Kennen Sie Roderich Kiesewetter?
Seite 2: "Härte zeigen"
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Vor diesem Hintergrund sind so manche kernige Aussagen des Ex-NATO-Soldaten besser zu verstehen. Zum Beispiel, wenn Kiesewetter im September letzten Jahres dem Berliner Tagesspiegel gegenüber in der Syrienfrage verkündet: "Politische Wirkung werden wir nur entfalten können, wenn wir die Sprache der Region sprechen, also auch militärische Mittel ergänzend zu diplomatischen Initiativen einsetzen." Konkreter: "Wir sollten auch in Erwägung ziehen, schwerere Waffen wie etwa Schützenpanzer zum Kampf gegen den IS zu liefern."
Schließlich wartete er noch mit dem Vorschlag auf, die Bundesrepublik sollte sich am Syrienkrieg mit eigenen Tornado-RECCE-Flugzeugen beteiligen. Doch die Bundesregierung wollte dem Druck einiger Bundestagsabgeordneter unter Führung Kiesewetters nicht so recht nachgeben. Das änderte sich schlagartig nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015. Mochten auch erfahrene ehemalige Bundeswehr-Generäle wie Harald Kujat oder Ex-Oberstleutnant Ulrich Scholz den Tornado-Einsatz als militärstrategischen Nonsens verurteilen: Deutschland war ab nun im Syrienkonflikt gefangen. Der Gedanke, Deutschland in den Syrienkrieg einzuwickeln, war auf der privaten Münchner Sicherheitskonferenz im Frühjahr 2015 ausgearbeitet worden.
In einem solchen Kontext wirken so manche Aussagen von Roderich Kiesewetter im deutschen Bundestag nicht in erster Linie abstrus, sondern vielmehr offen bedrohlich: Europa müsse gegenüber Libyen "Härte zeigen". Der Iran sei in der Lage, mit seinen Raketen München und Stuttgart zu zerstören. Deswegen müsse die NATO an der Grenze Russlands vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer ihren Raketenschirm errichten und sich damit gegenüber Russland "etwas mehr Zähne" zulegen - womit Kiesewetter implizit zugibt, dass der Raketenschirm nicht gegen den Iran, sondern gegen Russland gerichtet ist.
Hier schließt sich der Kreis: Wenn der bayrische Ministerpräsident jetzt mit Putin ganz normal redet, anstatt ihn zu ignorieren und zu ächten, durchkreuzt er die Konzeption Kiesewetters und seiner Mitstreiter. Mit Putin zu reden, verbietet sich nach Kiesewetters Logik schon deswegen, weil Putin angeblich bereits jetzt Krieg gegen die NATO-Staaten führt, und zwar an der Propagandafront, mit seiner behaupteten finanziellen Unterstützung der deutschen Rechten.
Die Tage der Entspannung mit Moskau sind nun vorbei. Das entnehmen wir der offiziellen Zeitung der Streitkräfte der USA, den Stars and Stripes. Das Verteidigungsministerium der US-Regierung, das Pentagon, hat jetzt gerade verkündet, dass es eine Vervierfachung der Militärausgaben für den Einsatz der US-Truppen in Europa für das Finanzjahr 2017 fordert (Hauptfeind Russland: Pentagon will Präsenz in Europa stärken). Sind aktuell für das laufende Jahr 2016 Europa-Ausgaben des US-Militärs in Höhe von 780 Millionen Dollar angesetzt, so soll der amerikanische Steuerzahler für das Fiskaljahr 2017 bereits 3.4 Milliarden Dollar aufwenden. 3.000 bis 5.000 zusätzliche US-Soldaten sollen an die Grenze Russlands verlegt werden. Sollte der nächste US-Präsident nicht Bernie Sanders heißen, dann wird diese Anforderung des Pentagon hundertprozentig umgesetzt.
Ist es da ein Zufall, dass Verteidigungsministerin Ursula von Leyen gerade jetzt einen Super-Etat von 130 Milliarden Euro, gestreckt auf die nächsten fünfzehn Jahre, für die Erneuerung der Bundeswehr gefordert hat? Süffisant merkt die Sendung "Streitkräfte und Strategien" des NDR an, dass die Verteidigungsministerin ihre Forderung einen Tag nach der Vorlage des sehr kritisch ausgefallenen Jahresberichts des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hans-Peter Bartels, vorgebracht hatte: "Es wirkte wie eine konzertierte Aktion." Roderich Kiesewetter ist ein Meister der konzertierten Aktion.