Klima-Aktivismus vor Gericht: Freisprüche bisher die Ausnahme
Sprecherin "Letzter Generation" in Berufungsprozess verurteilt: Zwei Monate auf Bewährung. So groß ist die Bandbreite der Rechtsauffassungen.
Dass Richterinnen und Richter in Deutschland die Aktionen der "Letzten Generation" – im Volksmund "die Klimakleber" – teils sehr unterschiedlich einordnen, ist ein offenes Geheimnis. Allerdings sind Freisprüche bislang die Ausnahme – und Betroffene können nicht damit rechnen, dass sie Bestand haben. Gegen Verurteilungen und Strafbefehle legen viele von ihnen dennoch Rechtsmittel ein.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat am Mittwoch einen Schuldspruch bestätigt und die Sprecherin der Klima-Initiative, Carla Hinrichs, in einem Berufungsprozess zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Aktivistin hatte sich bei einem Klimaprotest auf einer Straße in Frankfurt am Main festgeklebt und als Teil der Blockade dazu beigetragen, dass ein längerer Stau entstanden war.
Das Frankfurter Landgericht bestätigte damit ein Urteil des Amtsgerichts aus dem Mai 2023. "Sie hat es selbst in der Hand, ob sie noch mal irgendwann ins Gefängnis muss oder nicht", sagte der Vorsitzende Richter Jochen Kirschbaum laut einem Bericht des Hessischen Rundfunks (HR) am Abend nach rund sieben Stunden Verhandlung.
Verteidigung plädierte auf Freispruch
Die 26-Jährige war wegen Nötigung verurteilt worden, nachdem sie sich im Jahr 2022 auf der Fahrbahn festgeklebt hatte.
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"Ich bin überzeugt, das richtige getan zu haben", hatte sie während Verhandlung am Mittwoch mit Blick auf die Klimakatastrophe erklärt. Die Verteidigung hatte für Freispruch plädiert, Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen in Höhe von jeweils zehn Euro gefordert. Gegen die Aktivistin war zunächst ein Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 30 Euro verhängt worden.
Da Hinrichs diese Geldstrafe nicht gezahlt hatte, war sie vom Amtsgericht Frankfurt zu einer kurzen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dagegen wehrte sich die Aktivistin im Berufungsprozess. Gegen die Entscheidung des Landgerichts kann sie noch Revision einlegen.
Wenn Richter keine Verwerflichkeit sehen
Die "Letzte Generation" beruft sich bei ihren Aktionen auf Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Staat verpflichtet, "auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere" zu schützen, sowie auf das Widerstandsrecht in Artikel 20, Absatz 4 – bisher meist ohne Erfolg.
Aber nicht alle Richterinnen und Richter hielten bisher Strafbefehle für angemessen. Erstmals 2022 hatte ein Berliner Amtsrichter den Erlass eines Strafbefehls gegen eine Aktivistin der "Letzten Generation" abgelehnt: Schließlich sei jede politische Demonstration lästig, aber für den demokratischen Rechtsstaat unerlässlich.
Außerdem ging aus seinem Beschluss hervor, dass auch er das Anliegen der Initiative für wissenschaftlich unbestreitbar dringlich hält. Eine Sitzblockade sei außerdem keine verwerfliche Handlung, der Tatbestand der Nötigung somit nicht erfüllt.
Die Staatsanwaltschaft Behörde legte dagegen Beschwerde beim Landgericht ein. Der Fall wurde daraufhin an das Amtsgericht zurückverwiesen – jedoch an einen anderen Richter. Nur so sei eine unvoreingenommene Verhandlung zu erwarten, hieß es damals zur Begründung.
Abwägung zwischen Grundrechten
Die sogenannte Verwerflichkeitsprüfung ist in solchen Fällen – beim Vorwurf der Nötigung gemäß § 240 StGB – vorgesehen, da zwischen verschiedenen Grundrechten abgewogen werden muss.
Das führte auch schon am Amtsgericht Freiburg dazu, dass zwei Richter bezüglich derselben Blockade zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Beide Urteile wurden vor fast genau einem Jahr an die juristischen Datenbanken übermittelt: einmal Freispruch, einmal Geldstrafe.
In Berlin gab es in anderen Fällen Teilfreisprüche, weil zwar der Vorwurf der Nötigung nicht als erfüllt galt, das Gericht aber einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz feststellte.
Haftstrafen ohne Bewährung in Heilbronn
Mehrmonatige Haftstrafen ohne Bewährung gegen mutmaßlich "unbelehrbare" Klimabewegte verhängte dagegen im Oktober das Amtsgericht Heilbronn.
Eine Rolle spielt bei der Strafzumessung unter anderem, ob es sich um Wiederholungstaten handelt und ob – wie in einigen Fällen ausdrücklich geschehen –, vor Gericht weitere Aktionen gleicher Art angekündigt wurden.
Die "Letzte Generation" ist außerdem mit zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen der Lufthansa-Tochter Eurowings in Höhe von 740.000 Euro konfrontiert, da sie 2022 und 2023 auch an Flughäfen Aktionen des zivilen Ungehorsams durchgeführt und damit den Luftverkehr beeinträchtigt hat.