Kaum Chancen für den Frieden
Angriffsszenario: Ein israelischer Angriff auf die iranischen Atomanlagen
Nach dem Sturz des Hussein-Regimes 2003 ist der Iran heute der wichtigste militärpolitische Konkurrent Israels im Nahen Osten. Während die iranische Regierung an ihrem heimlichen Ziel festzuhalten scheint, eine eigene Atombombe zu entwickeln, will die israelische Regierung dies unter allen Umständen verhindern. Zum Glück liegen zwischen beiden Konfliktparteien noch die Nachbarländer Syrien und Jordanien sowie der Irak. Dennoch erscheint ein Waffengang möglich. Seit Monaten droht die Regierung in Tel Aviv mit einem präventiven Luftangriff gegen iranische Nuklearanlagen, obwohl sie damit gegen die UN-Charta verstoßen würde.
Zunächst muss man noch auf eine diplomatische Lösung setzen. Dazu hat die Internationale Atomenergieagentur der UN in Wien die iranische Regierung am 18. September 2004 ultimativ aufgefordert, bis zum 25. November "freiwillig" auf die Anreicherung von Uran zu verzichten. Wenn die Regierung in Teheran dem nicht nachkommt, wird der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, in denen die iranischen Nuklearaktivitäten verurteilt und ein Embargo gegen das Regime in Teheran verhängt wird mit dem Ziel, daß die Mullahs ihre militärischen Atomambitionen aufgeben. Anschließend würde ein UN-Inspektionsteam - wie im Irak - jahrelang sämtliche iranischen Nuklearanlagen inspizieren. Auch auf der internationalen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty - NPT) im Mai 2005 in New York wird die iranische Atompolitik eines der wichtigsten Gesprächsthemen sein.
Lenkt die Regierung in Teheran nicht durch das Wirtschaftsembargo schließlich doch ein, würde die israelische Regierung Maßnahmen zur Selbstverteidigung anwenden. Dies kündigte Premierminister Ariel Scharon am 7. September 2004 in einem Interview mit der Zeitung Jerusalem Post öffentlich an. Nach israelischer Darstellung haben die Mullahs im Iran ein tyrannisches Regime errichtet, streben nach Massenvernichtungswaffen und sind der "Terrorexporteur Nummer Eins"; wie Außenminister Silvan Schalom am 23. September 2004 vor der UN-Vollversammlung erklärte. Mit genau diesen drei "Argumenten" hatte schon die Bush-Regierung versucht, den Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen. Daher wäre es zu einfach, die israelische Drohpolitik als bloßes Säbelrasseln abzutun. Schließlich könnten die Israelis nicht damit rechnen, durch Einschüchterung die iranische Führung von ihren Nuklearplänen abzubringen.
Derweil setzen die Israelis ihre Angriffsvorbereitungen fort: Die Leitung der Angriffsplanung liegt bei Geheimdienstschef Meir Dagan, der dabei vom stellvertretenden Generalstabschef Generalmajor Dan Halutz, einem bekannten Hardliner, militärisch unterstützt wird. Ausschlaggebend für die Operationsplanung sind einerseits die banalen militärtechnischen Gegebenheiten im direkten Kräftevergleich und andererseits die militärpolitischen Rahmenbedingungen. Nach einem Bericht der Sunday Times vom 18. Juli 2004 liegt ein erster Angriffsplan in den Schubladen bereit und wird ständig den sich verändernden Lagebedingungen angepasst. Außerdem haben die Israelis den iranischen Atomreaktor Buschehr in der Negev-Wüste im Modell nachgebaut. Hier trainieren israelische Luftwaffenpiloten den exakten Bombenabwurf.
Wenn es soweit kommt, wird sich Scharon mit den Mitgliedern seines Kriegskabinetts beraten und den Angriffsbefehl erteilen. Zu diesem Gremium zählen u.a. Verteidigungsminister Shaul Mofaz, Außenminister Silvan Schalom und der noch amtierende Generalstabschef Generalleutnant Moshe Ya'alon. Aus israelischer Sicht drängt die Zeit: Um eine Umweltkatastrophe wie in Tschernobyl zu vermeiden, müssen die iranischen Kernreaktoren zerstört werden, kurz bevor sie mit radioaktivem Nuklearmaterial erstmals beladen werden. Global Security rechnet daher mit einem Angriff im kommenden Jahr:
Das günstige Zeitfenster (window of opportunity) für einen Entwaffnungsschlag gegen den Iran wird im Jahre 2005 anfangen sich zu schließen. Wie es scheint, wird die Urankonversionsanlage in Isfahan im Verlauf des Jahres 2005 ihren Betrieb aufnehmen, genauso wie die Schwerwasserfabrik in Arak. Wenn sich die russische und die iranische Seite über eine Bezahlung geeinigt haben, werden die Brennelemente, die derzeit in einem russischen Hafen auf ihre Ausfuhr warten, im kommenden Jahr für den Reaktor in Buschehr ausgeliefert. Eine nennenswerte Urananreicherung in Natanz kann im Jahr 2006 beginnen, und die Plutoniumproduktion könnte im Jahr 2010 in Arak aufgenommen werden.
