Kein Klima der Gerechtigkeit
Die Energie- und Klimawochenschau: Siemens weiter in der Kritik, Tagebaue zu Solarkraftwerken und der Klimawandel als Hindernis für Geschlechtergerechtigkeit
Die Buschbrände in Australien sind wieder etwas aus dem Fokus der Medien gerückt, was aber nicht heißt, dass sie vorbei sind. Die Hauptstadt Canberra war Montag noch akut von Feuern in der Umgebung bedroht, mittlerweile wurde die Gefährdungslage herabgestuft.
370 australische Wissenschaftler haben unterdessen ihre Regierung aufgefordert, die Treibhausgasemissionen des Landes stark zu reduzieren. "Ohne tiefe Einschnitte bei den Treibhausgasemissionen wird es kein starkes, widerstandsfähiges Australien geben", ist der offene Brief an die Regierung überschrieben. Die Autoren betonen, dass die Trockenheit und der von Menschen verursachte Temperaturanstieg erst die Bedingungen für die extensiven Buschbrände im Sommer 2019/2020 geschaffen haben. Und führen an: "Australiens gefährliche Feuer-Wetterlagen werden sich mit Sicherheit in Zukunft mit dem von Menschen verursachten Klimawandel verschärfen, sodass die Brandkontrolle zur immer stärkeren Herausforderung wird."
Würde die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt, wozu sich auch Australien mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens verpflichtet hat, würde sich das Feuerrisiko weniger verstärken.
Die Wissenschaftler berichten auch über das Phänomen der von den Bränden ausgelösten Gewitter (pyrocumulonimbus events). 30 solcher Wetterereignisse seien in der Brandsaison 2019/20 bislang beobachtet worden, mehr als in jeder vorherigen. Klimamodelle deuteten darauf hin, dass auch solche Ereignisse in Südostaustralien immer wahrscheinlicher würden. Australien - eines der Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen weltweit - müsse diese dringend reduzieren und einen raschen Wandel hin zur Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 einleiten, so die Unterzeichner des offenen Briefes.
Missachtung indigener Rechte
Wir hatten darüber berichtet, dass Siemens trotz massiven öffentlichen Drucks von Seiten deutscher und australischer Klimaschützer nicht aus dem Liefervertrag für die Adani-Kohlemine in Australien aussteigen will. Bei der jährlichen Hauptversammlung von Siemens, die am Mittwoch in München stattfinden wird, wird nun auch eine Vertreterin der indigenen Wangan und Jagalingou aus Queensland gegen das Projekt sprechen.
Die indigenen Gruppen haben der Adani-Mine nicht nach dem Prinzip der freien, informierten und vorherigen Konsultation zugestimmt, womit das Projekt gegen internationale Konventionen über indigene Rechte verstößt. Der Rat der Wangan und Jagalingou hätte dies dem Siemens-Vorstand auch mitgeteilt. Siemens-Vorstand Joe Kaeser behauptete indessen, dass die geplante Kohlemine von den indigenen Wangan und Jagalingou genehmigt worden sei.
Auf Einladung der Kritischen Aktionäre wird Murrawah Johnson, Sprecherin des indigenen Rats, auf der Hauptversammlung ihre Position vorbringen.
Die Beteiligung an der Adani-Mine ist jedoch nur eines der Projekte, warum sich die Kritischen Aktionäre in diesem Jahr gegen die Entlastung des Siemens-Vorstands aussprechen werden. Der Gegenantrag bezieht sich beispielsweise auch auf die Beteiligung an einem Kohlekraftwerksprojekt in Indonesien und ein Windkraftprojekt in der Westsahara ohne Zustimmung der anerkannten Vertretung der Sahrauis.
Nach dem Kohleausstiegsgesetz
Wie berichtet, haben Klimaaktivisten am Sonntag das Kohlekraftwerk Datteln 4 besetzt, das in diesem Jahr neu ans Netz gehen soll. Ermöglicht wird die Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerks ausgerechnet per Kohleausstiegsgesetz. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Datteln 4 in diesem Jahr zu einem Hotspot des Klimaprotests werden wird. Gegen die Personen, die am Sonntag auf dem Kraftwerksgelände waren, hat der Betreiber Uniper Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt.
Umweltverbände, deren Vertreter das Kohleausstiegsgesetz ja zum Teil eine Aufkündigung des Kohlekompromisses genannt hatten, haben am vergangenen Donnerstag ein Thesenpapier zum beschleunigten Ausbau der Windenergie vorgelegt. Beteiligt waren BUND, Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace, WWF, NABU und der Dachverband DNR. Damit soll wohl auch dem Image entgegengewirkt werden, den Ausbau der Windkraft aus Gründen des Naturschutzes zu bremsen. Der Artenschutz müsse gewährleistet bleiben, so die Verbände, aber Ausnahmegenehmigungen wären vorstellbar, wenn sich die Situation der Populationen dadurch unter Garantie nicht verschlechtern würde.
Die Verbände konstatieren zunächst einen Zubaubedarf von 4 Gigawatt jährlich bei der Windenergie, um die Ausbauziele der Bundesregierung zu erreichen, und von 7 Gigawatt jährlich, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. "In diesem Zusammenhang darf die Diskussion um den schleppenden Windenergieausbau nicht auf den Artenschutz verkürzt werden", heißt es in dem Papier. Vielmehr sei dieser u.a. Folge von unzureichender Regionalplanung und Personalmangel in den Behörden und vom derzeitigen Ausschreibungsdesign. Pauschale Abstandsregeln zur Wohnbebauung, wie sie derzeit in der Diskussion sind, könnten außerdem zu neuen Konflikten mit dem Natur- und Artenschutz führen, da der Druck auf die verbleibenden Flächen steige.
