Klimakonferenz in Aserbaidschan: COP der großen Worte?
Seit Montag tagt die Weltklimakonferenz. Im Hinterzimmer herrscht Streit. Es geht um Geld, Macht und Einfluss. Eine Analyse.
Seit dieser Woche tagt in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku die 29. Auflage der "Conference of the Parties". Dem breiten Publikum ist diese Veranstaltung unter dem Begriff "Weltklimakonferenz" vertraut.
Im Kern geht es bei der Konferenz der Vertragsparteien, um völkerrechtlich bindende Kontrakte zum Schutz von Flora und Fauna, der Gattung Mensch und dem Planeten Erde vor den katastrophalen Auswirkungen des industriellen Anthropozäns. Doch, obwohl die Aufgaben zeitlich drängend und gewaltig erscheinen, herrscht in keinster Weise traute Einigkeit.
Zeit für Gegenmaßnahmen gekommen
Der Gesellschaft wird selbst nach Außen hin der Eindruck aufgedrängt, dass manchen Vertretern weniger um das Wohlergehen des Planeten, als um ihre eigenen Pfründe und die ökonomische Rentabilität ihrer Nationalökonomie geht. Weite Teile des globalen Süden brauchen dringende Milliarden-Investitionen – doch die verantwortlichen, westlichen Industriestaaten markieren den Sparzwang.
Gerade in der letzten Woche gab es zwei Gründe, die aufhorchen ließen. In Spanien herrschte nach ZDF-Informationen das Dana-Phänomen. Es beschreibt – in dieser Sachlage ist sich die Fachwissenschaft einig – das Prozedere, dass der Klimawandel reguläre Herbstwetterlagen massiv verstärkt.
Nach dem Klimaforscher Roop Singh aus Den Haag wird die globale Schicksalsgemeinschaft weit öfter mit extremen Regenfällen und dem Anstieg des Meeresspiegels zu kämpfen haben. Der plausible Grund: "Die bis zu 1,3 Grad wärmere Atmosphäre kann bis zu neun Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen".
Zuletzt traf es nebe Spanien auch das karibische Kuba. Hurrikan Rafael traf auf das angeschlagene Stromnetz, der unter einer massiven US-Embargo leidenden sozialistischen Insel. Es folgte ein Blackout. Die Schulen und Universitäten pausierten, das öffentliche und soziale Leben wurde lahmgelegt. Durch den wenige Wochen vorher eingetroffenen Hurrikan Oskar starben acht Menschen.
Die Zeit zu wirksamen, politischen Gegenmaßnahmen scheint endgültig gekommen, doch wird der Ruf gehört?
COP des Friedens und der Solidarität?
Beginnen wir am Anfang: Das von Gastgeber Aserbaidschan ausgegebene Motto kann auf deren Hochglanz-Internetauftritt nachgelesen werden. Es lautet COP des Friedens sowie "In Solidarity for a Green World". Ausgerechnet in Aserbaidschan?
Zur Erinnerung: Die halbfeudale Autokratie wird seit der Tilgung der Sowjetunion von den Landkarten durch den Alijew-Clan regiert. Amnesty International berichtet von mannigfaltigen Verstößen gegen humanitäre und soziale Menschenrechte. Behinderung der Arbeit von Journalisten, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit oder geschlechtsspezifische Gewalt.
Und nicht zuletzt der Krieg gegen das Nachbarland Armenien 2023 – in trauter Verbindung mit der Türkei unter Erdogan. Es ging um den ewigen Zankapfel Berg-Karabach. Für das Klima nicht uninteressant ist zudem, dass Aserbaidschan und insbesondere der staatliche Energiekonzern SOCAR ein weltweites Schwergewicht auf dem Markt für Erdöl und Erdgas ist.
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Treppenwitz ist jedoch, dass nach den Sanktionen gegen Russland die EU vor ein Dilemma gestellt wurde. Man bezieht eifrig Gas aus der Turkrepublik – eingefädelt durch einen Staatsbesuch von Ursula von der Leyen in Baku – sollen es bis zu 18 Prozent des jährlichen Bedarfes sein. Vergessen, waren und sind die Sorgenfalten bei einem "Partner" wie Aserbaidschan.
Was zählen Werte, wenn die Industrie bezahlbare Energie braucht und man Russland "ruinieren" will?
COP-Killer: Greenwashing
Die im Westen aufgrund ihrer pro-palästinensischen Position in Ungnade gefallene Greta Thunberg kritisiert im Freitag die COP29 als ein Projekt zum "Greenwashing" dunkler, kapitalistischer Machenschaften. Zumindest für Aserbaidschan trifft dies zu: Der Konzern Socar bestreitet mit Öl- und Gasexporten nahezu 90 Prozent der Gesamtexportquote.
