Klimaschutzklagen: Retten Gerichte jetzt die Welt?
Die Justiz muss immer öfter den Job der Politik machen, wenn es um den Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen geht. Entscheidend ist aber auch, dass es Klägerinnen und Kläger gibt
In Deutschland urteilt das Bundesverfassungsgericht: Die Bundesregierung muss ihr sogenanntes Klimaschutzgesetz nachbessern. Ein "historisches Urteil" jubeln die Umweltschützer.
In den Niederlanden verurteilt ein Gericht den Ölkonzern Shell dazu, bis 2030 seine klimaschädlichen Emissionen um 45 Prozent unter den Wert von 1990 zu reduzieren. Umweltverbände und tausende Einzelpersonen haben dieses Urteil erstritten. Auch sie jubeln: "Ein historisches Urteil".In Australien haben acht Teenager ihre Umweltministerin verklagt, da sie junge Menschen nicht ausreichend vor Klimakatastrophen schütze. Auch sie bekamen Recht und jubelten: "Ein historisches Urteil."
Das deutsche Bundesverwaltungsgericht hat soeben festgestellt, dass die Städte Hamburg, Kiel und Ludwigsburg "für bessere Luftqualität" sorgen müssen. Es gab damit einer Klage von Umweltverbänden statt. "Ein wichtiges Signal für die Luftreinheit", jubelt der BUND Hamburg Zu Recht. Schließlich sterben jedes Jahr weltweit circa sieben Millionen Menschen durch Luftverschmutzung.
Das fossile Geschäft wird schwieriger
"Schwarze Wochen für das schwarze Gold" überschrieb die Süddeutsche Zeitung am 27. Mai einen Artikel über diese Serie von Urteilssprüchen. Der Ölmulti Shell, der gegen das Urteil in den Niederlanden Berufung eingelegt hat, "argumentiert": "Wir selbst verbrennen doch gar kein Öl, das tun unsere Kunden." Ähnlich argumentieren die Autokonzerne, wenn sie wegen der Produktion von viel zu großen SUVs angegriffen werden: "Die Kunden wollen es ja so." Das ist freilich nicht ganz falsch.
Die Gerichte orientieren sich aber bei ihren Entscheidungen mehr und mehr an den Beschlüssen des Pariser Klimaschutzabkommens, das die Regierungen unterschrieben haben. Mehr und mehr hängen sich Autokonzerne ("Wir bauen doch jetzt E-Autos") und Ölmultis ("Wenn wir weniger fördern, dann fördern die Chinesen umso mehr") ein grünes Mäntelchen um. Doch Verantwortung für das Klima, das heißt für unsere Lebensgrundlagen übernehmen, geht aber anders.
Die Gerichte übernehmen mehr und mehr, was eigentlich der Job der Politik ist. Shell und andere fossile Multis wissen schon seit mehr als 50 Jahren, was sie mit ihrem Geschäft anstellen. Dies belegen Dokumente, auf deren Basis die Gerichte ihre Urteile fällen. Doch Gier und Geld waren den Konzernen wichtiger als die Gesundheit von Mensch und Tieren. Die fossilen Konzerne haben hunderte Millionen Dollar bezahlt, damit Klimawandel-Leugner auf der ganzen Welt die schreckliche Wahrheit über die globale Klimaerhitzung leugnen und verschleiern konnten.
Das australische Gericht in Melbourne stellte fest, dass die Regierung ihre Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern und schwächeren Personen verletzt habe. Diese Pflicht besage, dass künftige Generationen schon durch heutige politische Entscheidungen geschützt werden müssen. Erstmals hat auch im Kohle-Exportland Australien ein Gericht eine solch aufsehenerregende Entscheidung getroffen. Bisher zumindest hat die konservative australische Regierung am Kohleexport festgehalten.
In der Urteilsbegründung heißt es: "Vielleicht der verstörendste Aspekt daran ist, dass eine Million der heutigen Kinder Australiens mindestens einen Hitzeschaden erleiden werden, der sie ins Krankenhaus bringen wird. Viele Tausende werden einen vorzeitigen Tod sterben durch Hitzestress oder Buschfeuerrauch. Es ist mit substanziellen wirtschaftlichen Verlusten und Eigentumsschaden zu rechnen. Das Great Barrier Reef und der Großteil von Australiens östlichen Eukalyptuswäldern wird nicht länger existieren durch wiederholte, schwere Buschfeuer".
Es ist ein Durchbruch, wenn der Zusammenhang von Umwelt- und Klimaschutz und Gesundheit endlich in den Mittelpunkt der weltweiten Klimadebatte gerückt wird. Wenn schon die Politik dieses Thema verschläft, dann wecken jetzt Gerichte auf Betreiben junger Klägerinnen und Kläger sowie von Umweltverbänden den Rest der Menschheit auf - vielleicht.