Kaputt durch Hollywood

In seinem neuen Buch über Film und Fernsehen sieht Ramonet allerorten "versteckte Botschaften"

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Ignacio Ramonet hat sich einiges vorgenommen: auf knapp 250 Seiten die ideologische Wirkung von Film und Fernsehen darzustellen. Vom Werbespot über Katastrophenfilme, Krimiserien, den Vietnamkrieg, die Kriegskomödie oder den Italowestern bis zum politischen Dokumentarfilm untersucht Ramonet praktisch alle Formen des bewegten Bilds im Hinblick auf ihre "versteckten Botschaften".

Tendenziell liegt dem ganzen Buch die Annahme zugrunde, dass die USA praktisch vollständig die globale Film- und Fernsehkultur beherrschen. Über weite Strecken spielt der Gedanke aber nur eine untergeordnete Rolle, weil es ohnehin um entferntere Themen, wie den französischen Dokumentarfilm, geht. Nun legt aber der Buchtitel zumindest diese Orientierung nahe, und Ramonet spitzt seine Thesen immer wieder in diese Richtung zu.

"In vielen Bereichen hat Amerika die Kontrolle über den Wortschatz und die Begriffe, über Sinn und Bedeutung gesichert. Die USA nötigen dazu, die Probleme, die sie schaffen, mit den Worten, die sie in die Welt setzen, auszusprechen. Sie liefern die Codes, mit denen sie die Rätsel, die sie vorgeben, entschlüsseln lassen."

Das kling etwas übertrieben, denkt man aber an den "War against Terror", wird die These vielleicht plausibler, auch wenn man sich die bereitwilligen Angebote zur Kooperation der US-Filmindustrie an die Regierung vergegenwärtigt. Gerade über das Massenmedium Fernsehen würden amerikanischen Codes verbreitet, meint Ramonet. Selbst in den beliebten Krimiserien "Kojak" und "Columbo" werde ein konservatives Verständnis von Staat und Recht propagiert - versteckt hinter einer Maske von Spannung und Unterhaltung. Dass diese Serien, ganz zu schweigen von "Beverly Hills 90210" und ähnlichen, auch als "Marketing-Tool" eingesetzt werden, versteht sich fast von selbst. Dass die amerikanische Regierung aber auch 25 Millionen Dollar für Anti-Drogen-Plots in Emergency Room bezahlt hat, dürfte nicht allen bekannt sein.

In seiner Kritik beruft sich Ramonet vor allem auf Max Weber, Herbert Marcuse, Max Horkheimer und Theodor Adorno. Die Verwobenheit der kulturellen Vormacht mit der wirtschaftlichen Sphäre zeigt sich für ihn in Shopping Malls, Multiplex-Kinos, TV-Werbung, Fernsehserien ...

Ignacio Ramonet ist Direktor der linken Monatszeitung "Le Monde Diplomatique" und Dozent für Theorie der audiovisuellen Kommunikation. So sind seine Filmanalysen nach einer Methode der strukturalistischen Semiotik (Zeichentheorie) aufgebaut, verbunden mit einer, meist sehr einfachen und schematischen, psychoanalytischen Interpretation.

Ramonets Kritik der Hollywood-Indoktrination gerät etwas oberflächlich, wie auch seine Deutung von Katastrophenfilmen zu sehr verallgemeinert. So sollen die Katastrophenfilme der siebziger Jahre ausschließlich die damalige wirtschaftliche Krise reflektieren, während die der ausgehenden neunziger Jahre durch die Angst vor dem nahenden Jahrtausendwechsel motiviert seien. Damit könnte Ramonet in gewisser Weise natürlich recht haben - falls die Produzenten demselben einfachen Schema gefolgt sind.

Es wirkt aber doch etwas platt, wenn er beispielsweise Francis Ford Coppola für "Apocalypse Now", eine primitive, einseitige und letztlich affirmative Haltung zum Vietnam-Krieg unterstellt. Fruchtbarer und im Detail kenntnisreicher ist dagegen Ramonets Interpretation "linker" Italo-Western, wie der von Sergio Leone. Doch auch systemkritische Filme bleiben nicht von seiner Kritik verschont. Denn auch sie bedienen sich häufig derselben Klischees wie die Produkte der Herrschenden und tragen damit in sich wieder "versteckte Botschaften". Es scheint in der Tat kein Entrinnen möglich.

Ramonet sieht für den politischen Film aber durchaus eine Perspektive. Die idealtypischen politischen Filme sind für ihn die Filme Jean-Luc Godards. Doch auch der weniger bekannte Chris Marker wird mit seinem Film "Rot ist die blaue Luft" recht ausführlich gewürdigt. Hier, auf der konstruktiven Seite entfaltet Ramonet seine Stärke. Er geht ausführlich auf Dokumentarfilme ein, die sich kritisch mit dem Vietnamkrieg auseinandersetzen, zu einer Zeit als das noch wenig verbreitet war. Wenn er über die "magische" Wirkung der Special Effects philosophiert, ist das weit anregender, als das ermüdende Amerika-Bashing. Die angerissenen Themen verschaffen einen gewissen Überblick, gelegentlich gehen die Ausführungen auch mehr in die Tiefe. Ein Stichwort- oder Filmverzeichnis wäre sicher sinnvoll gewesen, und auch ein paar Bilder könnten einem Buch über Bilder gut tun. Es enthält einige kleine Fehler und Ungenauigkeiten, verschafft aber eine Ahnung von der Komplexität dieses weiten Felds.

Ignacio Ramonet: Liebesgrüsse aus Hollywood. Kino, Fernsehen, Werbespots. Rotpunktverlag. 242 Seiten, Euro 19,-