Keine Bewegung in der Klimapolitik

US-Präsident Bush lässt Tony Blair, der neben der Hilfe für Afrika mit dem Klimaschutz punkten wollte, im Vorfeld des G8-Gipfels abblitzen

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Die nationalen „Akademien der Wissenschaften“ der G8-Nationen sowie der Länder Brasilien, China und Indien haben ein gemeinsames Positionspapier bezüglich globaler Maßnahmen zum Klimaschutz erarbeitet und unterzeichnet. Darin betonen die Unterzeichnenden, dass das wissenschaftliche Verständnis des Klimageschehens hinlänglich fortgeschritten sei, um sofortige Aktionen zum Klimaschutz einzuleiten. Sie richten sich damit vor allem an die Verantwortlichen der G8-Länder, die sich zwischen dem 6 und 8 Juli in Gleneagles, Schottland zu einem G8-Gipfel zusammenfinden, um globale Probleme zu erörtern. Ob die Staatenlenker der „glorreichen Acht“ – allen voran die USA – dem Aufruf folgen, darf allerdings bezweifelt werden.

"Welcome Tony" Dieser Tage erwärmte sich nicht nur das Klima, sondern es wurden neben dem obligatorischen warmen Händedruck auch reichlich warme Worte anlässlich eines Treffens von G. W. Bush und Tony Blair in Washington im Vorfeld des G8-Gipfels gewechselt. Bild: Weißes Haus

Neben gegenseitigem Schulterklopfen und der Beteuerung, die hehre Vision einer freien, florierenden und friedlichen Welt zu teilen, wurden während der Pressekonferenz von George Bush und Tony Blair in lockerer Folge Themen wie die Lage im Irak und im Gaza-Streifen, Hilfsprogramme für Afrika (Schwerpunkt Gesundheit, z.B. Bekämpfung von HIV, Malaria etc.) sowie die Problematik des Klimawandels und mögliche Schritte diesen abzuwenden, abgehandelt.

Bestand größtenteils Einigkeit beider Staatsmänner in Art und Ausgestaltung der diversen Problemlösungen, so gingen die Meinungen in Klimafragen erneut auseinander. Denn anders als Klima-Profilierer Blair ist G. W. Bush bekanntermaßen weder ein Freund von Umweltthemen im Allgemeinen noch von Maßnahmen zu „exzessiver“ CO2-Reduktion im Besonderen, die der heiligen Kuh „amerikanisches Wirtschaftswachstum“ das Futter, sprich das Öl entziehen könnten. Im Gegensatz zu früheren Zeiten zeigt sich der amerikanische Präsident zwar nicht mehr auf beiden Ohren taub, wenn es um Umweltthemen bzw. Klimabelange geht, ergeht sich dabei allerdings eher in wohlklingender Rhetorik als in tatsächlichen Zugeständnissen..

Kreatives Schreiben

In diesem Zusammenhang überrascht es auch wenig, dass dieser Tage bekannt wurde, dass Philip A. Cooney, der im Weißen Haus zuständig ist für "Umweltqialität" und der vorher der Öl-Industrie bei der Bekämpfung von Maßnahmen zur CO2-Reduktion zur Seite stand, wissenschaftliche Berichte zur Beratung und Information der Regierung „kreativ umgestaltet“ hat. Eine erneute Durchsicht der von Cooney redigierten Berichte aus den Jahren 2002 und 2003 ergab, dass durch subtile, aber einprägsame Änderungen an Schlüsselstellen gezielt Unsicherheit über wissenschaftliche Ergebnisse gesät wurde. „Das ist unerhört“, so Dr. Schlesinger, Dekan der Duke Universität, dem die Originale und die geänderten Texte vorgelegt wurden.

Wie Bush vor Journalisten im Weißen Haus betonte, sei die US-Regierung sehr aktiv in der Klimapolitik. So gebe die USA Millionen von Forschungsdollars für Studien zum Klimawandel aus. Überdies beschrieb er Betätigungsfelder und Ziele amerikanischer Klimapolitik, wie z. b. die Weiterentwicklung der „clean coal“ -Technologie, Investitionen in Wasserstoffautos oder Steuererleichterungen für Hybrid-Autos.

Mix it, Baby

Mit ähnlichen Maßnahmen, jedoch deutlich ehrgeizigeren Zielen als die US-Regierung (80% CO2-Reduktion bis 2050) möchte sich Arnold Schwarzenegger, Gouverneur von Kalifornien, als Vorreiter im Kampf gegen die Erderwärmung und beim Schutz der Umwelt profilieren.