Es klingt also wie Hohn, wenn ausgerechnet Baku als Austragungsort delegiert wurde. Dies hat jedoch geopolitische Gründe: nach dem Turnus der UN ist die osteuropäische Staatengruppe als Ausrichter an der Reihe. Neben Aserbaidschan bewarb sich jedoch nur Bulgarien.
Gegen Bulgarien legte Russland sein entschiedenes Veto ein – man würde keinen EU-Staat als Ausrichter akzeptieren, hieß es aus Moskau.
Dank des Konsensprinzips blieb nur noch Baku. Doch, man kann es auch persönlich werden lassen: Das Gesicht der COP 29 – Elnur Soltanov, Geschäftsführer von COP29, stellvertretender Energieminister von Aserbaidschan und Mitglied des Aufsichtsrates von Socar, tappte in eine gestellte Falle eines investigativen Journalistenteams der BBC.
Gutgläubig verhandelte Soltanov mit einer fiktiven Investitionspartnerfirma über massive Investitionen in den Ausbau der Öl- und Gasproduktionsanlagen am Kaspischen Meer. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Aserbaidschan als Gastgeber in bester Tradition steht – die beiden vorangegangenen Veranstaltungen fanden in Petrodollarstaaten statt, nämlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Ägypten.
Zeit der leeren Worte ist vorbei
Das dominierende Thema der diesjährigen COP ist neben, dem Rückzug der argentinischen Delegation und der Ankündigung, dass Donald Trump als designierter US-Präsident aus den Pariser Klimaverträgen (1,5 Grad Ziel) aussteigen mag, die Finanzierungsgrundlage von Ausgleichszahlungen von Reparationen.
Es muss erwähnt werden, dass die meisten sachdienlichen Gespräche nicht auf dem Präsentierteller, sondern im Hinterzimmer stattfinden. Zum Anderen ist die aktuelle Konferenz mit 40.000 Teilnehmern deutlich kleiner als die vorhergehende mit bis zu 80.000 Teilnehmern und lässt diverse Staats- und Regierungsführer vermissen.
Olaf Scholz ist kein Teil des "Team Deutschland" auf der COP29, mit ihm fehlen dutzende Oberhäupter der westlichen Industriestaaten.
Aus einem anderen Grund fehlt der Staatschef von Papua Neuguinea, einem Inselstaat, welcher schon jetzt massiv unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden hat. Aus Protest gegen Untätigkeit und eine Zeit der leeren Worte, haben die Verantwortlichen in Papua-Neuguinea ihre Teilnahme politisch begründet abgesagt.
Auch um ein Zeichen zu setzen, dass die politisch einflusslosen, da wirtschaftlich schwachen Staaten, nicht länger das Feigenblatt einer Konferenz der großen Worte der imperialen Welt sein wollen. Hier zeigt sich, dass auch in Bezug auf die Klimaverhandlungen eine Weltordnung ins Rutschen gerät und die Angst der Klein- und Zwergstaaten gegenüber dem US-geführten Westen sich im Sinkflug befindet.
It's the economy, stupid
100 Milliarden wollten die großen, staatlichen Player an "Reparationen" in den Globalen Süden, welcher primär von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, transferieren. Erstmalig wurde diese Summe 2024 erreicht – nun droht neuer Ärger.
Die Gruppe der 45 am wenigsten entwickelten Staaten stellt nach Informationen der Zeit Ansprüche in ganz neuen Sphären. Eine Billion US-Dollar sei notwendig, um das Ruder noch herumzureißen. Im Grundsatz erkenne man dies auch im Westen an, nur sollen sich nun auch als "Entwicklungsstaaten" gelistete Tigerstaaten wie die Golfmonarchien oder Global Player wie China an der Tilgung beteiligen.
So viel sei verraten: da es sich bei den entstandenen Kosten volkswirtschaftlich um "externalisierte Kosten oder Faktoren" handelt, also Kosten, welche sich auf Dritte auswirken (nicht zwischen Produzent und Konsument entstehen), ist die Bereitschaft zur Begleichung der Verursacherstaaten und ihrer wirtschaftlichen Großkonzerne, denkbar gering.
Externe Kosten drücken Gewinn und Profit. So verwundert es nicht, dass fast 2000 Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen werden in Baku, um den Status Quo beizubehalten. Sie haben damit mehr Zugangspässe erhalten, als die zehn verwundbarsten Staaten der Welt. Politik ist eine Frage des ökonomischen Gewichts.