Hauptfeind Russland: Pentagon will Präsenz in Europa stärken
Die European Reassurance Initiative soll mit 3,4 Milliarden Dollar viermal mehr erhalten, für den Luftkrieg sollen für 1,8 Milliarden 45.000 neue Bomben gekauft werden
Dem von den US-Streitkräften geführten Luftkrieg gegen den "Islamischen Staat" im Rahmen der Operation Inherent Resolve gehen die Bomben aus. 45.000 neue Laser- und GPS-gesteuerte Bomben werden benötigt, das Pentagon beantragt dafür eine Summe von 1,8 Milliarden US-Dollar.
Bislang wurden mehr als 7500 Einsätze in Syrien und im Irak geflogen - 2200 sind nach Pentagon-Angaben vom Rest der Koalition geflogen worden. Der Pentagon-Haushalt für 2017 sieht 7,5 Milliarden US-Dollar vor, um den Luftkrieg fortzusetzen und irakische Soldaten auszubilden - doppelt so viel wie 2016.
Der Luftkrieg, "kinetische Operationen" genannt, kostet nach Angaben des Pentagon täglich 11,4 Millionen US-Dollar und wird als der präziseste Luftkrieg der Geschichte bezeichnet. Bislang wurden Bomben und Raketen für 1,3 Milliarden US-Dollar abgeworfen bzw. abgefeuert. Unklar ist bislang wie viele Zivilisten dabei getötet und verletzt wurden. Das Pentagon räumte bislang einige wenige getötete und verletzte Zivilisten ein. Die NGO Airwars spricht von mindestens 880 Zivilisten und mehr als 35.000 Bomben.
Interessanter ist aber am neuen Pentagon-Haushaltsplan, dass im Rahmen einer European Reassurance Initiative (ERI) mit 3,4 Milliarden US-Dollar eine deutliche Verstärkung der Präsenz in Europa stattfinden soll, um für "Frieden und Sicherheit in Europa" zu sorgen. Das richtet sich vor allem an die osteuropäischen und baltischen Nato-Länder und soll wie schon die verstärkte Präsenz seit 2014 demonstrieren, dass die USA sich zu deren "Sicherheit und territoriale Integrität" verpflichten.
ERI richtet sich natürlich gegen Russland, deswegen war auch abzusehen, dass mit der angekündigten finanziellen Aufstockung um mehr als das Vierfache gegenüber dem laufenden Haushalt, der 800 Millionen US-Dollar vorgesehen hat, auch die deutsche Regierung angekündigt hat, dass die Sanktionen gegen Russland erst einmal aufrechterhalten werden sollen. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer wird bei seinem Moskau-Besuch da wenig ändern. Man darf auch annehmen, dass die ukrainische Regierung nicht daran interessiert sein wird, das Minsk-Abkommen über den Waffenstillstand hinaus schnell umzusetzen. So lange die lokalen Wahlen im Donbass nicht stattgefunden haben, wie dies das Abkommen vorsieht, können USA und EU die Fortführung der Sanktionen mit der stillschweigenden Annahme begründen, dass Russland alleine für die fehlende Umsetzung verantwortlich sei.
Bei der Vorstellung des Pentagon-Budgets hob Verteidigungsminister Carter hervor, dass die wichtigsten Gegner der USA Russland und China seien. Dazu kommen die Konflikte mit Nordkorea, Iran und dem IS. Die "Aggression Russlands" steht jedoch offenbar ganz vorne und begründet die vorgesehene Vervielfachung der Gelder für ERI. Mit den zusätzlichen Milliarden sollen mehr Soldaten in Europa präsent sein, es sollen mehr Soldaten der Alliierten ausgebildet und mit ihnen Übungen abgehalten werden. Dazu müssen auch mehr Waffen, Kampffahrzeuge, und Vorräte nach Europa gebracht sowie Infrastruktur wie Flugplätze oder Übungsplätze ausgebaut werden. Ende 2017 soll es dann möglich sein, eine leistungsstarke Bodentruppe mit kombinierten Waffen schnell aufzustellen, die, falls notwendig, auf alles in der Region antworten könne, so Carter.
Damit wird freilich auch für Rückfluss gesorgt, denn die europäischen Nato-Mitgliedsländer werden dazu aufgefordert, ihre Rüstungsausgaben zu erhöhen, was auch bedeuten würde, dass mehr militärisches Gerät von US-amerikanischen Rüstungskonzernen gekauft wird. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht davon nicht, sondern zeigte sich nur erfreut, dass die USA mit der Ausgabensteigerung ihre Bereitschaft demonstrieren, für die europäische Sicherheit und die kollektive Verteidigung zu sorgen, was das transatlantische Band stärke.
Die Ende des letzten Jahres ausgearbeitete Strategie des U.S. European Command (USEUCOM) unter dem Kommandeur Philip Breedlove hat schon deutlich gemacht, dass neben dem islamistischen Terrorismus und der Massenmigration primär die Abschreckung des "revanchistischen Russland" steht. Das Militär der osteuropäischen Länder müsse verstärkt und dafür gesorgt werden, dass die Nato sich weiter im Westbalkan, Kaukasus und Osteuropa Richtung Russland vergrößert.
Carter machte erneut die Position der USA klar. Es sei evident, "dass Amerika heute weiter der vorherrschende Führer, Partner und Unterstützer von Stabilität und Sicherheit in jeder Region auf der Erdkugel ist, wie dies seit Ende des Zweiten Weltkriegs der Fall war". Der Anspruch bedeutet, dass die USA weltweit militärisch präsent sein wollen, eine multipolare Weltordnung ablehnen und Konkurrenten wie Russland und China eindämmen wollen. Dafür ist nicht nur die militärische Präsenz wichtig, sondern auch die Sicherung der technischen Überlegenheit. Das Pentagon will 2017 71,4 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investieren, "so viel wie keine andere Institution in den USA und weltweit", so Carter.
Verbessert werden soll die präzise Steuerung von Bomben mit Smartphone-großen Geräten, die Raketenabwehr mit "smarten Projektilen" oder die Entwicklung von Schwärmen autonomer Fahr- und Flugzeuge. Mit 3D-Druckern hergestellte Mikrodrohnen sollen mit Mach 0,9 fliegen oder von Soldaten mit der Hand gestartet werden können. Die Roboterisierung des Krieges soll auch durch die Weiterentwicklung autonomer Boote und U-Boote vorangetrieben werden. 7 Milliarden US-Dollar sind für den Ausbau der Cyberwar-Fähigkeiten vorgesehen, vor allem auch für die Entwicklung von Angriffswaffen.
Nicht zuletzt kommt Carter auch wieder darauf zu sprechen, dass das Pentagon darauf angewiesen ist, das geeignete Personal zu finden, das all die neuen Techniken auch bedienen kann. Die Öffnung der Streitkräfte für Frauen, die nun auch in allen Kampfbereichen eingesetzt werden können, soll die fehlenden männlichen Rekruten kompensieren. Carter will auch die Arbeitsbedingungen verbessern und die Familien der Soldaten besser unterstützen. Dazu soll die Möglichkeit kommen, dass Menschen von außerhalb auch für kurze Zeit mal bei den Streitkräften mitmachen, während Soldaten ihrerseits auch einmal außerhalb arbeiten sollen, um zu sehen, wie der Rest der Welt funktioniert.
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