Katalanischer Wahlkampf beginnt in Brüssel
200 katalanische Bürgermeister sind zur Unterstützung des "Exil-Regierungschefs" ins Herz Europas gereist
Es mutet absurd an, dass der Wahlkampf für die von Spanien dekretierten Zwangswahlen nun in Brüssel beginnt. Am Dienstag haben sich 200 katalanische Bürgermeister auf den Weg nach Brüssel gemacht, um Regierungschef Carles Puigdemont zu unterstützen. Er hält sich dort mit vier Ministern seiner "legitimen Regierung" auf, wie er sie nennt.
Für viele Katalanen war es ein erster Sieg und ein demokratischer Schlag ins Gesicht Spaniens, da die belgische Justiz sie am Sonntag nicht in Auslieferungshaft genommen hat. Neus Lloveras, der die Organisation "Bürgermeister für die Unabhängigkeit" (AMI) anführt, der mehr als 700 der gut 900 Gemeinden angehören, hat vor dem Abflug in Barcelona ein "schlagkräftiges" Vorgehen Europas gefordert, um die Freiheit der in Spanien inhaftierten auch Minister auch im Hinblick auf faire Wahlen am 21. Dezember zu erreichen. Europa müsse "helfen und intervenieren", sagte er.
Puigdemont und seine Mitstreiter können wenigstens aus dem Exil Wahlkampf machen, was keine fairen Bedingungen sind. Das spanische Ministerium für Staatsanwaltschaft wollte auch das verhindern. Es hat am Nationale Gerichtshof die Inhaftierung der acht Minister wegen angeblicher Flucht- und Wiederholungsgefahr und die Auslieferung über einen europäischen Haftbefehl betrieben. Alle sollen sich angeblich der "Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung" von Steuergeldern schuldig gemacht haben, weil sie Haushaltsmittel für das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober benutzt haben.
Dieser Plan wurde durch die Ausreise und die "maximale Internationalisierung" durchkreuzt, wie Puigdemont erklärt. Bekannt wurde, dass die Richterin Carmen Lamela, die unter Aushebelung der Verteidigerrechte die acht Minister inhaftieren ließ, über einen absurden Korruptionsvorwurf eine Schnellauslieferung aus Belgien erreichen wollte. Im europäischen Haftbefehl hat sie "Korruption" angeführt. Da sie diese Anschuldigungen nicht einmal gegen die von ihr inhaftierten Minister erhoben hat, ignorierte die belgische Justiz den Vorwurf konsequent.
In Spanien werden in Justiz und Politik Stimmen lauter, die das Vorgehen der Regierung von Mariano Rajoy für unhaltbar halten, da bei Rebellion und Aufruhr gewaltsam vorgegangen werden muss. Bis in Rajoys Volkspartei (PP) reicht die Kritik schon. Die PP-Sprecherin für Justiz in Katalonien hält es für eine "Schande", was man "mit den Katalanen macht".
Puigdemont und seinen Mitstreiter ist es längst gelungen, die internationale Öffentlichkeit auf das undemokratische Vorgehen hinzuweisen (Belgiens Ex-Regierungschef nennt Spanien "autoritär franquistisch").
Auch Puigdemont erklärt, dass es längst nicht mehr nur um die katalanische Unabhängigkeit gehe: "Es geht um die Demokratie selbst." Er sagte am Dienstag auch, über seine Ausreise habe er eine "sehr harte Repressionswelle" verhindert. Seine Regierung sei per "Staatsstreich" aus Madrid beseitigt worden, beklagt er und greift die "Toleranz" Europas gegenüber dem spanischen "Autoritarismus" an. "Das wird vor internationalen Gerichtshöfen landen", kündigte er Klagen an. Spanien werde sich erneut "schämen" müssen, weist er auf Urteile wegen Folter hin.
Gespannt blickt man auf den Generalstreik heute, zu dem der Gewerkschaftsverband CSC und die großen zivilgesellschaftlichen Organisationen aufgerufen haben. Er ist der erste Höhepunkt der laufenden Freiheitswoche, bevor sich am Donnerstag die Zahl der politischen Gefangenen um weitere sechs erhöhen könnte. Nun werden die Mitglieder des katalanischen Parlamentspräsidiums vor dem Obersten Gerichtshof vernommen. Unklar ist, ob die Wirkung ähnlich massiv wird wie am 3. Oktober, als gegen die Polizeigewalt beim Referendum gestreikt wurde. Die großen spanischen Gewerkschaften beteiligen sich erneut nicht offiziell. Die UGT hat aber zu einer "Generalmobilisierung" aufgerufen, schließlich ist mit der Arbeitsministerin Dolors Bassa ein ehemaliges hochrangiges UGT-Mitglied inhaftiert.