Katastrophenkapitalismus

Seite 2: Erhöhte Krisenanfälligkeit

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Dabei nimmt die Gefahr verheerender Feuerkatastrophen in der von Berlin kaputtgesparten südeuropäischen Peripherie bereits zu. Nur wenige Monate vor der Brandkatastrophe in Portugal publizierten Wissenschaftler der Universität Barcelona eine entsprechende Studie, die vor einer drastischen Zunahme von Waldbränden insbesondere in der nördlichen Mittelmeerregion warnte. Die Autoren der Studie nutzten das langjährige empirische Material des European Forest Fire Information System (EFFIS), um eindeutige, "statistisch signifikante Zusammenhänge" zwischen der Häufigkeit von Dürren und der Intensität von Waldbränden zu konstatieren.

Überdies wurde festgestellt, dass gerade in den nördlichen Regionen der iberischen Halbinsel die Relation zwischen zunehmenden Dürren und Feuersbrünsten weitaus stärker ausgeprägt sei als im südlichen Mittelmeer, wo die Vegetation eher an längere Tockenperioden angepasst sei. Zudem mahnten die Autoren der Studie, dass die bisherigen Strukturen und Methoden der Feuerbekämpfung absolut unzureichend seien: "Die existierenden Maßnahmen zur Feuerprävention werden inadäquat sein, sodass eine Änderung der Strategie notwendig ist."

Doch genau davon - von einer kostspieligen Umstrukturierung der Maßnahmen zur Feuerbekämpfung - können die meisten der krisengebeutelten südeuropäischen Eurostaaten, die von der "schwarzen Null" Schäubles auf neoliberale Hungerdiät gesetzt wurden, nur träumen.

Diese krisenhaften Tendenzen in Europas brennender Peripherie - exekutiert vom damaligen deutschen Finanzminister - können auf den Begriff des Katastrophenkapitalismus gebracht werden: Das Kapital ist bei Klimakatastrophen inzwischen sowohl bei deren Ursache als auch deren Folgen ein Faktor. Während der privatisierungsgeile, derregulierende Neoliberalismus und die krisenbedingte Unterfinanzierung der Infrastruktur die Krisenanfälligkeit der spätkapitalistischen Gesellschaften erhöht, sabotiert der uferlose Wachstumszwang des Kapitals alle Bemühungen um eine substanzielle Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

Es handelt sich somit um ein Ineinandergreifen des kapitalgetriebenen Klimawandels, befeuert durch die selbstzweckhafte Wachstumswut der globalen Wirtschaftsmaschine, mit der krisenbedingten Zerrüttung der Infrastruktur der spätkapitalistischen Krisenregionen, die einfach nicht mehr ausreichend "finanziert" wird.

Die Unvereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie

Wie der kapitalistische Markt in seiner unendlichen Weisheit dieses Dilemma zu lösen pflegt, wird beispielsweise in Kalifornien evident, das aufgrund vergleichbarer klimatischer Bedingungen ähnlich oft wie das Mittelmeer von Feuersbrünsten heimgesucht wird - und wo sich inzwischen eine regelrechte private Feuerwehr-Industrie etablierte, die die Residenzen und Wohnviertel der reichen Oberschicht zu schützen versucht, während sich die Armen und die Mittelklasse mit der inadäquaten öffentlichen Infrastruktur zufriedengeben und oftmals zur schlichten Selbsthilfe greifen müssen.

Wie unter einem Brennglas kommt gerade bei der Brandkatastrophe die krasse Unvereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie zum Vorschein. Es ist auch oftmals die profane Profitgier, die den Funken einer Feuerwalze bildet. Beispielhaft hierfür steht die Figur des Brandstifters, der zumeist in Auftrag von Spekulanten oder sonstigen Profiteuren das Feuer legt. Die Brandstiftung fungiert hier als eine Art verwilderte Raubform der kapitalistischen Landgewinnung, des Ressourcenklaus oder der Immobilienspekulation.

In vielen Regionen Südeuropas nutzen Bodenspekulanten den trockenen Sommer dazu, durch Brandstiftung und korrupte Deals mit lokalen Behörden in einer rechtlichen Grauzone billig neues Bauland zu erschließen. Die abgebrannten Naturgebiete werden dann zumeist mit Baugrundstücken überzogen, wobei die geschmierten lokalen Behörden beide Augen zudrücken. Auch die mörderischen griechischen Großfeuer vom Sommer 2018 - die an mehreren Orten zugleich ausbrachen - sollen durch Brandstiftung verursacht sein.

Teil 2: Blinde "Unsichtbare Hand"

Von Tomasz Konicz erscheint demnächst das Buch "Klimakiller Kapital. Wie der Kapitalismus der Menschheit die Lebensgrundlagen entzieht," Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um Ausschnitte aus Kapital 4. dieses Buches: "Kapitalistische Selbstzerstörung"