Kein billiges Öl mehr

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Krisenfaktor Ölpreis, bockigen Industriestaaten und extremer Trockenheit in Ostdeutschland

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Die hohen Ölpreise sind nicht nur für den Autofahrer ärgerlich, der nicht auf seinen Wagen verzichten will oder kann, sie sind auch für die vom Import abhängigen Volkswirtschaften ein Problem. Nicht so sehr für die deutsche, deren weniger privilegierte Mitglieder ohnehin unter den Bedingungen zu leiden haben, mit denen eine aggressive Ausfuhrstrategie mit exorbitantem Außenhandelsüberschuss durchgesetzt wird. Wohl aber die Ökonomien derjenigen Länder, die beim allgemeinen Wettbewerb um die niedrigsten Lohnstückkosten nicht so erfolgreich waren.

Seit Anfang 2011 bewegt sich die vor allem in Europa gehandelte Sorte Brent wieder zwischen 100 und 130 US-Dollar pro Barrel, wobei das besondere Problem für die Mehrheit der Europäer die relative Schwäche des Euros ist, der gegenüber dem US-Dollar in letzter Zeit verloren hat. Aktuell steht er bei 1,24 $/€, womit das Erdöl in Euro gerechnet in etwa so teuer ist wie während des bisherigen historischen Höchststandes im Juli 2008, als der Preis für ein Fass Brent auf 145 US-Dollar kletterte.

Angesichts der anhaltenden Krise und der wirtschaftlichen Stagnation in der Euro-Zone, ist das durchaus beachtlich und, wie bereits mehrfach erwähnt (Öl erstaunlich teuer), ein Hinweis darauf, dass die Quellen nicht mehr so reichlich sprudeln, wie sich eine von diesem Energielieferanten so abhängige Weltwirtschaft eigentlich wünschen sollte. Neue Nahrung also für die Gesellschaft zum Studium des Ölgipfels, besser bekannt unter der englischen Bezeichnung Peak Oil, die sich derzeit zu ihrer Jahrestagung in Wien trifft.

Gefährlicher Ölpreis

Über 500 Milliarden US-Dollar (über 400 Milliarden Euro) werde Europa in diesem Jahr für seine Ölrechnung ausgeben, meinte letzte Woche Maria Van der Hoeven, die Direktorin der Internationalen Energieagentur (IEA), auf einer von der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Club der westlichen Industriestaaten) organisierten Debatte über den Zustand der Weltwirtschaft in Paris. Mit den 400 Milliarden Euro könnte Griechenland auf einen Schlag vollständig entschuldet werden, und es bliebe noch ein ansehnlicher Batzen von rund 100 Milliarden Euro über.

Trotz des in den letzten Wochen zu verzeichnenden leichten Preisrückgangs des Öls, Brent-Lieferungen im Juli kosten derzeit rund 107 US-Dollar pro Barrel (159-Liter-Fass), bleibe der Preis auf einem "Besorgnis erregenden hohem Niveau", so Van der Hoeven.

Derartige Preise zwingen die privaten Haushalte, sich entweder weiter zu verschulden oder an anderer Stelle zu sparen. Außerdem untergraben sie die Profitabilität von Unternehmen, die nicht in der Lage sind, die Kosten weiterzugeben.

Zu spüren bekommen die hohen Preise übrigens nicht nur die Autofahrer, sondern alle Verbraucher, sei es über die Heizkostenrechnung - wobei der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist -, sei es über steigende Preise bei Lebensmitteln und anderen Konsumgütern, deren Transport- und Herstellungskosten sich erhöhen.

Europa, so Van der Hoeven, sei derzeit besonders betroffen von den Gefahren des Preisanstiegs. Zum einen, weil es mehr als andere große Ökonomien von Ölimporten abhängig ist, zum anderen, weil sich der Euro auf Talfahrt befindet. Allerdings ist dieser in den letzten Jahren eher deutlich überbewertet gewesen. Sollte er sich künftig wieder auf einem realistischen Niveau bewegen - Ökonomen der kanadischen University of British Columbia sehen dieses derzeit erreicht - dann müssen wir uns wohl allein schon aus diesem Grunde auf einen dauerhaft hohen bis sehr hohen Ölpreis einstellen. Zwischen 2000 und 2010 hatte die jährliche Ölrechnung Europas übrigens nach IEA-Angaben in Durchschnitt bei 182 Milliarden US-Dollar gelegen. Diese paradiesischen Zeiten billigen Öls scheinen endgültig vorbei.

