Kino: Mit Corona "zurück in die Zukunft"
Während die Zahl der Sars-CoV-2-Positivgetesteten den bisherigen Tages-Rekord aus dem April bricht, dominieren in den nun von Autokinos geprägten Vorführcharts Klassiker
Gestern wurden der Zählung des Fernsehsenders NBC nach mit insgesamt 45.557 Amerikanern so viele positiv auf das Sars-CoV-2-Virus getestet wie an keinem anderen Tag zuvor. Das ist unter anderem deshalb bemerkenswert, weil der bisherige Rekordhalter, der 26. April, bereits zwei Monate zurück liegt. Das sah man auch an der Wall Street so, wo die Kurse deutlich nachgaben.
Besonders stark ist der Anstieg in den Bundesstaaten im Westen und in Süden der USA - in Bundesstaaten wie Kalifornien, Arizona, Nevada, Texas, Oklahoma, Florida, Mississippi und den beiden Carolinas. Kalifornien verzeichnete mit 7.149 neuen Positivgetesteten nicht nur den Löwenanteil, sondern auch einen neuen Bundesstaatsrekord. Insgesamt sind dort nun fast 200.000 Menschen mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert.
Gouverneure im Westen und Süden ziehen Maßnahmen wieder an
Im noch sonnenscheingesegneteren Florida, in dem mit etwa 21 Millionen gut halb so viele Menschen leben, sind es knapp 110.000, die die Intensivbetten für Erwachsene dort nun bis auf ein Fünftel auslasten. In Arizona liegen die freien Kapazitäten teilweise nur mehr knapp über zehn Prozent. Doug Ducey, der republikanische Gouverneur von Arizona, hat deshalb den Städten und Bezirken seines Bundesstaates wieder erlaubt, Strafen zu verhängen, wenn jemand gegen eine Maskenpflicht verstößt.
Greg Abbott, der republikanische Gouverneur von Texas, traf dieselbe Entscheidung. Roy Cooper, der demokratische Gouverneur von North Carolina, ordnete eine Maskenpflicht auf Bundesstaatsebene an - und sein kalifornischer Amtskollege und Parteifreund Gavin Newsom will Städten und Bezirken, die sich anders entschieden, keine Coronahilfgelder mehr zukommen lassen.
Ob die amerikanischen Lichtspielhäuser in dieser Situation - wie Anfang Juni geplant - im Juli wieder öffnen, ist unklar. Aktuell müssen Amerikaner, die sich einen Film ansehen wollen, entweder auf ihr Wohnzimmer ausweichen oder ein Autokino besuchen, wo die Mindestabstände zwischen einzelnen Besuchergruppen besser gewahrt scheinen als zwischen eng aneinandergereihten Klappbänken.
Umsatz nur bei etwa einem Dreiundfünfzigstel des Äquivalentzeitraums aus dem Vorjahr
Mit dem Zeigen von Filmen in Autokinos lässt sich allerdings potenziell nicht so viel Geld verdienen wie mit einer geballten Vorführung neuer Filme in allen Einrichtungen: Am letzten Wochenende lag der Kinoumsatz mit insgesamt 3,8 Millionen Dollar nur bei etwa einem Dreiundfünfzigstel des Äquivalentzeitraums aus dem Vorjahr. Viele Studios halten sich deshalb mit der Veröffentlichung vermuteter Kassenschlager zurück und bieten den Autokinos stattdessen Klassiker an.
Das führte dazu, dass am letzten Wochenende ein Film die meisten Kasseneinnahmen erzielte, der bereits über ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel hat: Jurassic Park von Steven Spielberg. Seine neuen Wochenenderlöse in Höhe von 517.600 Dollar kommen nun zu den 402.310.520 hinzu, die er bereits in der Vergangenheit einspielte.
Knapp dahinter fand sich mit einer Einnahmensteigerung um 516.300 auf jetzt 260.000.000 Dollar der vor 45 Jahren veröffentlichte Weiße Hai, bei dem Spielberg mit John Milius zusammenarbeitete (vgl. "Neuer Höhepunkt an Gewaltexzessen"). Ein dritter Spielberg-Klassiker, der sich in den aktuellen Kino-Top-Ten findet, steht dort auf Platz 7: Der 1982 erschienene E.T., der sich um 126.100 auf 435.110.554 Dollar steigerte.
Vor ihm liegt mit einem Zuwachs von 131.600 auf 211.159.762 Dollar ein Film, bei dem sich aufdrängt, dass er gerade jetzt auch emotionale Bedürfnisse amerikanischer Kinogänger befriedigt: Robert Zemeckis Zurück in die Zukunft (vgl. Was Science-Fiction-Filme von damals den heutigen voraus haben).
Die neuen Filme, die in den aktuellen Top Ten zwischen den Klassikern liegen, sind die mindestens siebte Adaption von H. G. Wells Unsichtbarem (vgl. Die Zeitmaschine und der Krieg der Welten), die noch am 28. Februar anlief, auf Platz drei, die gleichzeitig als Stream und in Autokinos gestartete Trolls World Tour (vgl. Corona zündet Modernisierungslunte im Filmgeschäft) auf Platz vier, und die sehr amüsante Gesellschaftssatire The Hunt, die das Pech hatte, wegen Cancel-Culture-Ängsten der Verleihfirma vom letzten Herbst in die Coronakrise verschoben worden zu sein.
Komplettiert wird die Erfolgsparade zu einer ungewöhlichen Zeit von Antoine Les Horrorerstling Followed (der eigentlich schon seit 2018 fertig ist, aber vor seinem Autokinostart am 19. Juni 2020 nur auf Festivals zu sehen war) auf Platz acht, Joshua Caldwells Bonnie-und-Clyde-im-Instagram-Zeitalter Infamous auf Platz neun und dem Revenge-Slasher-Film Becky auf Platz zehn.