Meereis im Klimawandel: Neuer Negativ-Rekord am Südpol

Kieselalgen im Inneren des antarktischen Meereises. Foto: Prof. Gordon T. Taylor, Stony Brook University / CC0 1.0

Bilanz des Arktischen Sommers: Bislang galt die rückläufige Meereis-Bedeckung am Nordpol als bedrohlich. Was gerade hinzukommt.

Was der Eisbär am Nordpol ist, sind die Pinguine auf der Gegenseite: Symboltiere für die verheerenden Folgen des Klimawandels. Anfang des Jahres beobachteten Forschende ein Massensterben in Brutstätten für Kaiserpinguine in der Westantarktis.

Eine in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie konnte nun die Todesursache klären: Demnach sind alle Küken der Pinguine in vier der fünf beobachteten Brutstätten in einem Randmeer der Antarktis gestorben, weil das Eis, auf dem sie geboren wurden, zu dünn war.

Frisch geschlüpft, sind Kaiserpinguin-Babys noch nicht in der Lage, um im eiskalten Meerwasser zu überleben, erst nach einigen Wochen entwickeln sich ihre wasserdichten Federn. Die Eisschollen waren im vergangenen antarktischen Sommer in den untersuchten Gebieten so dünn und instabil war, dass die Jungtiere ins Wasser geplumpst und erfroren sind.

Das ist seit vielen tausend Jahren ein sich immer wiederholende Kreislauf: Am Nordpol scheint im deutschen Sommer 24 Stunden lang die Sonne, viel Energie trifft auf den arktischen Ozean – das Meereis, das hier schwimmt, taut langsam ab. Am Südpol dagegen geht die Sonne dann gar nicht mehr auf, es ist 24 Stunden dunkel und bitterkalt, der Ozean friert dort dann wieder zu.

Jahrtausendealtes Wechselspiel aus dem Gleichgewicht

Im September ändert sich das mit dem Höhepunkt des arktischen Sommers, der in diesen Tagen unmittelbar bevorsteht: Der Zug der Sonne ändert sich dann so, dass es im Winter am Nordpol 24 Stunden dunkel ist und das Eis am Südpol wieder schmilzt.

Allerdings ist dieses jahrtausendealte Wechselspiel zwischen Tauen und Schmelzen durch den Klimawandel gehörig durcheinander geraten: Neuen Untersuchungen zufolge hat der menschengemachte Treibhauseffekt die Arktis in den vergangenen 50 Jahren fast viermal so stark erwärmt wie die Welt im globalen Durchschnitt, wie Forscher:innen aus Norwegen und Finnland belegen.

Sie werteten Temperatur-Datensätze aus, nach denen sich die Arktis in den letzten vier Jahrzehnten durchschnittlich jeweils um 0,75 Grad erwärmte, seit 1980 also insgesamt ein Plus von drei Grad.

Ein Grund für die überdurchschnittliche Erhitzung ist der so genannte Albedo-Effekt: Wie ein Spiegel reflektiert die helle Eisoberfläche Sonnenlicht – und damit auch die Strahlungsenergie. Dort aber, wo das Eis wegtaut, kommt die dunklere Wasseroberfläche zum Vorschein.

Diese absorbiert die Strahlungsenergie stärker, sie dringt in den Ozean ein. Sehr helles Eis weist einen Albedo-Wert von 0,9 auf; es werden also 90 Prozent Strahlungsenergie ins Weltall zurückgestrahlt. Wasser besitzt dagegen nur einen Albedo-Wert von unter 0,1. Bedeutet: Mehr als 90 Prozent der einstrahlenden Energie gehen lokal ins Meerwasser.

Das setzt einen Teufelskreis in Gang: Je wärmer das Wasser wird, umso mehr Eis taut. Dadurch gelangt mehr Strahlungsenergie in den arktischen Ozean, was das Wasser weiter anheizt und noch mehr Meereis schmelzen lässt. Was wiederum die Schmelze beschleunigt: Waren Anfang der 90er Jahre am Nordpol in der zweiten September-Hälfte noch mehr als 7,5 Millionen Quadratkilometer mit Eis bedeckt, so sank diese Fläche 2012 auf gerade noch 3,4 Millionen, der bisherige Negativ-Rekord.

In diesem Jahr ist am Nordpol zwar kein neuer Rekord zu erwarten. Laut den Daten des US-National Snow and Ice Data Center sank die mit schwimmendem Eis bedeckte Fläche aber unter die 4,3 Millionen Quadratkilometer-Marke. Damit werden die Werte von 2021 und 2022 deutlich unterschritten, sie kratz an den Messwerten von 2020, wo es auch unter die 4-Millionen-Marke. Die Ausdehnung des arktischen Meereises zum Höhepunkt des Sommers könnte 2023 so nach 2020 und 2012 die drittgeringste Ausdehnung am Nordpol erreichen seit Messbeginn.

Der Trend scheint eindeutig: Eine Studie der Universität Cambridge kam zu dem Ergebnis, dass der Nordpol bereits Mitte der 2030er-Jahre im Sommer eisfrei sein könnte. Andere Arbeiten hatten dies erst für die 2050er-Jahre prognostiziert. Unstrittig ist: Wird die Klimaerhitzung auf global durchschnittlich 1,5 Grad begrenzt, ist ein zeitweise eisfreier Nordpol rund alle 40 Jahre zu erwarten. Bei 2 Grad mehr wird das jedoch schon alle drei bis fünf Jahre der Fall sein.

Während die Forscher am Nordpol schon lange Alarm schlagen, galt der Eisbildungsprozess in der Antarktis lange Zeit als stabil. Doch in diesem Jahr scheint am Südpol alles anders. Das ging schon mit dem Ende des antarktischen Sommers 2023 (in unserem Winter) und dem Sterben des Kaiserpinguin-Nachwuchses los: Nie war mehr Eis rund um die Antarktis geschmolzen, im Februar waren lediglich noch 1,8 Millionen Quadratkilometer eisbedeckt, ein Zehntel der über die Jahre 1981 bis 2010 gemittelten Messwerte zu dieser Jahreszeit.

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