Aber wie das Gerangel um die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen in den letzten Jahren gezeigt hat, kann es äußerst schwierig sein, das Militärpotenzial eines gegnerischen Landes halbwegs objektiv einzuschätzen. Allein in den letzten zwei Jahren musste die CIA ihre Einschätzungen, bis wann der Iran eine Atombombe fertig stellen könne, mindestens viermal korrigieren. Nach einer Schätzung der israelischen Nachrichtendienste aus dem Jahre 1992, hätte der Iran bereits im Jahr 2000 zur Nuklearmacht aufsteigen müssen. Während der israelische Geheimdienstgeneral Ze'evi noch im August 2003 erklärte, er rechne mit der Fertigstellung einer iranischen Atombombe bis zum Jahr 2006, taxierten die israelischen Geheimdienste im Juli 2004 mit einer Produktion im Jahr 2008. Dabei haben die iranischen Politiker selbst durch öffentliche Äußerungen Befürchtungen vor iranischen Massenvernichtungswaffen geschürt. So erklärte 1988 der damalige Präsident Rafsanjani gegenüber Soldaten:
Wir sollten unsererseits die Fähigkeit zum offensiven und defensiven Gebrauch von chemischen, bakteriologischen und radiologischen Waffen voll erwerben. Von jetzt ab sollt ihr die Gelegenheit nutzen und diesen Auftrag erfüllen.
Wenn die Israelis tatsächlich den Iran militärisch angreifen würden, wäre es nicht das erste Mal, dass sie zu solch rabiaten Mitteln greifen, um ihr eigenes Atombombenmonopol im Nahen Osten zu sichern: Am 7. Juni 1981 bombardierte die israelische Luftwaffe im Rahmen der Operation OPERA den gerade fertiggestellten irakischen Atomreaktor Osirak I bei Bagdad und konnte damit die Entwicklung einer irakischen Atomwaffe verhindern (Israels Atompolitik). Eingesetzt wurden damals F-16A Kampfflugzeuge, die die USA elf Monate zuvor geliefert hatten.
Aber diesmal beträgt die Entfernung zwischen Tel Aviv und Teheran immerhin 1.589 Kilometer. Früher lag der Iran gänzlich außerhalb der Reichweite der israelischen Jets. Seit Anfang dieses Jahres verfügt die israelische Luftwaffe jedoch über zwei Flugzeugtypen mit großer Reichweite - die F-15I und die F-16I. Bei einem Angriff würde daher vor allem die israelische Luftwaffe Heyl Ha'Avir unter dem Kommando von Generalmajor Elyezer Shkedy eingesetzt werden.
Die Angriffsflugzeuge
Beide Flugzeuge werden nur von der israelischen Luftwaffe eingesetzt, daher sind ihre technischen Leistungsdaten weitgehend geheim. Die zweisitzige Boeing F-15I Ra'am wurde im Januar 1998 bei der Luftwaffe in Dienst gestellt. Insgesamt verfügen die Israelis über 25 Maschinen der Staffel Nr. 69 "Hammer" auf dem Fliegerhorst Hatzerim bei Beerschewa unter dem Kommando von Oberstleutnant Hagal. Die F-15I ist der größte Jagdbomber der Heyl Ha'Avrir. Wenn das Flugzeug unbeladen ist, soll seine maximale Reichweite bei 5.745 km liegen, obwohl die Israelis offiziell eine geringere Entfernung angeben. Sie kann an fünfzehn Aufhängepunkte unter dem Rumpf und den Flügeln eine Außenlast (Waffen oder Zusatztanks) von maximal 11.113 kg mitführen. Selbst bei voller Betankung beträgt die Waffenlast noch 4.000 kg.
