"Keinen Schritt zurück"
Interview mit Álvaro Uribe Vélez, aussichtsreichster und als ultrarechts geltender Kandidat bei den kolumbianischen Präsidentschaftswahlen am 26. Mai
Álvaro Uribe Vélez gilt als aussichtsreichster Kandidat bei den kolumbianischen Präsidentschaftswahlen am 26. Mai. Mit seinem Slogan "Harte Hand, grosses Herz" findet er bei den Wählern hohe Zustimmung , da sie in ihm den Mann zur Beendigung des innerkolumbianischen Konflikts sehen. Unter Beobachtern gilt er als ultrarechter Kandidat, der in der Vergangenheit enge Kontakte mit Drogenhändlern und Paramilitärs unterhalten haben soll. Obwohl sich Uribe Vélez als Saubermann präsentiert, verursachen sein autoritärer Diskurs und offene Fragen über seine Vergangenheit eine Polarisierung innerhalb Kolumbiens. Die rechten Paramilitärs sehen in Uribe Vélez ihren Kandidaten und unterstützen ihn in mehreren Regionen des Landes offen im Wahlkampf.
Sie werden als ultrarechter Politiker definiert. Sehen sie sich in dieser Rolle?
Vélez: Nein. Diese Definition funktioniert in Kolumbien nicht. Ich bin einfach ein Demokrat mit autoritärem Stil. Ein Kapitalist mit sozialer Berufung.
In Kolumbien gibt es Zonen, die faktisch nicht mehr unter der Kontrolle des Staates stehen. Guerillagruppen und Paramilitärs üben in weiten Teilen die Macht aus. Ihr Hauptziel ist es, die staatliche Autorität und Legitimität wiederherzustellen. Wie?
Vélez: Zunächst mit einem demokratischen Konzept der Autorität. Dafür sind zwei Elemente ausschlaggebend: Die Regierung gibt ein Beispiel von Respekt gegenüber den Gesetzen. Und die Autorität im Sinne von Sicherheit verteidigt alle Staatsbürger. Das bedeutet demokratische Autorität, welche die Investoren und Unternehmer verteidigt, damit sie nicht mehr entführt werden. Demokratische Autorität für den einfachen Bauer, damit er nicht mehr vertrieben wird. Für Gewerkschafter, Journalisten und Lehrer. Kurz gesagt: Sicherheit für alle. Das bedeutet, dass die Regierung alle Agressionen gegenüber der Gesellschaft einzudämmen hat.
Wie sieht das aus?
Vélez: Neben dem ersten Konzept eine personelle Erhöhung bei den Sicherheitskräften. Also eine Aufstockung bei Polizei und Armee. Drittens: eine Reform in der Justiz, damit diese wieder effektiver wird. Viertens und einer meiner Kernpunkte: eine massive und transparente Kooperation der Bürger mit den Sicherheitskräften. Fünftens: Internationale Kooperation. Und sechstens: Eine große Verpflichtung des Präsidenten, sich für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung einzusetzen.
In ihrem Konzept für mehr Sicherheit plädieren sie für eine Bewaffnung von einer Million Kolumbianern, die als Bürgerwehren fungieren sollen. Diese sollen die Sicherheitskräfte gegen aufständische Gruppen unterstützen...
Vélez: Nicht gegen Aufständische, sondern für generelle Sicherheit.
Das klingt aber nach dem Modell der Convivir-Selbstverteidigungsgruppen Mitte der neunziger Jahre, die besonders in ihrer Provinz Antioquia für negative Schlagzeilen gesorgt hatten. Wie wollen sie jetzt sicherstellen, dass diese Gruppen oder deren Führer nicht von den Paramilitärs geleitet oder benutzt werden?
Vélez: Als ich Gouverneur in der Provinz Antioquia war, haben die Convivir-Gruppen funktioniert. Wir haben sie geleitet und kontrolliert. Dort haben sie gute Dienste geleistet. In anderen Teilen des Landes nicht. Als ich in den USA war, gab es dort eine ähnliche Sache, die sich Community Policy nannte, in England Neighbourhood Watch. Die Idee ist rechtlich einwandfrei, um ein hohes Niveau an Sicherheit zu garantieren. Dazu braucht man die Kooperation der Bürger. Wenn alle mitmachen, lässt sich Transparenz gewährleisten und die Wiederherstellung der Menschenrechte erreichen.
Welche Rolle werden die USA in Zukunft in Kolumbien spielen und wie werden sie zum Plan Colombia eingestellt sein?
