Keine Begeisterung für die technische Verbesserung des Menschen
Eine Umfrage in den USA macht die gespaltene Haltung der Menschen gegenüber Gene Editing, Neuro-Implantaten und künstlichem Blut deutlich
Derzeit grassiert die Angst vor dem Terrorismus erneut, geschürt von Politikern, die Angst benutzen, um mehr Sicherheit versprechen zu können. Kein Wunder, dass die Lust auf technischen Fortschritt nicht unbedingt auf Enthusiasmus stößt, vor allem, wo es den Menschen selbst unter die Haut gehen könnte, während man autonome Fahrzeuge, Drohnen oder Smart Homes durchaus schätzen mag.
Eine repräsentative Umfrage von Pew, für die 4.700 Amerikaner im März allerdings nur online befragt wurden, macht deutlich, dass auch eine Mehrheit der Menschen in der Neuen Welt vor allem dem biotechnologischem Fortschritt eher skeptisch gegenübersteht. Das Versprechen der Technik, das etwa von den Transhumanisten in Nachfolge des wörtlich genommenen Übermenschen von Nietzsche propagiert wurde, den Menschen durch biotechnische, genetische oder technische Eingriffe zu "verbessern", löst jedenfalls bei vielen keine Begeisterung aus.
Abgefragt wurden drei neuere biotechnische Möglichkeiten, die so richtig konkret vielen wahrscheinlich auch nicht klar sind:
- Gene Editing, es gibt schon mal kein deutsches Wort dafür, ist eine Technik, beispielsweise mit dem Verfahren CRISPR-Cas das Genom präzise zu verändern, indem wie mit einer Schere bestimmte Gensequenzen herausgeschnitten und durch andere ersetzt werden. Gentherapie funktionierte bislang beispielsweise mit Vektoren wie Bakterien, die Gensequenzen in Zellen einschleusten. Wo die landeten und eingebaut wurden, blieb dem Zufall überlassen. Mit Gene Editing kann beispielsweise das Genom von IvF-Embryonen gezielt verändert werden - auf Dauer und auch reproduzierbar.
- Hirnimplantate oder auch Neuroprothesen versprechen nicht nur, psychische Krankheiten wie Epilepsie, Alzheimer oder Depression zu behandeln oder zu unterdürcken, vielleicht auch kriminelles Verhalten etwa von Sexualtätern auszuschalten, sie können auch kognitive Funktionen wie Hören oder Sehen wiederherstellen, die Steuerung von Prothesen ermöglichen oder kognitive Leistungen verbessern.
- Künstliches Blut ist ein schon lange herumschwirrendes Thema. Damit könnte man bei Verletzungen oder Operationen die Verfügbarkeit von Blut verbessern. Möglich wäre auch die Eigenschaft von Blut zu verbessern, beispielsweise die Aufnahmefähigkeit von Sauerstoff durch die roten Blutkörperchen zu steigern, was zu besseren sportlichen und kognitiven Leistungen führen könnte.
Die drei Innovationen sind alle noch nicht ausgereift, sie bilden noch einen Zukunftshorizont der Verbesserung der menschlichen Wetware, auch wenn er nahe ist und Durchbrüche jederzeit stattfinden könnten. Tatsächlich haben die meisten noch von Gene Editing gehört, von Hirnimplantaten aber nur eine Minderheit und von künstlichem Blut noch weniger.
Befragt wurde auch eine kleine Gruppe von Amerikanern intensiver. Sie sagten, es sollte zwar alles getan werden, um den Kranken zu helfen, aber man solle doch vorsichtig vorgehen, wenn es um die Verbesserung der Fähigkeiten von eigentlich gesunden Menschen geht. Gefürchtet wird, dass die Tendenz sich durchsetzen könnte, "Übermenschen" oder menschliche Roboter zu schaffen.
68 Prozent der Befragten sagen, sie seien besorgt, wenn Gene Editing bei menschlichen Embryonen eingesetzt würde, um diese von Krankheiten zu befreien. Gefragt, ob sie dies für ihr Kind oder für sich selbst wünschen würden, sieht es freilich schon anders aus. 50 Prozent würden die Technik ablehnen, aber 48 Prozent würden sie verwenden. Viele sind sowohl besorgt als auch begeistert. Eindeutiger ist die Haltung bei Hirnimplantaten. 69 Prozent äußern Sorge, 66 Prozent würden es für ihr Kind oder für sich selbst ablehnen. 63 Prozent würden auch künstliches Blut ablehnen, auch wenn es die körperliche Leistung verbessern würde, 35 Prozent wären aber dafür. Allgemein gibt es eine Geschlechtskluft. Männer sind viel eher bereit für technische Veränderungen des Körpers als Frauen, und sie haben auch weniger moralische Bedenken.