Die zweisitzige Lockheed-Martin F-16I Sufa wird seit dem 19. Februar 2004 bei der israelischen Luftwaffe eingeführt. Im Rahmen des Programms "Peace Marble V" ist die Beschaffung von insgesamt 102 Flugzeugen für vier Kampfstaffeln vorgesehen. Bisher ist nur die Staffel Nr. 253 "Negev" auf dem Fliegerhorst Ramon in der Negev-Wüste einsatzbereit. Als nächstes werden die beiden Staffeln Nr. 107 "Ritter des orangenen Schwanzes" und Nr. 119 "Fledermaus" auf demselben Fliegerhorst umgerüstet und schließlich die Staffel Nr. 201 "Eins" auf dem Luftstützpunkt Tel Nov. Mit Gesamtkosten von 4,5 Milliarden Dollar ist dies der größte Rüstungsimport seit Gründung des Staates Israels im Jahre 1948. Das Flugzeug wird im texanischen Fort Worth gebaut, allerdings werden 25% der Teile des Flugzeuges in Israel selbst produziert, dies betrifft insbesondere die Avionik. Unbeladen hat es eine maximale Reichweite von 3.200 km. Dazu wird Treibstoff bei der F-16I erstmals auch in speziellen Außentanks oberhalb der Flügel (Conformal Fuel Tanks - CFT) mitgeführt. Die F-16I kann an neun Aufhängepunkten eine Außenlast von maximal 9.275kg tragen.
Beide Flugzeugtypen können ihre Reichweite steigern, indem sie in der Luft aufgetankt werden. Dazu besitzt die israelische Luftwaffe mehrere Tankflugzeuge vom Typ Boeing 707-300 Reem, die bei der 120. Staffel "International" auf dem Luftstützpunkt Ben Gurion bei Tel Aviv stationiert sind. Für die F-16I wurde außerdem eine Luftbetankung nach der Buddy-Methode erprobt: In einem Pulk aus mehreren Maschinen sind einige Flugzeuge schwer bewaffnet, während andere Maschinen keine Bomben sondern ausschließlich Zusatztanks besitzen. Bevor sich der Verband dem Zielland nähert, tanken die unbewaffneten Maschinen die anderen Kampfjets auf und drehen bei, während die Kampfjets ihren Angriffsflug nun mit aufgefüllten Innentanks fortsetzen. Diese Luftbetankungsmethode wird insbesondere dann angewendet werden, wenn ein Einsatz von großen Tankflugzeugen aus taktischen Gründen nicht in Frage kommt.
Der Angriffsflug
Wahrscheinlich würde ein Angriff während der Nacht ausgeführt. Dann sind nur wenige Arbeiter in den Nuklearanlagen und die Zahl der Opfer und der politische Schaden ließe sich so begrenzen. Außerdem erleichtert die Dunkelheit ein Vordringen der israelischen Kampfflugzeuge. Die Piloten sind entsprechend ausgebildet und die Flugzeuge verfügen über die notwendige Ausrüstung wie z. B. Nachtsichtanlagen (Forward Looking Infra Red - FLIR).
Im Tiefflug können die F-15I bis auf eine Höhe von 30 Meter heruntergehen und dadurch die Radaranlagen der gegnerischen Luftverteidigung einfach unterfliegen oder sie mit ihrem Störsender SPS-3000 in die Irre leiten. Für den Piloten ist die genaue Orientierung beim gegenwärtigen Stand der Waffentechnik kein Problem mehr. Die Navigationssysteme AN/AAQ-13 oder AN/AAQ-14 gestatten es ihm, hausgroße Objekte in über tausend Kilometer Entfernung zielsicher anzupeilen.
Von den Basen in Israel würde der Flug zunächst durch den saudischen oder jordanischen Luftraum führen. Dies ist zwar ein Verstoß gegen die Unverletzbarkeit der Grenzen, aber selbst wenn die Araber die Verletzung ihres Luftraums feststellen würden, hätten sie ohnehin keine militärische Möglichkeit die Jets abzuschießen. Auch der Durchflug durch den Irak ist problemlos, schließlich ist die irakische Luftverteidigung seit dem letzten Golfkrieg nicht mehr existent und von den Amerikaner haben die Israelis keinerlei Schwierigkeiten zu erwarten. Mit dem Eindringen in den iranischen Luftraum beginnt die heiße Phase des Angriffs.
