Klimastreik: Wer hat Angst vor der Energiewende?
Seite 2: Die Energiewende ist sozial und schafft Hunderte Millionen neue Jobs
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Diese Vorschläge wurden jedoch nicht nur von Regierung und Parlament übergangen, sondern auch von den Medien. Die Bürger:innen wissen daher gar nicht, dass es eine Alternative zur real existierenden fossilen Notstands-Politik gibt. Vielmehr wurden sie mit Angstnachrichten in den letzten Monaten in eine fossile Energiekrisen-Schockstarre versetzt. Vielleicht dämmert es einigen, dass die fossile Energiekrise schlicht nicht mit weiteren Fossilen, sondern am Ende nur mit Erneuerbaren gelöst werden kann.
Mittel- und langfristig betrachtet ist die fossile Energieversorgung ein Rezept für den gesellschaftlichen Zusammenbruch. Schon jetzt zeigt sich: Die eskalierende Klimakrise erzeugt exponentiell steigende Schäden im Zuge der voranschreitenden Klima-Erhitzung, siehe die Mega-Dürren und Überschwemmungen wie in Indien und Pakistan dieses Jahr, siehe Stürme und Verlust an landwirtschaftlicher Fläche oder siehe die Hitzewellen und Waldbrände auch in den reichen Industriestaaten, von den Gesundheitskosten, die die Gesellschaften belasten, einmal abgesehen.
Die Folgen des fossilen Energiesystems und der weiter steigenden Treibhausgase kosten die Weltwirtschaft schon jetzt jedes Jahr, moderat gerechnet, 1,2 Billionen US-Dollar (1,6 Prozent des BIP). Allein ein sich erwärmender Arktischer Ozean könnte einer Studie zufolge im Laufe des Jahrhunderts Wirtschaftsschäden von bis zu 90 Billionen US-Dollar erzeugen. Da vor allem die Länder im Globalen Süden unter den Klimaschäden leiden, braucht es dafür natürlich eine Kompensation von den reichen Verursacherstaaten im Norden.
Daher ist die Forderung der Klimastreikenden, ein staatliches Sondervermögen für Klimaschutz in Höhe von hundert Milliarden Euro in Deutschland einzurichten, auch zur Unterstützung von Entwicklungsländern, vollkommen richtig. Was für die Bundeswehr geht, sollte doch auch für die Rettung des Planeten möglich sein, argumentieren Klimaschützer:innen, unterstützt von Klimaforscher:innen weltweit. Doch Bundeswirtschaftsminister Christian Lindner von der FDP steht wie ein Fels in der Brandung auf der Schuldenbremse.
Zugleich zeigt der renommierte Klimaökonom aus den USA Robert Pollin, dass die globale Energiewende ein Gewinn für alle darstellen würde. Nur fünf Prozent des BIP an Investitionen wären notwendig, die im Gegenzug jährlich 160 Millionen nachhaltige und krisensichere Arbeitsplätze schaffen.
Ja sicherlich, die, die noch in der fossilen Brennstoffindustrie arbeiten, müssen mitgenommen und unterstützt werden, betont der US-Ökonom. Für sie braucht es Einkommenssicherungen und Umschulungen sowie Renten-Garantien. Nach Pollins Erhebungen würden die Kosten dafür aber nur eine Milliarde Dollar im Jahr bis 2030 in den USA bedeuten, also ein Hundertstel von einem Prozent des US-Wirtschaftsvolumens. In anderen Ländern ist die Summe dafür ähnlich hoch.
Überall in deutschen Städten wird heute gefordert: konsequenter Ausstieg aus Kohle, Gas, Öl und Atomkraft, eine grundlegende Verkehrswende und Entlastung der Menschen mit niedrigem Einkommen in der Energiekrise, indem ihnen die eingesparten Subventionen für fossile Energien zufließen. Dafür braucht es ein Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD), der sich im Wahlkampf ja als Klimakanzler präsentierte, jetzt aber beim Thema komplett ausfällt. Wer seine Anti-Klimabilanz als Oberbürgermeister von Hamburg kennt, sollte davon nicht allzu sehr überrascht sein.
Dabei ist die Bevölkerung bereit für den Umstieg auf Erneuerbare. So zeigt eine aktuelle Umfrage der Förderbank KfW zum Beispiel, dass viele Menschen in Deutschland sehr besorgt sind angesichts der Folgen der immer spürbareren Erderhitzung. Sie wollen wie schon in früheren Befragungen artikuliert, dass stärker in Solar- sowie Windenergie, Wärmepumpen und Elektroautos investiert wird. Aber sie fordern auch faire Anreize und Ausgleichsmechanismen.
Neun von zehn Bundesbürger:innen finden laut Umfrage den Umbau auf Erneuerbare Energien wichtig bis sehr wichtig. Sie wollen durch Energiesparen und Installation von zum Beispiel Solarpanelen daran auch aktiv teilnehmen.
Ein Hauptgrund für die hohe Zustimmungsrate ist, dass viele immer deutlicher sehen, wie die Erderhitzung zu verheerenden Extremwetterlagen wie Dürren, Hitzewellen, Waldbränden, Wirbelstürmen oder Überschwemmungen führt. So befürchten Zweidrittel der befragten Haushalte Beeinträchtigungen (siehe die Schäden im überschwemmten Ahrtal, die sich auf 30 Milliarden Euro für den Wiederaufbau belaufen) im Zuge der weiter voranschreitenden Klimakrise.
Die KfW-Umfrage wurde im Dezember 2021/Januar 2022 durchgeführt. Angesichts der weltweiten Wetterextreme in diesem Sommer, insbesondere auch in Europa und Deutschland, siehe den ausgetrockneten Rhein, dürfte die Zustimmung zur Energiewende und den Wechsel auf Erneuerbare Energien im Moment sogar noch höher liegen.
Angst und Alternativlosigkeit – vor allem, wenn sie kontrafaktisch verbreitet werden – hemmen eine Gesellschaft und führen zu falschen Weichenstellungen, die am Ende fatal sind. Daher sollten heute nicht nur Schüler:innen und Student:innen auf der Straße sein, um für "Klima und Gerechtigkeit" sowie "Erneuerbare statt Fracking, Kohle und Atom" zu protestieren. Die Frage ist, ob wir es unseren Kindern überlassen wollen, die Regierungen dazu zu bringen, die Welt zu retten und nachhaltige soziale Gerechtigkeit damit zu sichern.
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