Keiner schiebt uns weg
Der Internationale Frauenstreik am 8. März gibt Gelegenheit, über neue Formen solidarischer Kooperation nachzudenken
Am Freitag werden in Berlin manche Menschen erstaunt vor verschlossenen Läden und Büros stehen. Denn nicht alle werden mitbekommen haben, dass in diesem Jahr in der Hauptstadt der Internationale Frauentag am 8. März zum neuen Feiertag wurde.
Das hat die Koalition aus SPD, Grüne und Linke beschlossen und damit auch noch Clara Zetkin Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Auf die Sozialistin und Frauenrechtlerin geht der 8. März zurück. Weil Zetkin, die an der Seite von Rosa Luxemburg am linken Flügel der SPD stand, 1919 KPD-Mitglied wurde, galt sie manchen nach 1989 nicht mehr würdig, als Namensgeberin von Straßen zu fungieren. Es gab in verschiedenen Städten Umbenennungen.
Gegen den neuen Berliner Feiertag polemisieren viele. Auch die kaum bekannte Bayernpartei meldet sich mit ihrer Kritik zu Wort. Dabei muss offenbleiben, ob der Bayernparteivorsitzende mit der Verknüpfung vom Feiertag in Berlin und der Fertigstellung des Berliner Flughafens nicht bei der Titanic und ihren parlamentarischen Arm Die Partei besser aufgehoben wäre.
Feiertag oder Kampftag?
Fundiertere Einwände zum Berliner Feiertag kamen aus Kreisen des Berliner Frauenstreikbündnisses, das in diesem Jahr am 8. März Frauen aufruft, an diesem Tag ihre Tätigkeiten ruhen zu lassen. Dabei handelt es sich eben nicht nur um die Erwerbsarbeit, sondern auch um die unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit, die Frauen traditionell im Haus leisten.
"Es ist klar, dass wir als arbeitende Frauen mehr gesetzliche Feiertage wollen, aber nicht an unserem internationalen Kampftag", erklärte das Frauenstreikbündnis.
Allerdings ist die Einschätzung zum Berliner Feiertag auch im heterogenen Bündnis umstritten. Schließlich muss es ja kein Widerspruch sein, dass der 8. März ein Kampf- und Feiertag ist. Die Geschichte des 1. Mai zeigt aber auch die Gefahren auf, die ein Staatsfeiertag mit sich bringen kann. Die Nazis haben den 1. Mai als Feiertag der deutschen Arbeit eingeführt, an dem die Betriebsführer wie die Unternehmer genannt wurden, mit denen Belegschaften gemeinsam den neuen Staat huldigen sollten. Der NS-Feiertag war explizit gegen den 1.Mai als Internationalen Kampftag gerichtet.
Der Frauentag war mit der sozialistischen Frauenbewegung verknüpft, so dass eine Bezugnahme darauf im Nationalsozialismus unmöglich war. Näher stand ihnen der Muttertag, weil in der NS-Ideologie Frauen in erster Linie deutsche Mütter sein sollten, auch wenn sie gleichzeitig im Arbeitsleben Dienst an der Volksgemeinschaft leisten sollten. Dass der 8. März, der bisher nur in Berlin Feiertag ist, eben nicht so beliebig wurde wie der 1.Mai, ist auch das Verdient verschiedener Zyklen von Frauenbewegungen.
Da war die proletarische Frauenbewegung um Zetkin, auf die der 8. März zurückgeht, die sich in ihrer Zeit vom bürgerlichen Feminismus abgrenzte. In Westdeutschland entdeckte ein Teil der nach dem Aufbruch von 1968 entstandenen Frauenbewegung die proletarische Frauenbewegung und auch den 8. März neu. Einige bezogen sich positiv darauf, andere sprachen von veralteten Konzepten.
Eine größere Strömung dieser Frauenbewegung sah Anknüpfungspunkte, wollte aber die Konzepte einer Clara Zetkin nicht einfach übernehmen. Da ging es eher um die Diskussionen, was daran noch aktuell und was überholt ist. Und es ging auch um die Kämpfe von Frauen, in denen sie nicht als Teil einer Fabrikarbeiterklasse in Erscheinung getreten sind.
Dania Alasti hat in ihren informativen Buch "Frauen der Novemberrevolution an Proteste von Frauen während des 1. Weltkriegs erinnert, die weitgehend vergessen sind. Dabei ging es neben den Brotunruhen gegen Hunger und Mangelernährung auch um Proteste gegen die nationalistische Vaterlandspartei. Frauen nutzten vor mehr als 100 Jahren bei ihren Protesten auch den Vorteil, dass sie anders als Männer nach Verhaftungen nicht an die Front geschickt wurden. Alasti zeigt überdies auf, wie die Kämpfe der Frauen auch von den Männern der Arbeiterbewegung oft nicht ernst genommen wurden, was mit ein Grund für die "Kontinuität des Vergessens" gewesen sein kann, die Alasti in ihrem Buch benennt.