Bunkerknackende Lenkraketen
In Erwartung eines israelischen Angriffs hat die iranische Regierung einzelne Nuklearanlagen von vornherein unterirdisch angelegt und zum Teil verbunkert. Bisher verfügt die israelische Luftwaffe über keinen einzigen Bombentyp, der durch den Erdboden und die umgebenden Betonwände hindurch derart gehärtete Zielobjekte zerstören könnte. Hingegen sind die USA bei der Entwicklung und Produktion solcher "Bunker Buster" führend. Gemäß einer bilateralen Vereinbarung wird die Bush-Regierung in den nächsten Monaten 500 dieser Spezialsprengkörper an die israelische Luftwaffe ausliefern und damit signalisieren, dass sie einen israelischen Angriff auf den Iran nicht nur klammheimlich unterstützt (Strategische Aufwertung)
Bei der angeforderten Bunkerknacker-Munition handelt es sich um den Gefechtskopf BLU-109/B Mole (BLU = Bomb Live Unit). Bei einem Eigengewicht von 874 kg hat der Gefechtskopf eine Sprengstoffladung von 240 kg Tritonal oder PBXN-109. Der Sprengkopf kann Betonwände bis zu einer Dicke von 2,4 m durchschlagen. Er wird in eine Vielzahl von Präzisionsbomben (Guided Bomb Unit - GBU) eingebaut, darunter die GBU-10 Paveway II, die GBU-15 oder die GBU-31 Joint Direct Attack Munition (JDAM). Eine einzelne F-15I kann alternativ sieben GBU-10 oder zwei GBU-15 mitführen. Die israelischen Piloten können diese automatischen Gleitbomben schon mehrere Kilometer vor dem Ziel abwerfen und damit dem Abwehrfeuer der iranischen Luftverteidigung ausweichen. So hat die GBU-10 eine Reichweite von 15 km und die GBU-15 kann sogar schon 28 km vor dem Ziel ausgeklinkt werden.
Gegen die "weichen" Bauelemente eines Zielobjektes können die F-16I ihre Flugkörper Joint Standoff Weapon und Have Lite oder die Mark 84-Bomben einsetzen, die schon beim Angriff auf den irakischen Atomreaktor 1981 abgeworfen wurden und deren Zielgenauigkeit mittlerweile durch den Lenkaufsatz Spice erhöht wurde.
Einsatz von Sondereinheiten
Neben der israelischen Luftwaffe käme wahrscheinlich auch die Marine zum Einsatz. Das Atomkraftwerk Buschehr ist schließlich nur wenige Meter vom Strand des Persischen Golfes entfernt. So könnte ein U-Boot vom deutschen Typ Dolphin (Auf Tauchfahrt) eine Sondereinheit des Kommando Yami verdeckt absetzen, die den noch im Bau befindlichen 1000 Megawatt Leichtwasserreaktor mit ein paar exakt plazierten Ladungen RDX-Plastiksprengstoff in die Luft jagt. Anschließend könnte das U-Boot seine Raketen vom Typ Harpoon oder Popeye Turbo abfeuern, um den Schaden zu vergrößern. Dabei muss auf jeden Fall vermieden werden, dass einer der russischen Bauingenieure verletzt wird, damit eine Konfrontation mit dem Präsidenten in Moskau vermieden wird.
Allerdings ist Buschehr nur eines von mehreren Zielen. Die wichtigeren Nuklearanlagen in Arak, Ardekan und Natanz liegen weit im Landesinneren und lassen sich nicht von See her bekämpfen. Der israelischen Marine käme daher nur eine Nebenrolle bei einem Angriffsszenario zu.
Iranische Luftverteidigungsversuche
Der Iran verfügt nur über eine geschwächte Luftverteidigung. Das in den siebziger Jahren von den USA selbst aufgebaute System "Peace Crown" dürfte nur noch zum Teil einsatzbereit sein. Wegen des irakisch-iranischen Krieges (1980-88) wurde Anfang der achtziger Jahre ein internationales Militärembargo gegen den Iran verhängt, das das Ende des Krieges um mehrere Jahre überdauerte. Eine entsprechende amerikanisch-russische Vereinbarung wurde erst im November 2000 von der Moskauer Seite aufgekündigt. In Folge dessen ist die iranische Luftverteidigungsorganisation völlig veraltet. Mängel bestehen insbesondere bei der Frühwarnung und der Koordination der Luftverteidigung in einem größeren Kampfsektor. Die Luftverteidigungsorganisation gliedert sich in drei Hauptzonen, die in insgesamt 8 Teilgebiete unterteilt sind.