Ich unterstütze ihn total. Wir brauchen die Hilfe der internationalen, demokratischen Gemeinschaft. Mit den USA wollen wir erreichen, dass der Plan Colombia künftig eine Luftraumüberwachung einschließt. Täglich fliegen zwanzig Flugzeuge mit Drogen aus, zurück kommen sie mit Waffen. Diese Ziffer kalkuliert die Armee. Ausserdem benötigen wir praktischere Projekte als bisher in der Ausführung.
Vélez: Zum Beispiel?
Zur Erziehung der Bauern. Das heißt Ausrottung des Drogenanbaus und Wiederaufforstung. Letztendlich benötigen wir den Plan Colombia gegen Terrorismus, Entführungen, Massaker und gegen die Attacken und Einnahmen der kolumbianischen Bezirke durch die bewaffneten Gruppen.
Sind sie zu Friedensgesprächen mit allen bewaffneten Gruppen bereit?
Vélez: Ich bin ein Freund der Verhandlungen, aber sie muss klare Bedingungen haben. Ich werde eine internationale Vermittlung vorschlagen. Für Gespräche sind aber eine Absage an den Terrorismus und ein Waffenstillstand notwendig. Sollte es einen Friedensprozess geben, muss man den Nutzen daraus abwägen.
Nationale und internationale Medien haben mehrfach behauptet, sie hätten Beziehungen zu den Paramilitärs und Drogenhändlern...
Vélez: Ich bin seit dreißig Jahren in der kolumbianischen Politik und habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe viele kontroverse Themen angesprochen, aber niemals habe ich den Boden der Verfassung verlassen. Ich bin keine unbekannte Figur in der Politik, sondern man kennt mich aus dreißig Jahren Politik.
Sie plädieren vehement für eine Aufstockung der professionellen Soldaten...
Vélez:Von derzeit 54.000 auf 100.000.
Wie wollen sie das finanzieren?
Vélez: Das kostet 150 Millionen US-Dollar im Jahr und das müssen wir tun, um die Korruption und die klientelistische Politik auszuradieren. Und wenn es dafür notwendig ist, eine Steuer zu erheben, die nicht die Armen und das wirtschaftliche Wohl des Landes belastet, werde ich das durchsetzen. Die bisherigen Ausgaben für das Militär belaufen sich auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wenn es notwendig ist, werde ich diese erhöhen.
Wie wollen sie sicherstellen, dass es zukünftig keine Verbindungen mehr zwischen Militär und dem Paramilitarismus gibt?
Vélez: Mit einem starken Staat, mit Rückhalt in der Bevölkerung und einer starken Armee. Wir werden Bewusstsein für einen Rechtsstaat bilden, der sich nicht mit illegalen Gruppen vermischen darf. So kann man gegen die Guerilla als auch gegen den Paramilitarismus ankämpfen.
Sie forderten mehrfach einen Blauhelmeinsatz in Kolumbien...
Vélez: Diesen Vorschlag hatte ich 1995 gemacht, als ich Gouverneur der Provinz Antioquia war. Heute geht dies nicht mehr. Heute muss man den Plan Colombia unterstützen. Was wir brauchen, ist eine Unterstützung der Bürger. Es gibt in Kolumbien ein Dorf namens Cardono. Am 19. November wurde es von der Guerilla attackiert, am 20. leisteten die Bewohner zivilen Widerstand. Ich schlage deswegen eine UN-Menschenrechtskommission vor, welche die Zivilbevölkerung schützt und die kolumbianische Armee respektiert.
Anfang April veröffentlichte die Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission Mary Robinson einen Brief, in dem sie beklagte, dass ein Kandidat im kolumbianischen Wahlkampf offensichtlich die Unterstützung der Paramilitärs bekommt. Damit waren sie gemeint. Sie kündigten eine Antwort auf dieses Schreiben an...
Vélez: Nein. Diese Frau kennt weder diesen Kandidaten, noch seine Thesen. Ich gebe ihnen die Garantie, dass meine Politik der Sicherheit transparent sein wird. Zweitens: Es gibt keinen Schritt zurück! Wir Kolumbianer werden unser Recht wiedererlangen, in Frieden zu leben. In Europa weiß niemand, dass hier jährlich 34.000 Menschen ermordet werden.
Was meinen sie mit "keinen Schritt zurück"?
Vélez: Damit meine ich meine Politik der Sicherheit.