"Kleiner EU-Gipfel" gegen Asylbewerberweiterleitung
Schweden will nur noch zeitlich begrenzten Flüchtlingsstatus gewähren
Einen echten EU-Gipfel kann nur der EU-Ratspräsident einberufen. Ihn gab es 15. Oktober. Thema war der Asylbewerberandrang, Ergebnisse brachte er nur sehr bedingt. Insofern ist wenig verwunderlich, dass sich der amtierende Ratspräsident Donald Tusk angeblich weigerte, gleich darauf einen neuen Gipfel auszurufen.
Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einberufene Ersatzveranstaltung, die am Sonntagabend stattfinden soll, ist also kein echter EU-Gipfel (auch wenn sie in deutschen Medien so genannt wird). Das zeigt schon die Teilnehmerliste: Statt Vertretern aller EU-Staaten konferieren hier nur Vertreter der Länder, über die die Asylbewerber derzeit vorwiegend nach Deutschland kommen, mit Angela Merkel und Jean-Claude Juncker: Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland - zuzüglich der Nicht-EU-Länder Serbien und Mazedonien.
Juncker will sie angeblich dazu überreden, die Asylbewerber, von denen derzeit in Griechenland mehr ankommen als jemals zuvor, nicht mehr so ohne weiteres nach Deutschland weiterzuleiten. In einem 16-Punkte-Papier der EU-Kommission heißt es dazu, die Länder sollten "davon Abstand nehmen, die Flüchtlingsbewegung zur Grenze eines anderen Landes der Region ohne das Einverständnis dieses Landes zu ermöglichen". Eine "Politik des Durchwinkens" sei "nicht akzeptabel".
Ob das gelingt, ist fraglich. Die Politiker in den Transitländern haben in der Vergangenheit wenig Lust dazu gezeigt, ihren Steuerzahlern die Folgen der im Orient und in Afrika als Lockruf interpretierten Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin aufzuerlegen. Zugeständnisse werden sie deshalb wahrscheinlich nur dann machen, wenn sie aus Brüssel oder Berlin entsprechend vergütet werden.
Konkret ist unter anderem vorgesehen, dass Serbien und Mazedonien ihre Daten über registrierte Asylbewerber umgehend elektronisch an Kroatien und andere Länder weitergeben. Diese Verpflichtung zum Informationsaustausch soll auch für die anderen Teilnehmerländer gelten. Außerdem sollen sich die Staats- und Regierungschefs in einem Beschluss dem EU-Zivilschutzmechanismus unterwerfen, der im Katastrophenfall das Eingreifen anderer Mitgliedsländer regelt.
Merkel und Junker sollen zudem darauf drängen, dass auf dem griechischen Festland große "Hotspot"-Erstaufnahmeeinrichtungen unter der Leitung der EU-Grenzschutzagentur Frontex und des UN-Flüchtlingswerks UNHCR eingerichtet werden. Eine dieser Einrichtungen könnte auf dem Athener Olympiagelände entstehen und mehrere zehntausend Asylbewerber fassen. Beim derzeitigen Andrang wären aber auch solche Einrichtungen in nur wenigen Tagen überfüllt.
Wie erfolgreich Merkels Versuche waren, den türkischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zu einem Schließen der Schleusen zu bewegen, wird sich wahrscheinlich erst nach den türkischen Parlamentswahlen am 1. November zeigen. Dem Spiegel zufolge wurden ihm als Gegenleistung dafür nicht nur Milliardenzahlungen und Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger angeboten: Auch die Verhandlungen über einen türkischen EU-Beitritt sollen beschleunigt werden. In Zypern, dass einer Aufnahme bislang im Wege steht, könnte es im nächsten Jahr erneut eine Wiedervereinigungsvolksabstimmung geben, für die diesmal ein positiver Ausgang vorhergesagt wird. In jedem Fall erwartet der österreichische EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn dass die EU und die Türkei "in der Zypernfrage relativ bald zu einer Einigung kommen" und dass anschließend Verhandlungen zu den Themenbereichen zu Justiz, Menschenrechte und Rechtsstaat folgen.
In Schweden, das bislang (prozentual zur Bevölkerung) noch mehr Asylbewerber aufnahm als Deutschland, verkündete die rot-grüne Regierung am Freitag, dass sie sich mit den drei liberalen Oppositionsparteien (Moderaterna, Folkpartiet liberalerna, Centerpartiet) und den Christdemokraten darauf geeinigt hat, Einreisenden aus Krisengebieten, die ohne Kinder kommen, künftig nur mehr einen zeitlich begrenzten Flüchtlingsstatus anstatt einer dauerhaften Asylberechtigung auszustellen. Schweden hat nur knapp zehn Millionen Einwohner, rechnet aber dieses Jahr mit etwa 250.000 Asylbewerbern. Alleine in den letzten Wochen waren es täglich deutlich mehr als tausend. Ministerpräsident Stefan Löfven sieht sein Land deshalb an der Kapazitätsgrenze.