Mit einem Aus-Knopf wären mehr Menschen bereit, neue Techniken zu akzeptieren
Wie es bei Pew wahrscheinlich richtig gedeutet wird, befürworten mehr Menschen Gene Editing, weil es Krankheiten beseitigen würde, während die beiden anderen Techniken zur Verbesserung des Menschen stärker abgelehnt werden. Klar ist aber nicht die dahinterstehende Moral, die offenbar konservativ motiviert ist. Man darf zwar Negatives bekämpfen, aber das was biologisch oder Gott gegeben ist, nicht künstlich verbessern. Gerne wird ja gesagt, dass man dann die Stelle Gottes einnehmen wolle. Eigentlich ist das aber eine verquere Haltung, schließlich verbessert man auch das Leben, wenn man Krankheiten bekämpft, die es natürlicherweise gibt.
So sind denn die Befragten auch gespalten in der Einschätzung, ob eine dieser Techniken eine Line überschreitet und in die Natur eingreift. Signifikante Unterschiede gibt es hier nicht zwischen den Techniken. Für Verbote würde eine Mehrheit eher nicht eintreten. Vor allem die Religiösen fürchten die Eingriffe in die Natur oder Gottes Willen. Je religiöser die Menschen sind, desto eher lehnen sie technische Eingriffe zur Verbesserung des Menschen ab, treten also für die Akzeptanz des biologischen Schicksals ein. Dabei fällt auf, dass Gene Editing, dass immerhin neue Eigenschaften nicht nur individuell ermöglicht, sondern vererbbar macht, kaum anders als die beiden anderen technischen Eingriffe bei Religiösen bewertet wird. Wenn die Folgen wieder abschaltbar wären, steigt die Zustimmung allgemein. Mit einem Aus-Knopf wären die Menschen eher bereit, neue Techniken zu akzeptieren.
Klar scheint zu sein, dass die Menschen fürchten, dass solche Eingriffe zu größeren Veränderungen in der Gesellschaft führen, die man nicht überblicken kann. Die "Nebenwirkungen" machen Angst. Dazu kommt die berechtigte Annahme, dass Techniken, gerade wenn sie der Verbesserung, nicht der Heilung dienen, eher den Reichen zugute kommen werden.
Eine deutliche, meist Zweidrittel-Mehrheit sagt, dass solche Techniken eingesetzt werden, bevor man die Folgen kennt, dass sie die Ungleichheit verstärken und dass diejenigen, die dadurch "verbessert" wurden, sich überlegen fühlen werden. Aber so richtig eindeutig ist dies auch nicht, wenn die Befragten sagen, dass es durchaus auch positive Folgen für diejenigen gibt, die die Techniken einsetzen. Sie würden sich "verbessert" mehr auf sich verlassen, sagt eine Mehrheit, nicht ganz so viele sagen, dass damit die Leistung im Beruf erhöht (eine Mehrheit nur bei Neurochips) oder dass damit Innovation und Problem verbessert wird (auch wieder nur eine knappe Mehrheit bei Neurochips).
Eine wesentlich geringere Schwelle stellen schönheitschirurgische Eingriffe statt. Auch da sagen 61 Prozent, die Menschen würden sich zu schnell für solche Eingriffe entscheiden, die nicht notwendig sind. Die Mehrheit meint allerdings, dass Schönheitschirurgie keine gesellschaftlichen Veränderungen mit sich bringt.
Auch wenn die Skepsis vorhanden ist, scheint die Einstellung zu überwiegen, dass technische Innovationen sich unaufhaltsam durchsetzen werden. 81 Prozent glauben oder hoffen, dass bald routinemäßig künstlich produzierte Organe transplantiert werden. Zwei Drittel hoffen auf wirksame Krebstherapien.54 Prozent gehen aber auch davon aus, dass der Einbau von Neurochips ganz normal sein wird. 47 Prozent gehen von der optimistischen Annahme aus, dass die meisten Erbkrankheiten beseitigt werden.
Pew zieht aus der Umfrage das Ergebnis, dass die amerikanische Öffentlichkeit den biotechnischen Möglichkeiten der Verbesserung des Menschen eher ablehnend gegenübersteht. Das kann man aus den Ergebnissen aber nicht wirklich sagen. Die Menschen sind skeptisch, aber wahrscheinlich durchaus bereit, die Möglichkeiten zu nutzen, wenn sie ihnen oder ihren Kindern zugutekommt, selbst wenn man dann ins vermeintliche Gehe Gottes kommt. Die Erwartungen an die technische Innovation sind jedenfalls hoch, der Glaube daran, dass sie verhindert werden können, eher gering.