Klimakrise: "Der Bahnverkehr wird ein wichtiger Teil der Lösung"

Seite 2: "Europaweit sind über 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr"

Sowohl in den Einzelstaaten als auch auf europäischer Ebene, die das zulässt. Große Reden über den Green Deal und gleichzeitiges Wettbewerbsdogma passen nicht zusammen. Europaweit sind über 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr, die wichtig sind für den Schienengüterverkehr, der ökologischer ist, als der Transport auf der Straße. Dafür braucht es einen echten politischen Willen, der die Voraussetzungen schafft und für diese Förderungen setzen wir uns – auch auf europäischer Ebene - ein.

Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida hat den gemeinsamen, sozial-ökologischen Kampf bereits Wirklichkeit werden lassen und zusammen mit Fridays for Future demonstriert. Welche Erfahrungen wurden hier gemacht?

Olivia Janisch: Das war richtig gut. Es war - glaube ich - für beide Seiten richtig gut. Ein besseres Verstehen der jeweiligen Positionen und der gemeinsamen Handlungsfelder ergibt eine bessere Bündnisarbeit. Von uns als Gewerkschaft und als Betriebsrat lässt sich ganz gut lernen, dass Protest nur mit den Menschen geht und nicht gegen sie gemacht werden kann.

Auch wenn eine Aktion berechtigt ist, erreiche ich nichts, wenn ich Menschen vor den Kopf stoße. Dann ist es umso frustrierender. Als Gewerkschaft lernen wir dieses Auffrischen an Beharrlichkeit und wie wichtig es ist, den Fokus zu behalten. Wir haben zwar unterschiedliche Prioritäten, aber die sind gut vereinbar. Die Klimakrise ist eine soziale Frage und sie kann nur über ein Solidaritätsgefühl gelöst werden. Genau dieses Solidaritätsgefühl konnten wir im gemeinsamen Protest leben.

Solidarität ist so ein Wort, das schnell auf der Bühne gesagt wird, aber es heißt konkret, nur wenn man ein Verständnis füreinander hat, kann man sich ausmachen, wie man sich unterstützen kann. Das kann man nicht verordnen, das muss man erfahren. Als in Wien die Arbeiter und die jungen Aktivisten von den Fridays im Streikzug gemeinsam liefen, das war schon sehr erhebend.

Das sind ja Menschen die sich im normalen Leben normalerweise nie begegnen. Das ist sehr wichtig, weil es viele gemeinsame Interessen gibt und sich viele gemeinsame Kämpfe führen ließen, nur gelingt dies oftmals nicht, einfach weil man sich nie trifft. Also die Erfahrungen waren sehr gut und diese Zusammenarbeit wird sicherlich nicht einmalig bleiben.

Es ist sicher gut, gemeinsam ein Bewusstsein für die Gefahren des Klimawandels zu bilden. Dies kann mobilisieren, aber auch lähmen. Wie sind hier die Erfahrungen in der Gewerkschaft?

Olivia Janisch: Die Beschäftigten merken die Belastungen bereits am Arbeitsplatz. Wer dauernd unter freiem Himmel arbeitet, hat ein erhöhtes Hautkrebsrisiko. Das sind konkrete Zusammenhänge, die längst im Bewusstsein der Menschen sind. Nun werden wir als Gewerkschaft daran gemessen, was wir für die Mitglieder erreichen und da möchte ich auf die gemeinsame Anstrengung zurückkommen.

"Wir brauchen den Dialog und das wechselseitige Verständnis"

Wenn es in Österreich Menschen gibt, die auf den PKW angewiesen sind, dann kann ich die nicht verdammen. Wir brauchen den Dialog und das wechselseitige Verständnis für die jetzt nötigen Änderungen. Wenn es am Land kein regionales Sammeltaxi gibt, das die Menschen zum Zug bringt, weil die Gemeinde das nicht anbietet, dann muss eben im Privatauto gefahren werden. Hier hilft nur praktisches Verständnis und konsequent Schritt für Schritt etwas zu ändern.