In vielen Bereichen ist Kalifornien bereits jetzt Vorreiter: So gibt es Programme zur Förderung von Brennstoffzellen, zur Reduktion des Spritverbrauchs oder zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie. Der Senat beschloss, zwei Milliarden Dollar in den Aufbau eines Marktes für Fotovoltaik zu investieren. Die Kalifornier stoßen pro Kopf zwei Drittel weniger CO2 aus als die Texaner.

Dennoch, trotz der lobenswerten Ansätze wirft die aktuelle Entwicklung in den USA ein gravierendes Problem auf: Alle Regionen kochen ihr eigenes „Klimaschutz-Süppchen“, es entsteht ein „Regelungspatchwork". Hier muss Kalifornien dann auch als Negativ-Beispiel herhalten: Die Hälfte des dort verbrauchten Stroms wird aus anderen Staaten importiert - und wird dort vorwiegend aus "schmutziger" Kohle gewonnen.

Regierungschefs während des G8-Gipfels 2004, Sea Island, USA

Wissenschaftsakademien fordern zum Handeln auf

Es gibt also berechtigte Zweifel am Wandel der amerikanischen Energie- und Umweltpolitik. Das sehen offenbar die Wissenschaftsakademien der 11 Nationen ähnlich, die in ihrem Positionspapier die Verantwortlichen der Länder zum Handeln und zur Eile in Sachen Klimaschutz-Maßnahmen gemahnen. Der Anfangsteil des erarbeiteten Positionspapiers liest sich dabei streckenweise wie ein Auszug aus der wissenschaftlichen Basis des IPCC-Reports von 2001. Es wird nochmals eindringlich auf die „Eckdaten“ der aktuellen globalen Klima-Veränderungen (drastische Erhöhung der CO2-Konzentration, Erderwärmung, Meeresspiegelanstieg etc.) und deren Bedeutung hingewiesen.

Lord May, Präsident der Royal Society fasst die Forderungen zusammen, die die nationalen Akademien der Wissenschaften an die Staatenlenker der G8-Nationen, sowie an China, Brasilien und Indien, drei der größten CO2-Emittenten der Schwellenländer, stellen. Dabei spricht er direct US-Präsident Bush an:

The current US policy on climate change is misguided. The Bush administration has consistently refused to accept the advice of the US National Academy of Sciences (NAS). The NAS concluded in 1992 that, 'Despite the great uncertainties, greenhouse warming is a potential threat sufficient to justify action now', by reducing emissions of greenhouse gases. Getting the US onboard is critical because of the sheer amount of greenhouse gas emissions they are responsible for. For example, the Royal Society calculated that the 13 per cent rise in greenhouse gas emissions from the US between 1990 and 2002 is already bigger than the overall cut achieved if all the other parties to the Kyoto Protocol reach their targets. President Bush has an opportunity at Gleneagles to signal that his administration will no longer ignore the scientific evidence and act to cut emissions.

Die Akademien fordern von den Regierungen der angesprochenen Nationen

  1. Anerkennung des Klimawandels als eindeutige und wachsende Bedrohung.
  2. Anschub einer internationalen Studie (aufbauend auf der Arbeit des IPCC zu einzelnen Emissionsszenarien) zu dem Zweck, wissenschaftlich-basierte Emissionsziele für Treibhausgase und assoziierte Emissionsszenarien abzustecken, welche die Nationen nutzen können, um negative Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden.
  3. Umsetzung von kosteneffektiven Sofortmaßnahmen, die ergriffen werden können, um eine langfristige und nachhaltige Reduktion der globalen Netto-Emission von Treibhausgasen zu gewährleisten. Die Verzögerung von Maßnahmen erhöhe das Risiko negativer Umwelteffekte und führe vermutlich zu höheren Kosten als rechtzeitiges Handeln.
  4. Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern, um eine an die jeweiligen Rahmenbedingungen der Länder angepasste technologische und wissenschaftliche Leistungssteigerung zu erreichen und diese so zu befähigen, innovative Lösungen zu entwickeln, um negative Effekte des Klimawandels zu umgehen oder sich diesen anzupassen.
  5. „Leadership“ zu zeigen, indem saubere und effiziente Energietechnologie entwickelt, eingesetzt und das Wissen darum mit allen Nationen geteilt wird.
  6. Mobilisatierung der Wissenschaftler und Techniker, um Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet zu forcieren, welche zu gesicherten Entscheidungen im Bereich Klimapolitik beitragen können.

Ob in Schottland, dem Land von Whisky, Clans und Dudelsäcken, tatsächlich Handfestes beschlossen wird, oder nach dem Gipfel weiteres Papier in diversen Schubläden verschwindet wird sich zeigen. Begrüßenswert wäre er allemal - ein gemeinsamer Walk nach langem Talk.