Abhängigkeiten

Da bleibt eigentlich nur eins: die Ölabhängigkeit so schnell wie möglich runterfahren. Van Hoeven schlägt dafür als ersten Schritt vor, die Subventionen auf fossile Energieträger abzubauen, die weltweit auf jährlich 409 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Das ist sicherlich nicht ganz verkehrt, aber nicht nur schwer durchsetzbar, sondern in Zeiten der ökonomischen Krise zweischneidig, weil es die Energiekosten für den Endabnehmer weiter erhöht.

Notwendig wäre sicherlich ein gradueller Ansatz, der vor allem für die unteren Einkommengruppen einen Ausgleich bietet und zugleich die Wirtschaft stärkt, in dem mehr Wertschöpfung im Land bzw. in der Region gehalten wird, wie es mit vielen erneuerbaren Energieträgern möglich wäre. Letzteres ist - makroökonomisch gesehen - gar nicht mal für Deutschland mit seinem großen Handelsbilanzüberschuss besonders wichtig, sondern viel mehr für die südeuropäischen Defizitländer.

So oder so, irgendwas muss gegen die Ölabhängigkeit getan werden, und da sollte man eigentlich meinen, dass die Industrieländer froh wären, zwei oder gar drei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Nämlich: Ihre Volkswirtschaften zu stärken, das Klima zu schonen und diplomatisches Kapital anzuhäufen, in dem sie in den Auseinandersetzungen mit den Entwicklungsländern über den Schutz des globalen Klimas nicht mehr ganz so harte Bandagen anlegen.

Zähe Verhandlungen

Doch weit gefehlt. Die letzten Freitag in Bonn zu Ende gegangenen Vorbereitungsgespräche für den nächsten UN-Klimagipfel standen lange Zeit auf der Kippe, weil die Industriestaaten keinerlei Hinweis auf die sogenannte "gemeinsame aber unterschiedliche Verantwortung" der Länder in den zu verabschiedenden Dokumenten zulassen wollten. Schliesslich kam es doch noch zu einer Einigung über den weiteren Verhandlungsplan und für die wichtige Arbeitsgruppe, die über ein neues Klimaschutz-Protokoll verhandeln soll, wurde die Frage des Vorsitzes geklärt.

Neben dem neuen Protokoll, das bis 2015 verabschiedet sein soll und nach bisheriger Planung zum 1. Januar 2020 in Kraft tritt, soll aber auch das in diesem Jahr auslaufende Kyoto-Protokoll verlängert werden. Strittig ist allerdings noch ob um fünf oder acht Jahre. Außerdem haben Länder wie Japan, Russland und Neuseeland sich bereits geweigert, zusätzliche Verpflichtungen zu übernehmen, das heißt, ihre Emissionen in dieser Zeit weiter zu reduzieren. Kanada ist kürzlich ganz ausgestiegen, weil es mit seiner Teersandförderung seine Verpflichtungen verletzt, und die USA, bis vor einigen Jahren der größte Treibhausgasemittent haben ohnehin nicht ratifiziert.

Frühling zu warm

Derweil liegt mal wieder ein ziemlich ungewöhnlicher, wenn nicht in verschiedenerlei Hinsicht rekordverdächtiger Frühling hinter uns. Der Deutsche Wetterdienst (DWD meldet, dass die Monate März bis Mai landesweit mit 9,8 Grad Celsius (°C) 2,1 °C über dem Durchschnitt der Jahre 1961 bis 1990 lagen, die international als Referenz genommen werden.

