Kassenzettelpflicht: Altmaier gegen Scholz
Neuer SPD-Chef propagiert Annahme via App
Vor drei Jahren beschlossen das Bundeskabinett und die Koalitionsmehrheit im Bundestag eine ausnahmslose Kassenbonpflicht, die künftig auch vorher unbürokratisch gehandhabte Kleinkäufe umfassen und ab dem 1. Januar 2020 gelten soll. Die meisten Bürger bekamen erst kurz vor diesem Termin mit, was da auf sie zukommt. Und in Sozialen Medien äußern sehr viele davon Unverständnis darüber, dass es im neuen Jahr beim Anstehen beim Bäcker oder am Getränkeausschank in einer Diskothek möglicherweise etwas länger dauern wird.
Nachdem die FDP-Bundestagsfraktion diese Stimmung aufgriff und einen Gesetzentwurf zur "Befreiung von der Belegausgabepflicht" ankündigte, meldeten sich auch Unionspolitiker wie Thomas Bareiß nicht mehr nur intern, sondern öffentlich mit Kritik zu Wort. 2016, so Bareiß, habe er der Regelung nur zugestimmt, weil "eine weitgehende Möglichkeit der Befreiung" in Aussicht gestellt worden sei. Doch bislang gibt es weder Ausnahmen für Bäcker noch eine Bagatellgrenze für Mini-Beträge.
Umweltbelastung
Nun hat ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigt, dass sich "Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit Bundesfinanzminister Scholz im Austausch zum Thema Bonpflicht" befindet. Über Details dazu will das Ministerium keine offizielle Auskunft geben. Der Bild-Zeitung liegt jedoch ein angeblicher Brief von Altmaier an Scholz vor, in dem der Wirtschaftsminister den Finanzminister außer vor einem "erheblichen Mehraufwand an Bürokratie" auch vor einer Belastung der Umwelt durch Milliarden von Kassenzetteln warnt, die nach ihrem Druck auf Thermopapier "direkt im Müll landen".
Alleine die Supermarktkette Rewe rechne deshalb mit einer Steigerung des "Papiereinsatzes an ihren Kassen von 40 Prozent oder rund 140.000 Kilometern zusätzliche[n] Kassenbons im Jahr". Die gesamte Branche geht von etwa zwei Millionen zusätzlichen Kilometern aus. Er, so Altmaier, hoffe deshalb "auf eine kurzfristige einvernehmliche Lösung im Sinne der Unternehmen und der Umwelt".
Ab September ohnehin "manipulationssichere" TSE-Kassen
In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass bis zum September 2020 ohnehin alle Einzelhändler "manipulationssichere" TSE-Kassen einsetzen müssen. Eigentlich hätten sie das schon zum 1. Januar 2020 sollen, aber wegen der damit verbundenen erheblichen und dem Deutschen Fleischer-Verband nach in manchen Fällen sogar "existenzbedrohenden" Kosten verlängerte man die Frist um acht Monate. Dass es nun unbedingt eine ausnahmslose Kassenzettelpflicht geben müsse, sei aber auch deshalb "nicht plausibel", weil Steuerprüfern mit der "unangekündigten Kassennachschau seit 2018 ein weiteres Prüfinstrument zur Verfügung" stehe.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat dazu bislang noch nicht öffentlich Stellung genommen. Aber in seiner Partei, der SPD, verteidigt man die unter seinem CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble verabschiedeten Regeln. "Hauptleidtragender der Kassenbonpflicht" sei "der Steuersünder, nicht etwa die Umwelt oder der Einzelhandel", meint etwa der stellvertretende SPD-Bundestagsfraktionschef Achim Post, der die ausnahmslose Belegpflicht für ein "verhältnismäßiges Mittel" hält, damit dem Staat nicht "weiterhin Milliardensummen durch die Lappen gehen".
"Papierlos gestalten"
Aus der neuen SPD-Parteispitze äußerte sich bislang nur Norbert Walter-Borjans. Er verwies auf "technische Möglichkeiten", die ausnahmslose Bonpflicht "papierlos zu gestalten". Hier sei "die Wirtschaft gefragt, praxistaugliche Lösungen zu finden".
Ob ihr das gelingt, ist fraglich. Nicht jeder möchte jedem Barkeeper über eine App Zugang zu seinen Mobilgeräten gewähren oder ihm seine E-Mail-Adresse geben, wenn er stattdessen auch einen Zettel nehmen kann. Unter den Barzahlern - der großen Mehrheit bei den Kleineinkäufen - würde einer YouGov-Umfrage nach weniger als die Hälfte einen Kassenzettel via App akzeptieren. Bei denjenigen, die mit der EC- oder der Kreditkarte zahlen, liegt der Anteil nur knapp über 50 Prozent. Und selbst unter der kleinen Minderheit der Handyzahler wären lediglich drei Viertel damit einverstanden.
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