"Keine klaren Sachbeweise, dass Amri der LKW-Fahrer war"
Seite 2: Die Zurückhaltung der Medien
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Sie haben die Medien angesprochen. Woher kommt die Zurückhaltung der Medien gegenüber den Sicherheitsbehörden? Will man es mit diesen nicht verderben, um weiter Informationen zu erhalten, oder gibt es eine allgemeine Tendenz, nicht zu kritisch zu sein? Es sind ja ganz verschiedene Fälle: Einmal ging es um Rechtsterrorismus und das andere Mal um islamistischen Terrorismus.
Thomas Moser: Das sind verschiedene Fälle, aber mit demselben Hintergrund. Wenn wir beim NSU-Fall feststellen, dass V-Leute im Spiel sind, und wir das im Amri-Fall auch sehen, dann haben die V-Leute denselben Auftraggeber. Was Sie sagten, stimmt. Wenn man vom BKA eine Information erhält und man eine Quelle hat, die einem hin und wieder Informationsbrocken hinwirft, dann wird man den Teufel tun, Kritik am BKA zu üben.
Es handelt sich ja um viele Morde in diesen beiden Fällen. Wenn jemand feststellt, dass eine Spur in den Sicherheitsapparat führt, dass es möglicherweise dort eine Verantwortung gibt oder dass strukturelle Verhältnisse dazu führten, dass der Anschlag stattgefunden hat, dann müsste man ganz anders herangehen und sich gegenüber den Behörden anders verhalten.
Man müsste sie in Pressekonferenzen anders befragen. Man müsste gewissermaßen zum Verschwörungstheoretiker werden, um herauszufinden, wer an der Verschwörung beteiligt ist. Dann könnte man nicht mehr so tun, als ob wir die Sicherheitsbehörden bedingungslos bräuchten, die halt Fehler machen oder ungenügend ausgestattet sind.
Dann wird es unangenehm, dazu braucht man ein Standing und Unterstützung vom Chefredakteur. Wenn man die nicht hat, wird man ausgesondert. Diese Aussonderung von Journalisten, die stören, findet permanent statt. Ein Medium, eine Organisation, ein Chefredakteur kriegt mit, ob jemand aneckt oder organisch mitschwimmt und keine Kritik erzeugt.
Haben Sie den Eindruck, dass im Amri-Fall noch wirklich etwas aufgeklärt wird?
Thomas Moser: Im Hintergrund ist viel in der Mache. Ich habe verschiedene Gespräche geführt. Danach fliegen im Ausschuss gerade die Fetzen, weil sich die Regierungsmehrheit im Gegensatz zu dem, was sie herausgearbeitet haben, der Staatsräson unterworfen hat.
Sie sprechen von der zweifelsfreien Täterschaft von Amri, während FDP, Linkspartei und vor allem die Grünen nicht damit zufrieden sind, wie das am Ende gelaufen ist. Sie wurden in gewisser Weise auch noch einmal verarscht, weil sechs Tage vor Abgabe des Berichts noch einmal Akten geliefert wurden, es mussten noch einmal Zeugen vernommen werden.
Dreimal wurden noch Akten geliefert, die zufälligerweise gefunden wurden. Es gibt jetzt schon Signale dafür, dass der Ausschuss fortgesetzt werden soll. Auch dabei spielen die Opfer wieder eine Rolle, die sich immer wieder einmischen, so schmerzhaft das für sie ist.
Wir sind sowieso gerade durch die Corona-Zeit in einer Phase, in der willkürliche Tendenzen aufgekommen sind. Wir haben immer noch den Ausnahmezustand, der wurde bis Ende September verlängert. Das ist eine Zeit, in der man aufpassen und hinschauen muss.
Die Exekutive arbeitet jeden Tag weiter, die Legislative geht jetzt erst einmal in die Sommerferien und verliert wieder zwei Monate. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Es gibt eigentlich zu viele positive Signale.
Das Video des Gespräch ist auf krass & konkret zu sehen. Dort findet sich auch die vollständige Abschrift. Im Westendverlag ist gerade von Thomas Moser das Buch "Der Amri-Komplex"" erschienen.