Klarere Linien für den Gentechnik-Einsatz in der Landwirtschaft

Die Bundesregierung gestaltet das Gentechnikrecht neu

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Über den Nutzen und die Gefahren beim Einsatz von Gentechnik lässt sich trefflich streiten. Die Bevölkerung scheint gentechnisch veränderte Lebensmittel abzulehnen, die Landwirte sind uneins und die großen Biotech-Unternehmen drängen auf eine Öffnung der Märkte bei möglichst geringen Aufwendungen und finanziellen Risiken. Der Bundestag hat mit dem neuen Gentechnikgesetz zumindest Rechtssicherheit geschaffen und den Verbrauchern eine Wahlmöglichkeit gegeben.

Das neue Gentechnikgesetz geht zurück auf die Freisetzungsrichtlinie für genveränderte Organismen aus dem Jahr 2001 (2001/18/EG). Die Richtlinie ließ den Mitgliedsstaaten einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Zulassung von genetisch veränderten Organismen. Bedingung allerdings: Der Anbau von genmanipuliertem Saatgut muss ermöglicht werden und die Produktherstellung möglich sein. Doch Streitpunkte gab es zur Genüge, weshalb die Reform des Gentechnikrechts lange auf sich warten ließ - nach EU-Recht hätte sie bereits im Oktober 2002 in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Strittig waren bis zuletzt unter anderem die Frage der Regelungen zur Koexistenz zwischen "grüner" Gentechnik auf der einen und konventionellem und ökologischem Landbau auf der anderen Seite. In freier Natur wachsende Pflanzen kreuzen in ihre Umgebung aus. Während das bei Kartoffeln oder Mais nur über wenige Meter geschieht, legt der Pollen des Raps einige Dutzend Kilometer Wegstrecke zurück. Eine Kontrolle der Verbreitung genmanipulierter Pflanzen in die Umwelt ist bei weit auskreuzenden Pflanzen fast unmöglich, sofern sie in Mitteleuropa überwinterungsfähig sind.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir das Gesetz so zügig zur Verabschiedung gebracht haben, denn es war Eile geboten.

Verbraucherschutzministerin Renate Künast

Ein besonderer Streitpunkt war die Frage der Standortbekanntgabe: Ein bundesweites Register soll die Flächen ausweisen, auf denen genetisch veränderte Organismen angebaut werden. Aus Angst davor, dass "Ökoterroristen Felder niedertrampeln" (Katherina Reiche, CDU), werden genauere Angaben zu den Feldern nur für Personen mit "berechtigtem Interesse", vulgo Landwirte in der Nachbarschaft, freigegeben. Allerdings handelt es sich hierbei nur um die zweitbeste Lösung: Um nicht von der Zustimmung des Bundesrates abhängig zu sein, wurde ein zentrales Register in das Gesetz aufgenommen - ursprünglich waren dezentrale Register auf Länderebene vorgeschlagen. Doch wäre das Gesetz im Bundesrat abgelehnt worden, so hätte dies eine weitere Verzögerung der überfälligen Neuregelung bedeutet.

Wer haftet für die Gentechnik?

Eine der Kernfragen der Anwendung von Gentechnik ist die Frage der Haftungsrisiken. Bis heute gibt es keinerlei verlässliche Aussagen über die Gefahren, die der Anbau, die Verwertung und der Verzehr genmanipulierter Pflanzen mit sich bringen können. Konventionelle und ökologische Landwirte befürchten daher, dass ihre Produkte bei einer Vermischung mit genmanipulierten Pflanzen von den Verbrauchern nicht mehr gekauft werden, sobald die politisch in der EU festgelegte Schwelle zur Kennzeichnungspflicht überschritten ist. Ab einem Nachweis von 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Inhaltsstoffe müssen Produkte für den Endverbraucher entsprechend deklariert werden - ob diese ihre Wahlmöglichkeit ernst nehmen, wird sich erst noch herausstellen müssen.

Mit dem neuen Gentechnikgesetz haften für die Ausbreitung auf Nachbarfelder jene Bauern, die sich für den Einsatz der "grünen" Gentechnik entschieden haben. Was die Hemmschwelle für den Einsatz dieser neuen Produkte merklich nach oben setzen dürfte. Zudem ist fraglich, ob sich Versicherer dazu bereit erklären werden, dieses Haftungsrisiko zu Preisen zu übernehmen, die die GvO-Produkte konkurrenzfähig halten.

Kritik von allen Seiten - alles richtig gemacht?

Kritik an der Reform des Gentechnikrechts durfte sich das Verbraucherschutzministerium im Vorfeld bereits von vielen Seiten anhören. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ließ verlauten, dass die Hemmschwellen für den Feldeinsatz von gentechnisch veränderten Organismen durch die Neuregelung viel zu hoch angesetzt wären und die Forschung an genmanipulierten Pflanzen dadurch verhindert würde. Die Biotechnologiefirmen beschwerte sich ebenfalls über diese "Diskriminierung", wehrten sich gemeinsam mit den Saatgutherstellern jedoch vor allem gegen jede Form von Haftungsübernahme, die über das gewöhnliche Produkthaftungsgesetz hinaus geht. Vertreter der konventionellen Bauern forderten die Einrichtung eines durch den Staat mitfinanzierten Haftungsfonds. Kritik gab es auch von Seiten der Umweltverbände wie dem BUND, der die Koexistenz von herkömmlichem Landbau und grüner Gentechnik nicht ausreichend gesichert sieht, ähnlich wird es von Vertretern des ökologischen Landbaus gesehen.

Während die "rote Gentechnik", die Anwendung in der Medizin, mit der Frage menschlicher Schicksale punkten kann, so entfällt dies bei der "grünen Gentechnik" zumindest in Mitteleuropa. Es gibt nicht zuwenig, sondern zu viele landwirtschaftliche Produkte auf dem Markt. Vertreter der Hersteller von GvO-Saatgut werden nicht müde zu betonen, dass der Herbizid- und Fungizideinsatz reduziert werden könnten. Und ganz nebenbei auch noch das Hungerproblem in der dritten Welt durch den Einsatz "grüner Gentechnik" gelöst werden könnte. Europa kann es sich leisten, auf den Einsatz derartiger Mechanismen zu verzichten, wenn es möchte. Das neue Gentechnikgesetz überlässt die Wahl letzten Endes den Verbrauchern - Augen auf im Supermarkt.