen Herstellern abhängig ist.

Vor kurzem wurde diese Abhängigkeit noch näher untersucht und festgestellt, dass 40 Prozent der chinesischen Wirkstoffhersteller in den Städten Shanghai, Jiangsu und Zhejiang sitzen. Ein deutliches sogenanntes Klumpenrisiko ist damit verbunden.

Die Weiterverarbeitung der Grundstoffe erfolgt dann vielfach in Indien. Doch auch Indien ist als Lieferant unsicher, da Indien durchaus unvermittelt einen Exportstopp für Medikamente verhängen kann, wie dies schon zu Beginn der Corona-Pandemie und aktuell bei Nahrungsmitteln wie Weizen geschehen ist.