Kirche und Kriegsobrigkeit

Seite 2: Zerreißprobe in der Ökumene?

Verständlicherweise scharf, aber mit Blick auf die Konsequenzen nicht in allen Fällen klug überdacht sind die ökumenischen Kritiken am Patriarchen in Moskau. Der tschechische Ökumeniker Pavel Cerny wünscht z.B., dass die russisch-orthodoxe Kirche als Ganzes aus dem Weltkirchenrat ausgeschlossen wird. Das würde auf eine Kollektivhaftung aller Gläubigen hinauslaufen und einen möglicherweise hochbedeutsamen Kirchenraum für eine künftige russisch-ukrainische Versöhnung international kaltstellen.

Scharf kritisiert wird sogar Bischof Franziskus von Rom, weil er in seiner Kritik am gegenwärtigen Krieg zu unbestimmt bleibe. Der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander fragt: "Wo ist der Papst?"

Die Theologin Regina Elsner meint gar, der Papst mache sich zum Komplizen von "Kyrills Ideologie". Was soll dieser Tage Vorrang haben?

Ein höchster päpstlicher Richterspruch über den Aggressor oder diplomatische Aktivitäten wie das Telefonat des vatikanischen Kardinalstaatssekretärs mit Russlands Außenminister?

Hier zeigt sich ein Dilemma, das aus der Geschichte leider gut bekannt ist. Als die deutsche Soldateska 1914 in Belgien etwa fünftausend Zivilisten – oft in Reihen aufgestellt – ermordet hatte, übernahm Kardinal Desiré-Joseph Mercier federführend die "Dokumentation" der Verbrechen.

Die deutschen katholischen Bischöfe verteidigten die deutschen Mörder in Uniform und stellten den belgischen Kardinal als Lügner hin. Der pazifistische Papst Benedikt XV. verzichtete in seinen glühenden Appellen gegen den Krieg auf alle konkreten Schuldzuweisungen, weil er sich durch strikt gewahrte "Neutralität" eine Rolle als möglicher Vermittler zwischen den Kriegsparteien offenhalten wollte.

Aus solchen Widersprüchen können sich letztlich nur Kirchen lösen, die zum christlichen Weg der ersten drei Jahrhunderte vor Kaiser Konstantin zurückkehren (Verweigerung jeglicher Kriegsbeteiligung), die sich von Staaten mit Waffenkomplexen nicht in irgendeiner Weise finanzieren lassen, die das Militärkirchenwesen ersatzlos abschaffen, die jegliche Theologisierung von Kriegsgewalt ächten und sich aus den jahrtausendealten Fängen der Kriegsreligion auf allen Ebenen befreien, vor allem in den Köpfen.

Die deutschen katholischen Bischöfe haben seit zwei Jahrzehnten keine nennenswerten friedenstheologischen Kompetenzen mehr unter Beweis gestellt und sind zuletzt nur noch mit dem Gewaltschatten des Klerikerstandes beschäftigt gewesen. Doch jetzt unterbreiten sie wieder eilig, dienstbeflissen und ganz ungefragt Legitimationen für Waffenlieferungen.

Für solch eine antiquierte Kriegslogik muss man nicht viel nachdenken oder andere Mühen tragen. Nichts Neues unter der Sonne. Die staatskirchlichen Komplexe sind vielleicht doch nicht reformierbar.

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