Um den Ausbau der Windenergie zu sichern, fordern die Verbände eine Bund-Länder-Strategie und die Festschreibung von Windenergiegebieten in Landesentwicklungsplänen. Eine rechtssichere Regionalplanung, die den Naturschutz frühzeitig berücksichtigt, könnte mehr Planungssicherheit schaffen. Für den Ausbau anbieten würden sich insbesondere vorbelastete Flächen wie Tagebaue oder intensiv genutzte Agrarflächen. Zu guter Letzt wird eine Erleichterung des Repowering - unter Berücksichtigung des Artenschutzes - gefordert. Momentan wird der Ersatz einer Altanlage durch eine neue, leistungsfähigere wie ein Neuantrag behandelt.
Für stillgelegte Tagebaue zur Stromerzeugung interessiert sich auch das Fraunhofer ISE. So könnten auf gefluteten Tagebauen schwimmende Photovoltaik zum Einsatz kommen. Ein Vorteil gegenüber Freiflächenanlagen läge beispielsweise in einem zusätzlichen Kühlungseffekt durch das Wasser, so dass der Ertrag bei hohen Außentemperaturen nicht sinken muss.
Das wirtschaftliche Potenzial von schwimmenden Solarkraftwerken auf Tagebauseen schätzen die Fraunhofer-Forscher auf 2,74 Gigawatt. Vor allem kämen wohl die Tagebaue der Lausitz und des Mitteldeutschen Reviers in Betracht.
Klimawandel verstärkt genderbasierte Gewalt
Bekanntermaßen sind ungleiche Geschlechterverhältnisse ein weit verbreitetes Phänomen in nahezu allen Teilen der Welt. Ein begrenzter Zugang zu natürlichen, finanziellen und sozialen Ressourcen, der durch Umwelt- und Klimakrisen verstärkt wird, kann die Geschlechterungleichheit dabei noch verstärken und zu einem Anstieg von genderbasierter Gewalt führen.
Die Studie "Gender-based violence and environment linkages" der International Union for Conversation of Nature (IUCN) untersucht den Zusammenhang von (sich verschlechternden) Umweltbedingungen und genderbasierter Gewalt. Damit gemeint sind etwa sexualisierte, physische und psychische Gewalt, Menschenhandel, sexuelle Erpressung, Vergewaltigung und Kinderehen. Diese treten verstärkt auf, wenn der Zugang zu natürlichen Ressourcen eingeschränkt ist, wenn es zu Umweltkrisen kommt oder wenn Frauen sich als Menschenrechtsverteidigerinnen für die Naturgüter einsetzen.
"Bedrohungen und Druck auf die Umwelt und Naturgüter verstärken Geschlechterungleichheit und ungleiche Machtverhältnisse in Gemeinschaften und Haushalten, die Ressourcenknappheit und gesellschaftlichen Stress bewältigen müssen", heißt es in dem Bericht. Durch den Klimawandel verursachte Krisen und Katastrophen können prekäre Situationen weiter verschärfen: "In vielen Regionen der Welt können sich Frauen schlechter von Klimawandel und wetterbedingten Katastrophen erholen, da sie stärker von natürlichen Ressourcen und Landwirtschaft abhängig sind, um ihre Lebensunterhalt und die Ernährung der Familien zu sichern. Hinzu kommen die mangelnde Kontrolle und fehlendes Eigentum an Land und anderen Ressourcen sowie diskriminierende gesellschaftliche Normen."
Nach verschiedenen Naturkatastrophen wurde ein Anstieg genderbasierter Gewalt verzeichnet, so verdreifachte sich beispielsweise die häusliche Gewalt nach zwei Wirbelstürmen auf Vanuatu im Jahr 2011. Knappe Ressourcen führen auch dazu, dass minderjährige Töchter verheiratet werden, damit die Familie sie nicht länger ernähren muss. Fortschritte im Kampf gegen die Kinderehe weltweit könnten durch Konflikte und Klimakrisen wieder zunichte gemacht werden. Es wird geschätzt, dass jährlich 12 Millionen Mädchen unter 18 Jahren verheiratet werden.
Aber auch diejenigen, die eigentlich Katastrophenhilfe leisten sollten, beteiligen sich an der Gewalt gegen Frauen und Kinder. Dokumentiert sind Fälle, in denen Mitarbeiter von NGOs, humanitären Organisationen und Sicherheitskräfte für den Zugang zu Hilfsgütern sexuelle Dienstleistungen forderten, oft von minderjährigen Mädchen. Und schließlich bringt auch die durch Naturkatastrophen bedingte Migration Frauen und Mädchen in größere Risiken, in temporären Behausungen und Camps finden sie kaum Sicherheit und Privatsphäre. Die Notwendigkeit, Wasser und Feuerholz zu beschaffen, zwingt sie, sich dafür auch in feindlichen Umgebungen zu bewegen.
Die Bekämpfung der hier genannten Probleme ist eigentlich in den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) verankert, wie in dem Bericht festgestellt wird, insbesondere in SDG 5 zur Gleichstellung der Geschlechter, SDG 13 zur Bekämpfung des Klimawandels und SDG 16 für Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Sie müssten nur umgesetzt werden.