Auch gegenüber der Periode 1981 bis 2010 war es noch um 1,3° zu warm, was den positiven Trend demonstriert: Der Frühling in Deutschland wird immer wärmer, wobei wie man sieht, die Meteorologen die Jahreszeiten etwas anders als sonst üblich eingrenzen. Aber das ist natürlich nur eine Formsache.

Der Frühling war dabei nicht nur besonders warm, sondern auch sehr sonnenreich und ungewöhnlich trocken - drei Faktoren, die natürlich zusammenhängen, aber nicht so selbstverständlich, wie man meinen mag. Hohe Temperaturen sind durchaus auch bei bedeckten Himmel denkbar, wenn immer wieder feucht-warme Luft aus West und Südwest nach Mitteleuropa strömt. Außerdem sind Trockenheit und Sonnenschein für sich genommen wichtige Faktoren, die nicht zuletzt für die Agrarmeteorologie und natürlich für die Solaranlagenbesitzer von großem Interesse sind.

Doch davon war in diesem Frühling weit und breit nichts zu spüren. Mit 106 Litern pro Quadratmeter fielen nur 57 Prozent des Durchschnittswertes (immer bezogen auf die Referenzperiode 1961 bis 1990) von 186 Liter pro Quadratmeter. Das war der zweite extrem trockene Frühling in Folge. Trockener war es seit dem Beginn der flächendeckenden Messungen im Jahre 1881 nur 1893, 2011, 1929, 1976 und 1883 (in dieser Reihenfolge).

Besonders in Ostdeutschland hat sich die Trockenheit weiter verschärft, denn dort hat es, so der DWD, oft noch weniger als im Vorjahr geregnet. Zahlreiche, teilweise erst 2011 aufgestellte Rekorde seien unterboten worden. Entsprechend erreichte die Waldbrandgefahr in weiten Gebieten Ostdeutschlands sowie in der Lüneburger Heide (Niedersachsen) Ende Mai die höchste Stufe. Trockenster Ort war Anklam in Vorpommern mit nur 39 Liter Niederschlag pro Quadratmeter von März bis Mai, nassester Ort war das bayerische Reit im Winkl mit 296 l/m², was allerdings auch nur 74 Prozent des dortigen Solls entsprach.

...und zu sonnig

Die Sonnenscheindauer lag unterdessen mit durchschnittlich 545 Stunden 19 Prozent über dem Durchschnittswert der Jahre 1961 bis 1990. Besonders häufig lachte unser Zentralgestirn den Bewohnern Niederbayerns und des westlichen Vorpommerns. Der Spitzenwert wurde mit 686 Stunden in Arkona auf Rügen erreicht. Deutlich weniger gesegnet waren die Eifel und das Sauerland, wo das alte Städtchen Arnsberg-Neheim mit 440 Stunden Sonnenschein das Schlusslicht bildete.

Richtig toll trieb es in diesem Jahr der April, der bei der Temperatur sowohl negativ als auch positiv Rekorde in Reihe aufbot. Am 9.4. sank in Deutschneudorf-Brüderwiese im Erzgebirge die Temperatur bis auf -9,9°C, drei Wochen später kletterte das Quecksilber jedoch im fränkischen Kitzingen am Main und in Bad Mergentheim-Neunkirchen im Nordosten Baden-Württembergs auf jeweils 32,9°C. Das war ein neuer deutschlandweiter Rekord für April. Der alte Rekordwert war am 22. April 1968 in Zehdenick nördlich von Berlin mit 32,1°C aufgestellt worden. Da hatte selbst der Mai Schwierigkeiten mitzuhalten. Nur im Städtchen Bernburg an der Saale südlich von Magdeburg war es am 22. Mai mit 33,2°C geringfügig wärmer.

Das war das also das ungewöhnliche Frühjahr. Und wie es derzeit aussieht, geht es mit einem ganz normalen kalten Einstieg in den Sommer weiter. In 80 Prozent der Fälle, so der DWD, verzeichnen die Statistiken zu Junibeginn einen Kälteeinbruch. Der Volksmund spricht von Schafskälte, weil zu dieser Zeit die Schafe geschoren werden, die dann sozusagen ohne Mantel in der plötzlichen Kälte stehen.