Die iranische Luftwaffe verfügt über einen Mischmasch an Flugabwehrraketen: 10 russische SAM-5 Gammon (255km Reichweite), 45 chinesische Hongqi 2J (40 km), 150 amerikanische Improved Hawk (40 km), 30 britische Rapier (8 km) und 15 britische Tigercat (5 km Reichweite). Die Flugabwehrrakete Shahab Thaqeb stammt aus eigener Produktion, die Streitkräfte haben sie aber nach den Tests im Jahre 2000 bisher nicht in Dienst gestellt. Die iranischen Flugabwehrraketen sind vor allem an folgenden Orten stationiert: Ahwaz, Bandar Abbas, Bandar Khomeini, Buschehr, Dezful, Hamadan, Isfahan, Kermanschah, Kharg, Schiraz, Tabris und Teheran. Sie sollen dort u.a. den Objektschutz für die strategisch wichtigen Nuklearanlagen sicherstellen. Die iranischen Heeresverbände sollen zusätzlich mit der chinesischen Flugabwehrrakete Hongqi 7 mit einer Reichweite von 10 km ausgerüstet sein. Hinzu kommen mehrere tausend tragbare russische Raketen geringer Reichweite (SA-7 Grail, SA-14 Gremlin und SA-16 Gimlet) und 1.000 bis 2.000 Flugabwehrkanonen.
Die Regierung in Teheran drängt bereits seit 1998 die russische Regierung zur Lieferung hochmoderner Luftabwehrraketen, aber diese sagte erst im Dezember 2001 die Lieferung des Waffensystems S-300 PMU-1 (150 km Reichweite) prinzipiell zu. Bisher wurden aber noch kein System ausgeliefert. Auf Grund von amerikanischen Drucks lehnt die Regierung in Moskau bisher eine Stationierung der Raketen zum Schutz von iranischen Nuklearanlagen ab. Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Industriemetropole Isfahan, wo sich auch mehrere Atomfabriken befinden.
Gegenüber den iranischen Abfangjägern - 24 chinesische F-7M Airguard, 25 russische Mig-29A Fulcrum und 25 amerikanische F-14 Tomcat - sind die F-16I mit ihrer neuen Radaranlage AN/APG-68(V)9 waffentechnisch überlegen. Außerdem würden alle beteiligten israelischen Jets zu ihrem Selbstschutz Luft-Luft-Raketen mitführen: amerikanische AIM-7F Sparrow, AIM-9L Sidewinder und AIM-120 AMRAAM oder israelische Phython 4. Unklar ist, in welchem Umfang die iranischen Militärs die eigene politische Führung über die begrenzten Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber einem israelischen Luftangriff aufgeklärt hat.
Für den Fall, dass dennoch eine israelische Maschine abgeschossen würde, könnte in einem Nachbarland die israelische Aeromedical Evacuation Unit 669 mit ihren Spezialhubschraubern Bell 206/212 stationiert werden, die die beiden Besatzungsmitglieder "herauspaukt", damit diese nicht in iranische Kriegsgefangenschaft geraten und Militärgeheimnisse ausplaudern.
Zielobjekt iranische Nuklearindustrie
Der iranischen Atomenergiebehörde Sazeman- e Energy Atomi wird seit 1997 von Gholamreza Aghazadeh geleitet, der zugleich stellvertretender Staatspräsident ist. Ihm unterstehen rund zwei Dutzend Nuklearfabriken. Zum Bau einer Atombombe muss zuerst eine umfassende Industrie aufgebaut werden, um das notwendige hochangereicherte Nuklearmaterial produzieren zu können.
Prinzipiell gibt es zwei Wege zum Bau einer Atombombe: Uran 235 oder Plutonium 239. Nachdem das Natururan, das nur einen Anteil von 0,7 Prozent Uran 235 enthält, aus den Bergwerken gefördert wurde, wird das Erz zunächst in das giftige Uranoxyd (U3O8), das so genannte Yellow Cake, umgewandelt. Beim nächsten Schritt wird daraus Uranhexafluorid (UF6) hergestellt. Dieses nicht-radioaktive Gas kann dann in einer Zentrifugenanlage zu neunzigprozentigem Uran 235 angereichert werden, das als Nuklearladung für Atombomben geeignet ist. Alternativ kann man eine Plutoniumbombe herstellen. Allerdings kommt dieses Isotop in der Natur kaum vor und muss erst in einem Atomreaktor "erbrütet" werden, indem ein Uran 238-Atom mit einem freien Neutron beschossen wird und sich dabei in Plutonium 239 verwandelt. Dieses wird dann bei der Wiederaufarbeitung der Brennelemente herausgefiltert. Zur Produktion einer Atombombe sind - je nach Konstruktionsweise - drei bis fünfundzwanzig Kilogramm Uran 235 bzw. ein bis acht Kilogramm Plutonium 239 notwendig. Gegenwärtig peilt die iranische Regierung die Produktion von Uranbomben an.