Brot und Rosen - oder wenn Frauen streiken
So kann die aktuelle Frauenstreikbewegung an diese beiden Stränge anknüpfen. An die vergessenen Kämpfe von Frauen außerhalb der Produktionssphäre, aber auch an die lange Tradition von Arbeitskämpfen, die hauptsächlich von Frauen getragen wurden. Die fanden an Arbeitsplätzen statt, an denen hauptsächlich Frauen beschäftigt waren, meist zu schlechteren Bedingungen als die Männer.
Dass die lohnarbeitende Frau noch die unbezahlte Hausarbeit verrichten musste, wurde selbst in den unterschiedlichen Teilen der Arbeiterbewegung oft nicht hinterfragt. Songs wie Brot und Rosen legen noch immer Zeugnis ab von diesen historischen, vornehmlich von Frauen getragenen Arbeitskämpfen. Der Verlag Die Buchmacherei hat mit dem Buch "Wilder Streik, das ist Revolution" und einem Film an den Streik bei Pierburg in Neuss erinnert, wo vor allem migrantische Frauen 1973 für bessere Arbeitsbedingungen streikten.
Vielleicht wird es auch noch Veröffentlichungen geben, die an den Streik der Heinze-Frauen gegen Lohndiskriminierung Ende der 1970er Jahre erinnert. "Keiner schiebt uns weg" lautete die zentrale Parole.
Die Bezugnahme auf diese Arbeitskämpfe von Frauen ist umso notwendiger, weil im Zuge der Verringerung der fordistischen Betriebe in Ländern wie Deutschland die Arbeitswelt insgesamt weiblicher geworden ist. In den letzten Monaten war viel von Arbeitskämpfen in Kliniken oder im Erziehungsbereich die Rede, wo besonders viele Frauen arbeiteten. Daran knüpfen Aktivistinnen am 8. März an:
Ob als Mutter, pflegende Angehörige, Freundin, Krankenschwester, Altenpflegerin, Sexarbeiterin oder Hebamme - es sind größtenteils Frauen, die die Pflege, Versorgung und Erziehung übernehmen.
Aus dem Aufruf zum Chic Care Catwalk
Dabei handelt es sich um eine von vielen Aktionen, die rund um den 8. März dazu beitragen sollen, dass weibliche Arbeit thematisiert wird. Auch gegen das Hartz IV-Regime richtet sich eine Aktion rund um den 8. März. In Cottbus lautet die Parole des Frauenstreiks "Wenn wir die Arbeit niederlegen, steht die Welt still" und vermittelt zumindest rhetorisch einen Eindruck von Stärke und Optimismus einer Bewegung, die eine ganz andere Welt gestalten könnte.
Ein solcher Optimismus, den die Arbeiterbewegung vor 100 Jahren ausstrahlte,scheint weitgehend verloren gegangen zu sein. Es geht scheinbar nur noch um Abwehrkämpfe und das Bemühen, die menschlichen Fußabdrücke auf der Erde immer unsichtbarer zu machen. Darin liegt auch ein Grund für den Aufstieg der unterschiedlichen rechten Bewegungen. Sie richteten sich in vielen Ländern auch gegen die von Frauen erkämpften Rechte.
Der internationale Frauenstreiktag ist auch eine Antwort darauf, die allerdings nicht den Kampf gegen die Rechten, sondern die politischen Inhalte, die sie bekämpfen, in den Mittelpunkt stellt. Zudem ist es eine Bewegung, die sich in wenigen Jahren über Grenzen und Kontinente hinweg ausgebreitet hat. Hier liegt auch die historische Bedeutung des Frauenstreiks über den 8. März 2019 hinaus.
In dem Band "8 M - Der große feministische Streik. Konstellationen des 8 März" wird der politische Hintergrund erläutert, der zu den Frauenstreiks in den verschiedensten Ländern in den letzten Jahren führte. Angefangen bei den Ni-Una-Menos-Protesten 2015 in Argentinien, über die große Streiks der Frauen 2016 in Lateinamerika und schließlich den Frauenstreik 2017 in Spanien, der auch viele Aktivistinnen motiviert hat, in diesem Jahr in vielen anderen Ländernzu streiken.
Her mit dem ganzen Leben - aktueller denn je
Es muss sich zeigen, ob sich hier, anders als beim Frauenstreik 1994, ein längerfristiger Kampfzyklus entwickelt, der die Kämpfe der Frauen von vor 100 Jahren in die heutige Zeit transformiert.
"Wenn wir zusammen kämpfen, kämpfen wir auch für den Mann", heißt es in dem Lied "Brot und Rosen". Auch dieser Aussage kommt heute eine neue Bedeutung zu. Der Frauenstreiktag könnte auch die Männer motivieren, Teil einer sozialen Bewegung zu werden, die sich nicht gegen andere Unterdrückte und Ausgebeutete richtet. "Her mit dem ganzen Leben", sangen die streikenden Frauen vor 100 Jahren. Das ist eine verdammt aktuelle Forderung, in einer Zeit, in der die Zumutungen des Arbeitslebens, das von Marx beschriebene Reich der Notwendigkeit, immer tiefer in das Leben aller Menschen eingreift und die Grenze zwischen Lohnarbeits- und Freizeit verschwimmt.
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