Schwerelose Spermien: Warum Sex im All nicht funktioniert
Kinderwunsch im All? Eine Studie zeigt: Schwerelosigkeit mindert Beweglichkeit und Lebendigkeit von Spermien. Ist Zeugung im Weltraum möglich?
Den Menschen zieht es in den Weltraum. Nicht nur, dass er Pläne schmiedet, andere Planeten wie den Mars zu besiedeln. Auch der tagelange Aufenthalt im Orbit wird offenbar immer interessanter – zumindest für zahlungskräftige Kreise.
Der Markt für Weltraumtourismus erreichte im vergangenen Jahr ein Volumen von über 800 Millionen US-Dollar. Gemessen an den Preisen ist der Markt noch überschaubar. Elon Musks SpaceX soll für einen Hin- und Rückflug zur Raumstation ISS 60 Millionen US-Dollar verlangen. Die Übernachtungskosten auf der ISS werden auf 35.000 US-Dollar pro Nacht geschätzt.
Der Markt entwickelt sich jedoch und könnte 2032 ein Volumen von über 20 Milliarden US-Dollar erreichen. Mehrere Anbieter wie Axiom Space oder Blue Origin von Jeff Bezos wollen bis dahin eigene Raumstationen im Orbit haben. Die Voyager Station der Orbital Assembly Corporation soll Platz für mehrere Hundert Gäste bieten.
Spätestens dann, wenn die Urlauber im All von allzu menschlichen Bedürfnissen übermannt werden, dürfte sich die Frage stellen: Ist es überhaupt möglich, in der Schwerelosigkeit Nachwuchs zu zeugen? Noch brisanter dürfte die Frage werden, wenn sich die Menschheit tatsächlich anschickt, andere Planeten zu besiedeln.
Parabelflüge imitieren Schwerelosigkeit für Weltraumexperiment
Forscher der Universität Katalonien und des Universitätsklinikums Dexeus sind dieser Frage schon jetzt nachgegangen und haben eine negative Antwort: Die Schwerelosigkeit scheint den Spermien zu schaden und könnte die Zeugung von Kindern außerhalb der Erde erschweren.
Für ihre Studie nahmen die Forscher 15 Samenproben von gesunden Spendern und teilten sie in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe blieb auf der Erde, die andere wurde auf Parabelflügen weltraumähnlichen Bedingungen ausgesetzt.
Dabei fliegt das Flugzeug spezielle Manöver in Form einer Parabel. Dadurch entsteht an Bord für kurze Zeit eine annähernde Schwerelosigkeit, die mit der im Weltraum vergleichbar ist. In der Studie konnten so etwa 8,5 Sekunden Schwerelosigkeit pro Parabel erzeugt werden.
Schwerelosigkeit beeinträchtigt Beweglichkeit und Lebendigkeit der Spermien
Die Ergebnisse zeigten deutliche Unterschiede zwischen den Proben: "Auch wenn es nicht zu einem Totalverlust kam, führen starke Veränderungen der Schwerkraft, einschließlich der Mikrogravitation, zu einer signifikanten Abnahme der Vitalität und Beweglichkeit der Spermien", schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.
Die Spermien, die der Schwerelosigkeit ausgesetzt waren, zeigten eine statistisch signifikant geringere Lebendigkeit (Vitalität) und Beweglichkeit (Motilität) als die Vergleichsproben auf dem Boden:
- Vitalität: 69,7 Prozent gegenüber 72,4 Prozent lebender Spermien
- Konzentration beweglicher Spermien: 23,7 Mio./ml vs. 31,5 Mio./ml
- Anteil beweglicher Spermien: 30 Prozent vs. 36 Prozent
Besonders betroffen war die sogenannte krummlinige Geschwindigkeit VCL – ein Maß dafür, wie schnell sich die Spermien auf direktem Weg fortbewegen. Sie war bei den Weltraumproben mit 45,7 μm/s niedriger als bei den Bodenproben mit 47,7 μm/s. Dies deutet darauf hin, dass die Spermien in der Schwerelosigkeit weniger gut in der Lage sind, eine Eizelle zu erreichen und zu befruchten.
Ursachen noch unklar – negative Folgen bei längerer Exposition erwartet
Andere Parameter wie DNA-Integrität, Spermienform oder oxidativer Stress schienen durch die kurze Exposition nicht beeinträchtigt zu sein. Warum genau die Mikrogravitation die beobachteten Auswirkungen hat, ist noch unklar. Die Forscher vermuten eine Störung chemischer Prozesse, die für die Gesundheit der Spermien wichtig sind.
Fest steht: "Die negativen Folgen wären noch größer, wenn die Exposition länger andauern würde", folgern die Wissenschaftler. Genau das wäre aber bei längeren Weltraumaufenthalten, wie sie für die Zukunft geplant sind, der Fall.
Fortpflanzung im Weltraum erfordert weitere Forschung
Zwar steckt die Forschung zur Fortpflanzung unter Weltraumbedingungen noch in den Kinderschuhen. Wenn die Menschheit jedoch ernsthaft plant, langfristig Kolonien auf dem Mond oder dem Mars zu errichten, müssen Lösungen gefunden werden. Die spanische Studie deutet darauf hin, dass die natürliche Fortpflanzung dabei ein Problem darstellen könnte.
"Es sind weitere Studien notwendig, bevor Techniken der assistierten Reproduktion für die Wahrscheinlichkeit der menschlichen Fortpflanzung im Weltraum in Betracht gezogen werden können", betonen die beteiligten Forscher. Sie planen bereits weitere Experimente mit menschlichem Sperma, um besser zu verstehen, wie sich das Leben außerhalb der Erde auf unsere grundlegende Biologie auswirkt.