Will ein Staat verhindern, dass ein anderes Land zur Nuklearmacht aufsteigt, muss es diesen Produktionsprozess an einer beliebigen Stelle unterbrechen, indem man die gegnerischen Nuklearfabriken zerstört. Der Iran besitzt Uranminen in der Nähe von Saghand mit einem Vorkommen von 1,5 Mio. Tonnen Uranerz. Daraus wird in einem Chemielaboratorium bei der Stadt Yazd Uranoxyd erzeugt. Eine Fabrik zur Umwandlung von Uranoxyd in Uranhexafluorid ist das Rudan-Nuklearforschungszentrum in Schiraz. Eine ähnliche Anlage wurde im März 2003 an der Universität in Isfahan in Betrieb genommen, ein größerer Komplex in Ardekan befindet sich im Bau.
Eine große Urananreicherungsanlage wird derzeit in den Bergen bei Natanz (300 km südlich von Teheran) errichtet. Im Endausbau handelt es sich um drei Hallen von jeweils 190 mal 170 Metern mit 50.000 Zentrifugen vom Typ P2. Die Räume sind unterirdisch angelegt, so liegt der Hallenboden in einer Tiefe von 24,6 Metern. Die Decke besteht aus zwei Meter dickem Beton, darüber liegen mehrere Meter Felsgestein. Kleinere Anreicherungsanlagen befinden sich möglicherweise in Lashkar Abad und Ramadah (40km westlich von Teheran). Zur Plutoniumproduktion wären mehrere Reaktoren geeignet. Ein kleinerer 5 Megawatt-Forschungsreaktor befindet sich an der Universität in Teheran in Betrieb. Im Bau sind der 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktor in Buschehr und der geplante 40-Megawatt Schwerwasserreaktor IR-40 in Arak (200km südwestlich von Teheran). Rund 3000 iranische Atomwaffenkonstrukteure arbeiten beim Nuklearen Technologiezentrum in Isfahan.
Wenn der Leichtwasserreaktor in Buschehr im kommenden Jahr tatsächlich den Betrieb aufnehmen sollte, wäre dies das Ende des weltweit längsten Bauprozesses eines Atomkraftwerkes. Bereits im Jahre 1976 hatte das damalige Schah-Regime mit der Kraftwerksunion der Siemens AG einen Vertrag über den Bau von zwei Reaktoren in Buschehr abgeschlossen. Durch die Unruhen im Iran und den Krieg gegen den Irak mussten die Baumaßnahmen über Jahre hinweg eingestellt werden, bis sie schließlich durch russische Staatsbetriebe wieder aufgenommen wurden.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rekordbauzeit von 28 Jahren auf die Betriebssicherheit der Anlage auswirken wird, zumal hier ein russisches Atomkraftwerk vom Typ VVER-1000 (VVER = Voda-Vodyanoi Energetichesky Reaktor) in ein Gebäude hineingezwängt wurde, das ursprünglich für einen deutschen Reaktortyp errichtet wurde. Normalerweise besteht ein VVER-1000 aus einem Reaktorkern mit einem Durchmesser von 3,12 m und einer Höhe von 3,50 m. In diesen Kern sind 47.867 Brennelemente mit 66 t Urandioxyd (UO2) eingelassen. Pro Stunde werden 76.000 qm Wasser durch das Atomkraftwerk gepumpt und auf eine Temperatur von maximal 324 Grad Celsius erhitzt, wobei im Primärkreislauf ein Druck von 160 atü erzeugt wird. Durch den Wasserdampf werden dann zwei Turbinen mit einer elektrischen Leistung von jeweils 500 Megawatt zur Stromerzeugung angetrieben. Wird ein solches Atomkraftwerk nach Inbetriebnahme bei einem Luftangriff zerstört, könnten durch das Loch in der Reaktorschutzhülle mehrere Tonnen Nuklearmaterials aus über 200 verschiedenen radioaktiven Spaltprodukten in die Atmosphäre entweichen.