Für viele Menschen sind die Änderungen in ihren Berufen jetzt bereits Bedrohungsszenarien und dadurch entsteht psychologischer Widerstand. Hier suchen wir als Gewerkschaft nach Lösungen, die die Menschen annehmen können. Die Arbeitsrealität lässt eben oft keinen längeren Weg von einer halben Stunde zu, auch wenn der ökologischer wäre. Mobilisieren können wir, wenn wir aufzeigen, wie diese Anforderungen miteinander bewältigt werden können.

Warum ist europäischer Bahnverkehr für die Kunden eigentlich so kompliziert? Es ist kaum möglich, eine Zugfahrkarte von Wien nach Lissabon zu buchen, einen Flug bekommt man leicht.

Olivia Janisch: Schienenverkehr ist historisch gewachsen. Die technischen Voraussetzungen sind verschieden und die sogenannte "Interoperabilität" ist leider kompliziert. Spurweite, Stromarten und solche Dinge sehen von außen einfacher zu kombinieren aus, als es dann praktisch ist. Nun kommt hinzu, und das kennen wir von Europa zu genüge, dass sich Unternehmen und Märkte immer gerne schützen wollen. Das tun sie durch eigene Systeme. Durch die politische Konstruktion der Europäischen Union wird dieser Schutz des eigenen Systems befördert.

Die Einschachtelungstendenz geht in Deutschland und Österreich dann bis in die einzelnen Bundesländer. Die Politik der Europäischen Kommission bedeutet auch, dass der Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten in den jeweiligen Ländern vorangetrieben wird. In jedem Teil wird geschaut, wie geht es kostengünstiger, aber es gibt keine gemeinsamen Rahmenbedingungen.

So ist das Mehr an Wettbewerb kontraproduktiv. Sicherlich lässt sich beim Ticketing vieles verbessern und vereinfachen. Wichtig ist aber auch, dass die Ausbildungs- und Sicherheitsstandards überall gleich hoch sind. Bei der Ausbildung ist Österreich vorbildlich und hat dafür eine eigene Verordnung. Diese Eisenbahn-Eignungs- und Prüfungsverordnung hat sich bewährt und ist ein weltweit beachtetes Beispiel für Wettbewerbsgleichheit und Sicherheit.

"Volle Kraft voraus und alle Kräfte bündeln!"

Da sollte die EU nachziehen und nicht versuchen, nach unten zu nivellieren oder diese sicherheitsrelevanten Standards als Gold Plating zu verunglimpfen.

Abschließend die große Frage: Die Bewältigung der Klimakrise oder Klimakatastrophe ist eine gigantische Aufgabe. Gibt es beim Blick auf Bahnverkehr mehr Grund für Optimismus, weil die entsprechenden Instrumente vorhanden sind, oder muss man angesichts der ganzen politischen Schwierigkeiten eher pessimistisch sein?

Olivia Janisch: Volle Kraft voraus und alle Kräfte bündeln! Zeit haben wir nur mehr wenig. Die politischen Bekenntnisse und weihevollen Reden habe ich ziemlich satt. Die Politik muss an ihren Taten gemessen werden. Hier müssen die politischen Fehlentwicklungen schonungslos aufgezeigt werden und gleichzeitig müssen wir genügend Miteinander entfalten.

Diejenigen die gerne Schnitzel essen, müssen mit denen die gerne Tofu essen, zusammenarbeiten - überspitzt formuliert. Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das bei den Tarifverhandlungen in Deutschland sehr gut gemacht. Es gibt viele positive Beispiele wie breite gesellschaftliche Bündnisse geschmiedet worden sind und da müssen wir jetzt unbedingt dranbleiben.

Nicht nur die Umwelt-NGO und Gewerkschaften, sondern auch – wenn es dem Ziel dient – die katholische Kirche einbinden. Wenn sich der Papst für den ökologischen Wandel einsetzt, dann freu ich mich, da bin ich pragmatisch. Die Aufgabe ist gigantisch und unterschiedliche Mittel und Werkzeuge müssen jetzt eingesetzt werden.

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