Keine Lust auf Total-Revision der Bio-Verordnung

EU-Agrarminister üben Kritik an Kommissionsvorschlag zur Änderung der Bio-Verordnung - Unklarheiten bleiben

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Die umstrittene Vorlage zur Revision der Bio-Verordnung wurde am Montag, 15. Dezember, ausführlich von den EU-Landwirtschaftsministern diskutiert. Das Unbehagen an den geplanten Einschnitten war dabei unüberhörbar. Letztlich brachten die Minister ein "unverbindliches Orientierungspapier" auf den Weg, das im Wesentlichen eine Beibehaltung der bestehenden Gesetzeslage vorsieht.

Der ursprüngliche Kommissionsvorschlag zur Änderung der Bio-Verordnung hatte vor einigen Monaten für erhebliche Aufregung in der Bio-Branche gesorgt und wurde in der aktuellen Debatte selbst vom neuen EU-Landwirtschaftskommissar, Phil Hogan, in dieser Form als "unannehmbar" bezeichnet (Bio: Ein EU-Entwurf für den Schredder?). Eine derartige "Totalrevision" wäre kontraproduktiv, lautete der Vorwurf der EU-Agrarminister an Brüssel.

Verschärft werden sollten beispielsweise die Regelungen zu Pestizid-Rückständen bei Bio-Produkten. Ein Grenzwert wie bei Babynahrung würde einen erheblich erhöhten Kontrollaufwand und damit verbundene Mehrkosten für die Verbraucher nach sich ziehen, kritisierten die betroffenen Öko-Verbände. In kleinteilig organisierten Landwirtschaften kann es zu Verunreinigungen durch benachbarte konventionell bewirtschaftete Felder kommen.

Doch selbst Verbraucherschützer halten das bisherige Kontrollsystem für durchwegs ausreichend. Zumindest bei in Deutschland produzierter Bioware gab es bis dato kaum nennenswerte Ausreißer. So konnten auch Verbraucherschützer den Nutzen einer "Total-Revision" der erst 2007 überarbeiteten Bio-Verordnung nicht klar erkennen. Ihre Verbesserungsvorschläge etwa im Bereich des Tierschutzes wurden im EU-Papier nicht hinreichend berücksichtigt, bemängelten Verbraucherschützer.

Die Bio-Branche selbst fürchtete ein Zurückdrängen auf ein marginalisiertes, "teures Nischen-Dasein" (BÖWL). Diese Einschätzung teilten offensichtlich auch die meisten EU-Landwirtschaftsminister. Agrarminister Christian Schmidt äußerte sich bereits im Juni kritisch zu den EU-Vorschlägen. Er sprach sich für "eine gezielte Weiterentwicklung der Regelungen für den Ökolandbau" aus. Mit "überzogenen rechtlichen Hürden" würde man aber riskieren, dass Landwirte "reihenweise" wieder aus dem Ökolandbau aussteigen würden.

Im Nachbarland Österreich lehnte die Politik den EU-Vorschlag ebenfalls als praxisfern ab. Der österreichische Landwirtschaftsminister, Andrä Rupprechter forderte im Agrarrat am Montag eine Rücknahme des EU-Vorschlags. So scharf äußerte sich sein deutscher Amtskollege, Christian Schmidt, letztlich nicht und wurde deshalb von einigen Vertretern der Bio-Branche als "zu handzahm" kritisiert.

Die EU-Agrarminister einigten sich schließlich auf ein Orientierungspapier. Es sieht über weite Bereiche "einen Rückbau auf die aktuelle Rechtslage" vor. "Das heute beschlossene Papier ist eine gute Basis, um weiter intensiv über die konkreten Regelungsinhalte der Verordnung zu diskutieren und solide und praxisgerechte Lösungen auszuloten", kommentierte Agrarminister Schmidt das Ergebnis.

In der Bio-Branche selbst ist man sich über die Folgen nicht wirklich im Klaren. Auf Telepolis-Anfrage erklärte beispielsweise der "Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft" (BÖLW), dass die Frage der Grenzwerte bei Pestiziden weiter offen wäre. Bioland wiederum forderte Agrarkommissar Phil Hogan auf, "den Kommissionsvorschlag umgehend zurückzuziehen".

Letzterer kündigte indes in einem am 12. Dezember veröffentlichten Gastkommentar in der taz an, er wolle sich für "einen möglichst einfachen Rahmen für die nachhaltige Weiterentwicklung und die Stärkung der Biolandwirtschaft in der EU" einsetzen. Zu der umstrittenen Frage der Rückstandswerte bei Pestiziden legte er sich jedoch nicht eindeutig fest. Wie sich Hogan respektive die EU-Kommission positionieren wird, bleibt vorerst abzuwarten. Bisher gibt es noch keine offizielle Stellungnahme zur weiteren Vorgangsweise in Sachen Bio-Verordnung.

Lediglich das Landwirtschaftsmagazin TopAgrar veröffentlichte heute eine aktuelle Stellungnahme von Phil Hogan. Von einer generellen Rücknahme des ursprünglichen EU-Entwurfs ist darin keine Rede. Hogan spricht lediglich davon, dass das "Gesetzgebungsverfahren nun seinen Lauf" nehmen werde und man "praktikable Kompromisse für die zentralen Fragen der Verordnung" finden wolle.

In der strittigen Frage der Pestizid-Rückstände hatte sich der EU-Kommissar in einem zu einem früheren Zeitpunkt geführten Interview mit TopAgrar dahingehend geäußert, dass der EU-Entwurf die Möglichkeit "nationaler Ausgleichszahlungen" für Bio-Bauern vorsehe, sofern deren Produkte unbeabsichtigt verunreinigt wurden. Derartige Ausgleichszahlungen hatten Bio-Verbände bereits zu Beginn der Debatte als vage, unpraktisch und bürokratisch beurteilt. Ihnen geht es vor allem darum, die Hürden für den Öko-Landbau nicht "künstlich" hochzuschrauben. Sie verweisen auf Verbraucherschutzverbände, welche die derzeitigen Kontrollen zu Rückständen für ausreichend halten.