Unklar ist, ob auf der israelischen Zielliste neben diesen nuklear-industriellen Counter-Value-Zielen auch ein Counter-Force-Angriff gegen die iranischen Trägerraketen steht. In Lavizan befindet sich die Sanam Industries Group, die das iranische Flugkörperprogramm mit dem Decknamen "Department 140" leitet. Wichtige Produktionsstätten befinden sich in Isfahan und Sirjan. Seit Sommer 2004 soll mindestens ein Raketenbataillon mit Shahab 3-Flugkörpern einsatzbereit sein.
Die Aufklärung der nuklearen Zielobjekte im Iran ist Sache der israelischen Nachrichtendienste. Zu nennen ist hier der zivile Auslandsgeheimdienst Mossad unter seinem Direktor Meir Dagan, der militärische Aman, der zur Zeit von Aharon Ze'evi geleitet wird, und ein weiterer Dienst für Industriespionage. Neben dem Einsatz von Agenten im Iran selbst können die Geheimdienste zusätzlich auf den israelischen Photoaufklärungssatelliten Ofeq zurückgreifen. Auf Grund von einschlägigen Erfahrungen (Irak, Nordkorea etc.) ist davon auszugehen, dass die Geheimdiensterkenntnisse trotz aller Spionageaufwendungen ziemlich lückenhaft sind. Dies könnte nicht nur die militärische "Effizienz" eines Angriffs beeinträchtigen, sondern vor allem auch ein erhebliches Risiko für die Zivilbevölkerung in der Nähe der Nuklearanlagen darstellen.
Aber für die israelischen Militärs dürfte es im Falle eines Angriffs eher darauf ankommen, mit möglichst vielen Jagdbombern möglichst viele Ziele mit möglichst vielen Bomben und Raketen "belegen" zu können. Je später ihr Angriff erfolgt, desto mehr F-16I können sie einsetzen, da die 102 Flugzeuge erst nach und nach von den USA an die israelische Luftwaffe ausgeliefert werden. Trotzdem reicht das israelische Militärpotential nicht aus, um alle Anlagen anzugreifen. Außerdem werden die Iraner zerstörte Fabriken an anderer Stelle mit besserer Tarnung wieder neu errichten, so wie es die Iraker nachdem Angriff auf den Osirak-Reaktor vorgemacht haben. Aber immerhin könnte es den Israelis gelingen, das iranische Nuklearprogramm um mehrere Jahre zurückzuwerfen.
Für den iranischen Auslandsgeheimdienst VEVAK unter Führung von Hojatoleslam Ali Yunesi und den militärischen Nachrichtendienst J-2 kommt es im Moment darauf an, die Angriffsvorbereitungen des potentiellen Gegners in der Negev-Wüste oder in den USA so weit wie möglich auszukundschaften. Ein israelischer Angriff wäre nicht die erste Attacke auf die iranischen Nuklearanlagen. Schon im ersten Golfkrieg hat die irakische Luftwaffe wiederholt die Baustelle des Atomkraftwerkes in Buschehr bombardiert. Allein im Jahre 1987 wurde der Bau sechsmal angegriffen. Dabei kamen mehrere Techniker ums Leben.
Iranischer Gegenschlag angedroht
Für den Fall eines israelischen Angriffs haben die iranischen Militärs mit einem Gegenschlag gegen das israelische Atomzentrum Kirya le-Mehekar Gariny (KAMAG) in Dimona gedroht, das außer einem Atomkraftwerk auch eine Nuklearwaffenfabrik umfasst. So erklärte Brigadegeneral Mohammad Baqer Zolaqadr, der stellvertretende Kommandeur der revolutionären Garden Pasdaran:
Wenn Israel eine Rakete in das Atomkraftwerk Buschehr feuert, kann es seiner Nuklearfabrik in Dimona, wo Atomwaffen hergestellt und gelagert werden, "auf Wiedersehen" sagen.
In gleicher Weise drohte Yadollah Javani, Chef der politischen Abteilung der Pasdaran:
Das ganze Gebiet unter zionistischer Kontrolle, inklusive seiner Nuklearanlagen, liegt in der Reichweite iranischer Raketen.
Javani bezieht sich dabei auf die Einführung der neuen iranischen Boden-Boden-Rakete Shahab 3 mit einer Reichweite von 1.300 bis 1.500 km. Eine verbesserte Variante (Version "B"?) soll gar eine Entfernung von 2000 km haben und damit Südeuropa erreichen. Der Gefechtskopf des Flugkörpers hat zwar eine Sprengkraft von 700 bis 1.000 kg, aber die Rakete gilt nicht als besonders zielgenau. Sie würde vermutlich die Nuklearanlage in Dimona um mehrere Hundert Meter verfehlen. Außerdem würden die israelischen Streitkräfte versuchen, die anfliegenden Raketen mit ihren Abwehrflugkörpern Arrow und Patriot abzuschießen. Schon im Golfkrieg 1991 feuerte die irakische Führung mindestens eine ihrer Al Abbas-Raketen auf Dimona ab, ohne das Ziel zu treffen.
