Killer aus dem Kleingarten
Auch in Berlin scheint sich die Asiatische Tigermücke dauerhaft zu etablieren. Insekten können bei uns neue Krankheiten übertragen. Ausbreitung als weitere Folge von Tourismus und Klimawandel.
Gerade erst wurde nach einer mehrtägigen Hitzewelle über die Auswirkungen des Klimawandels auf Mitteleuropa und Deutschland diskutiert, da kommt aus der Bundeshauptstadt eine neue Meldung, die den Trend zu bestätigen scheint: In einer Kleingartenanlage im Osten Berlins wurden Exemplare der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) nachgewiesen. Die invasive Art kann klassische Tropenkrankheiten wie Dengue oder Chikungunya-Viren übertragen.
Nun ist die Meldung nicht ganz neu: Die Asiatische Tigermücke war in den vergangenen Jahren bereits im Süden Deutschlands nachgewiesen worden. Die Kleingartenanlage im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick ist aber der nördlichste Punkt, an dem ein solcher Nachweis schon 2017 gelang. Und: Die erneute Verbreitung nach entsprechenden Funden im vergangenen Jahr weist darauf hin, dass die schwarz-weiß gestreifte Stechmücke in Berlin erstmals überwintern konnte.
Damit hätte sich die Art dauerhaft etabliert, heißt es von Gesundheitsexperten. Diese sehen zwar keine akute Gefahr, warnen angesichts des Vormarschs der Asiatischen Tigermücke in Deutschland aber vor einer latenten Bedrohung: Die Etablierung der Art in Kombination mit Reiserückkehrern aus Gebieten mit entsprechenden Virenvorkommen könnte mittelfristig Tropenkrankheiten nach Deutschland bringen.
Kleingartenanlagen in Berlin, einzelne Funde – das alles scheint auf den ersten Blick wenig brisant und wirkt ein wenig nach Sommerlochmeldung. Tropenmediziner sind dennoch alarmiert: Sollte sich Krankheiten endemisch verbreiten, ist bei der Eindämmung Eile geboten. Ab einem gewissen Grad der Durchseuchung ist eine Infektionswelle nur noch schwer aufzuhalten.
Die dauerhafte Verbreitung der Asiatischen Tigermücke in Deutschland als Vektor für potenziell tödliche Krankheiten ist daher für die Seuchenkontrolle ein wichtiger Gefährdungsaspekt. Wie in Süddeutschland klären dabei in Berlin die Behörden – in diesem Fall das Landesamt für Gesundheit und Soziales – über die Gefahren durch die invasive Insektenart auf.
Die Mücke – das für Menschen tödlichste Tier
Die Entwicklung sollte in der Tat nicht unterschätzt werden. Der kanadische Historiker Timothy Winegard, der an der US-amerikanischen Colorado Mesa University lehrt, geht davon aus, dass Insekten jährlich rund 830.000 Menschenleben fordern. An die zweite Stelle der für den Menschen gefährlichen Spezies setzt Winegard gemäß dem Plautus’schen Aperçu Homo homini lupus – den Menschen selbst: Durch Kriege und Tötungsdelikte seien jährlich 580.000 Todesopfer zu beklagen.
Vor allem diese Zahl der vom Menschen verursachten Verlusten von Leben ist natürlich fragwürdig und der Zahlenvergleich eher der Verlags-PR geschuldet. Tropenmediziner aber bestätigen durchaus die Gefährdung durch Steckmücken als Vektoren. Sie sei viel größer als die Bedrohung durch die im Bewusstsein präsentieren Giftschlangen oder durch Raubtiere wie Großkatzen, Haie und Bären.
Nun also Dengue und Chikungunya? "Die Krankheiten, die durch diese Viren verursacht werden, sind in Deutschland bislang nicht verbreitet, die entsprechenden Erreger werden jedoch immer wieder von Reiserückkehrer:innen eingeschleppt", warnt die Berliner Senatsverwaltung nun in einer Pressemitteilung.
Mitarbeiter der Berliner Verwaltung wollen daher mit einem "Mückenatlas" die Verbreitung der Insekten kontrollieren. Gemeinsam durchforsteten Angestellte des Gesundheitsamtes Treptow-Köpenick und des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vor wenigen Wochen 35 Grundstücke der betroffenen Kleingartenanlage nach Eiern, Larven und ausgewachsenen Mücken. Bereits im Frühjahr waren dort Pächter über Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung informiert worden.
Die erneuten Funde der Asiatischen Tigermücken in dem stark begrünten Ostberliner Stadtteil erforderten eine "koordinierte Bekämpfungsstrategie, um die langfristige Ansiedlung dieser invasiven Art in Berlin zu verhindern und erste Populationen wirksam zurückzudrängen", heißt es seitens der Senatsverwaltung. Der Mückenatlas soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Das Landesamt für Gesundheit bittet die Berlinerinnen und Berliner daher, verdächtige Mückenexemplare an den deutschen Mückenatlas zu senden.
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