Katalanische Separatisten: Macron fürchtet den Präzedenzfall

Seite 2: Rechts gegen die "Ultras"

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Marine Le Pen, sonst sehr aktiv mit Aktualisierungen auf Twitter, schweigt zu den aktuellen Ereignissen, ebenso der Twitter-Account der Partei. In einem Statement von Anfang Oktober betont der FN, dass man dem Rechtsstaat verbunden sei und den verfassungsmäßigen Regeln.

Vorsichtig wird Kritik an Rajoy geäußert und schon deutlicher am "technokratischen Brüssel". Man wolle sich nicht in interne Angelegenheiten einmischen und in die Souveränität eines befreundeten Landes, aber die "europäistische Regierung" Rajoys habe, nach Auffassung des FN, "nicht die besten Lösungen gefunden, um die Situation zu entschärfen". Etrwas schärfer fällt die Kritik an den indépendantistes aus, die von "der totalitären, anti-demokratischen extremen Linken" unterstützt wurden und die den Prozess erst initiiert hätten - gegen das Urteil des Verfassungsgerichts, wie betont wird.

Ganz ähnlich richtet sich der Leit-Kommentar des rechtskonservativen Figaro am heutigen Samstag vor allem gegen die katalanischen "Ultras", die "einen Großteil der Bevölkerung und den Präsidenten, dessen Namen man gar nicht erwähnt, "zur Geisel genommen hätten". Sie hätten Madrid eine Falle gestellt, nun zeige sich das "bis dato Undenkbare". Das Verrückteste sei, dass eine "radikale Randgruppe sieben Millionen Europäer in die Absurdität mitnehmen kann".

Todd: "Es liegt am Euro und an der Familienstruktur"

Zur Analyse der Situation steuert, wie so oft, Emmanuel Todd, Überlegungen bei, die den Kanon des Üblichen verlassen (wozu auch der Figaro-Kommentar gehört, der einzig auf Engführung und Aufwiegelung setzt). Der Historiker, Demograf und Anthropologe, dessen Äußerungen häufig für Kontroversen sorgen und wegen seiner EU-Kritik öfter in rechts-orientierten französischen Publikationen zitiert wird, fügt den Erklärungen zum Unabhängigkeitsstreben der Katalanen eine neue hinzu.

Zwar macht auch er traditionelle Spannung zwischen den Katalanen und der absolutistischen Zentralregierung geltend, die nun durch das "Joch des Euros" einen neuen Zuschnitt und eine Aktualisierung bekommen haben, weswegen er die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen mit dem Brexit vergleicht, aber der Demograf und Anthropologe hat noch anders in petto.

Er sieht in Katalonien ein bestimmtes Familienmodell vorherrschend, das "ethnozentrische Anschauungen" unterstütze. Es handel sich um ein Land mit einem traditionellen System von "Stammfamilien" ("familles souches"), die sehr mit Abstammungslinien verbunden seien, mit einem Erben in jeder Familie, meist dem ältesten Sohn. Dies, so folgert Todd, würde zu "sehr lebendigen lokalen demokratischen Traditionen" führen, die man auch in Japan, Deutschland oder der Schweiz sehen könne.

Die Zusammenhänge näher zu erklären oder zu untermauern, bleibt Todd allerdings schuldig.