Als Propaganda sind auch die Äußerungen des iranischen Verteidigungsministers Admiral Ali Shamhani zu bewerten, die iranischen Streitkräfte könnten einem amerikanisch-israelischen Präventivschlag ihrerseits durch einen Präemptivschlag zuvorkommen. Tatsächlich könnte die iranische Führung die schiitischen Hisbollah-Milizen im Libanon zu Vergeltungsschlägen gegen Nordisrael animieren und iranische Geheimdienstkommandos könnten jüdische Ziele weltweit angreifen.
Iranische Durchhalte-Strategie
Friedensforscher versuchen derzeit die iranische Führung vergeblich davon zu überzeugen, dass sie in größerer Sicherheit leben würde, wenn sie keine Atomwaffen besäße. Durch die diplomatischen Auseinandersetzungen um die iranischen Nuklearaktivitäten am Rande des noch durch den Atomwaffensperrvertrag Erlaubten steht die Regierung in Teheran unter zunehmendem Druck. Scheitern die Gespräche, werden nicht nur internationale Sanktionen verhängt, sondern die israelische Regierung könnte eine "militärische Lösung" erzwingen wollen.
Militärtechnisch betrachtet sind die iranischen Abwehrchancen und Vergeltungsmöglichkeiten gegen einen solchen Angriff gering und die Schäden wären im Kriegsfalle hoch, aber nicht irreparabel. Dennoch scheint die Regierung in Teheran die militärpolitischen Rahmenbedingungen zur Verwirklichung eines eigenen Atomwaffenprojektes gegenwärtig als relativ günstig anzusehen. Zwar würde man einen relativ kleinen israelischen Angriff kaum vermeiden können, aber dafür erscheint ein viel umfassenderer amerikanischer Schlag derzeit als weitgehend ausgeschlossen. Es ist daher davon auszugehen, dass die iranische Führung um Revolutionsführer Ajatollah Ali Hoseini-Khamenei und Regierungschef Ali Mohammed Khatami Ardakani unbeirrt an ihren Nuklearplänen festhält. "Unsere Nation wird keine Einmischung in unser Nuklearprogramm dulden", machte der iranische Vizepräsident Gholamreza Aghazadeh kürzlich noch einmal deutlich.
Mit ihrem Angriff auf den Irak im letzten Jahr haben sich die amerikanischen Streitkräfte wohl vorläufig selbst neutralisiert. Für einen weiteren Krieg gegen den "Schurkenstaat" Iran reicht das Militärpotential des "großen Satans" USA nicht aus, zumal die Truppen noch für mindestens zwei, drei Jahre im Irak gebunden sein dürften. Eine aktivere Beteiligung des US-Militärs an einem israelischen Angriffs auf den Iran kommt ebenfalls nicht in Frage. Andernfalls würde die Führung in Teheran Vergeltung üben, indem sie die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak in ihrem Kampf gegen die US-Besatzungstruppen militärisch unterstützt.
So befürchten die amerikanischen Geheimdienste CIA und DIA, dass es infolge eines amerikanischen Angriffs auf den Iran zu einer Eskalation im Nahen Osten kommen könnte und raten daher von jeglichem Angriff auf die Nuklearanlagen ab. Statt die Atomfabriken zu zerstören, setzen sie darauf, einen politischen Umsturz im Iran zu provozieren. Damit könne man zwar nicht die Entwicklung einer iranischen Atombombe verhindern, aber diese würde dann wenigstens in den Händen eines gemäßigten Regimes in Teheran sein. Allerdings hat der angepeilte "regime chance" schon im Irak nicht funktioniert.
Ob sich die israelische Führung dieser Lagebeurteilung ebenfalls anschließt und von einem Angriff auf den Iran absehen wird, bleibt abzuwarten. Wiederholt hat die Regierung in Tel Aviv deutlich gemacht, dass sie sich in Fragen der nationalen Sicherheit von niemandem reinreden lässt. Es gehe schließlich um die Zukunft Israels. Noch dauern die diplomatischen Verhandlungen auf der internationalen Politbühne an.
Gerhard Piper ist Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.