Klimawandel in Extrem: 2023 heißestes Jahr aller Zeiten
2023 als wärmstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Überdurchschnittstemperatur der Meere, Meereis schwindet. Beschleunigte Veränderungen haben Folgen.
Klimawissenschaftler und Meteorologen blicken auf ein weiteres Rekordjahr zurück. 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, was sich, wie berichtet, auch in den Ozeanen bemerkbar macht.
Bereits seit März liegt die mittlere Oberflächentemperatur der Meere zwischen 60 Grad Nord und 60 Grad Süd weit oberhalb nicht nur des Mittelwertes der Jahre 1982 bis 2011, sondern auch kontinuierlich und sehr deutlich über allen je an den jeweiligen Tagen gemessenen Temperaturen.
Das ergibt sich aus den vielen Zehntausend täglich für die Wettervorhersage gemessenen und aufbereiteten Daten, die hier verfolgt werden können.
Nie zuvor erlebtes Tempo
Der Klimawandel ist inzwischen überall auf dem Planeten zu spüren, wobei Arktis und Antarktis sich besonders schnell erwärmen. Die WMO, die Weltorganisation für Meteorologie, in der die nationalen Wetterdienste zusammenarbeiten, sprach Anfang Dezember davon, dass das Tempo des Klimawandels in alarmierender Weise zugenommen habe.
Unter anderem würden Gebirgsgletscher und die Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis in nie zuvor erlebtem Tempo schrumpfen. Auch das Meereis wird im Sommer immer weniger.
Auf dem nördlichen Polarmeer waren in diesem Jahr die Routen entlang der Küsten mal wieder nahezu eisfrei, sodass Schiffe vom Nordatlantik den Pazifik erreichen können. Ein Ereignis, das noch in den 1980er- und 1990er-Jahren vollkommen undenkbar war.
Auch auf dem Meer rund um die Antarktis schwindet das Eis. Vor einigen Jahren war das noch deutlich anders, aber inzwischen zieht sich das Meereis im äußersten Süden in den dortigen Sommermonaten immer weiter zurück.
Überdies wurde dort im September, zum Ende des zurückliegenden Südwinters, auch das kleinste seit dem Beginn der Satellitenmessung 1979 registrierte jährliche Maximum festgestellt. Es fiel um 1,75 Millionen Quadratkilometer kleiner als der Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 aus und war eine gute Million Quadratkilometer kleiner als der bisherige Minus-Rekord.
Meereis sehr frühzeitig verschwunden
Im August hatten wir hier auf Telepolis berichtet, dass das frühzeitige Verschwinden des Meereises für die großen Populationen von Kaiserpinguinen eine große Gefahr darstellt.
Für die Aufzucht ihres Nachwuchses sind sie auf stabile Eisbedingungen bis in den antarktischen Sommer hinein angewiesen, da die Jungpinguine vor Dezember kein wasserfestes Gefieder haben.
In einem großen Gebiet auf der Westseite der antarktischen Halbinsel war im Oktober-November 2022 das Meereis sehr frühzeitig verschwunden, sodass sich die Brutplätze der dortigen Pinguin-Kolonien auflösten. Es wird davon ausgegangen, dass in vier von fünf dortigen Kolonien die Küken größtenteils erfroren sind.
Der zunehmende Eisverlust hat aber auch viel weitreichendere Folgen. Abtauen bedeutet, dass der Salzgehalt des dortigen Meerwassers abnimmt, denn im Eis ist reines Süßwasser. Wenn das Eis schmilzt, wird also das Meerwasser verdünnt. Dadurch nimmt die Dichte des Wassers ab und es bleibt eher an der Oberfläche.
Der untermeerische Wasserfall
Das führt inzwischen dazu, dass jener untermeerische Wasserfall, der am Rand des antarktischen Kontinents in die Tiefsee abtaucht, schwächer wird, wie ein britisch-australisch-neuseeländisches Forschungsteam herausgefunden hat. (Hier geht es zu ihrer Studie im Fachblatt Nature Climate Change.)
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind besorgt, weil dieser Rückgang einige Jahrzehnte früher als erwartet kommt und mit globalen Auswirkungen zu rechnen sei. Zum einen ist die abtauchende Strömung Teil eines alle Weltmeere umspannenden Strömungssystem.
Eine Abschwächung vor den Küsten der Antarktis bedeutet, dass weniger Wasser in der Tiefe nach Norden strömt. Dadurch werden sich an anderen Stellen aufwärts gerichtete Strömungen abschwächen, die wegen ihres Nährstoffreichtums wichtig für die Fischerei sind.
Der Golfstrom
Letztlich sind Auswirkungen bis in den Nordatlantik denkbar, wo uns in Westeuropa bisher der Golfstrom mit für die geografischen Breiten ungewöhnlich mildem Klima versorgt.
Auch diese Strömung scheint sich inzwischen abzuschwächen, wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung im Juli 2023 auf Spektrum.de erläutert.
Zum anderen hat die Umwälzung der Ozeane auch für das globale Klima eine wichtige Rolle. Im kalten Wasser der Polarmeere wird besonders viel CO2 aus der Luft gebunden. Je stärker die abtauchenden Strömungen dort sind, desto mehr wird von diesem wichtigen Treibhausgas in die Tiefsee transportiert und dort dem Kohlenstoffkreislauf für Jahrtausende entzogen.
Schwächen sich diese abtauchenden Strömungen hingegen ab, steigt die CO2-Sättigung des Oberflächenwassers, das entsprechend weniger CO2 aus der Luft aufnehmen kann.
Oder mit anderen Worten: Die Tiefenwasserbildung vor den Küsten der Antarktis gehört zu den Achillesfersen des Klimasystems, zu den Kipppunkten, an denen Kaskaden von positiven Wechselwirkungen, also sich selbst verstärkenden Rückkoppelungen angestoßen werden können.
Mehr als verständlich also, dass sich viele Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zunehmend Sorgen machen.