Meereis im Klimawandel: Neuer Negativ-Rekord am Südpol

Seite 2: Eisbildungsprozess regelrecht zusammengebrochen

Und während die Messdaten in den Folgemonaten eigentlich einen kräftigen Anstieg hätten hinlegen müssen, fehlen aktuelle zu normalen Jahren mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer schwimmendes Eis. Der winterliche Eisbildungsprozess am Südpol ist in diesem Jahr regelrecht zusammengebrochen: Aktuell sind mehr als eine Million Quadratkilometer weniger eisbedeckt als im bisherigen Rekord-Minusjahr 2022.

"Was wir derzeit in der Antarktis sehen, wäre ohne den Klimawandel nur einmal in fünf Millionen Jahren denkbar", sagt Olaf Eisen, Professor für Glaziologie am Alfred-Wegener-Institut AWI: "Aber er wirkt nun einmal bereits jetzt." Noch sei nicht genau verstanden, warum das Meereis am Südpol Mühe habe, auf den gleichen Stand wie in den früheren Jahren zu kommen. "Sicherlich spielt der wärmere Ozean eine Rolle", so der Glaziologe.

Tatsächlich erreichten die Ozeane in diesem Jahr mit durchschnittlich 21,1 Grad einen neuen Temperatur-Rekord, wie Messdaten der Universität Maine zeigen. "Der Klimawandel verursacht die klassische Ozeanerwärmung. Es wird nicht nur an Land immer wärmer, sondern natürlich auch im Wasser", so Christian Wild, seit 2010 Professor für Marine Ökologie an der Universität Bremen.

"In diesem Jahr kommen zwei Sondereffekte dazu: 2022 ist ein Unterwasservulkan ausgebrochen, wodurch den Meeren zusätzlich Wärmeenergie zugeführt wurde. Und im Juni begann das Wetterphänomen El Niño." Dieses führe am Anfang zu einer starken Erwärmung der oberen Wasserschichten im Pazifik in Tropennähe entlang der mittel- und südamerikanischen Küste.

Warum uns die zurückgehenden Eismassen an Nord- und Südpol interessieren sollten? Zunächst: Weil sie unser Wetter bestimmen – über den Jetstream, einen Höhenwind, der Hoch- und Tiefdruckgebiete von West nach Ost über die Nord- beziehungsweise ein anderer über die Südhalbkugel bläst.

Angetrieben wird diese Winde von der Temperaturdifferenz der Pole zu den Tropen. Weil es am Nordpol aber immer wärmer wird, verliert dieser Jetstream seine Kraft und bewegt sich nicht mehr in den gewohnten Wellenbewegungen über die Nordhalbkugel. Meteorologen schreiben die Trockenheit im Frühjahr 2018, die Hitze im Sommer 2019 und das Hochwasser an Ahr und Erft 2021 dem lahmenden Jetstream zu.

Zweitens leben unter dem Meereis zahlreiche Arten, die direkt vom Eis abhängen, verschiedene Einzeller, Schnecken, kleine Krebse oder die Larven des Krills: Diese garnelenförmigen Krebstierchen sind unerlässlich für das Nahrungsnetz der Ozeane. Weniger Eis bedeutet weniger Krill, bedeutet weniger Nahrung für andere Organismen.

Die Antarktische Umwälzzirkulation schwächelt

Die Organisation "SOS Rescate Fauna Marina" betrauerte im Juli in sozialen Medien geschätzt mehr als 5.000 verendete Magellan-Pinguine, die an die Küste in Uruguay angespült worden waren. Die Tiere hätten wegen Fischmangels im Meer nicht genug Nahrung gehabt und seien wegen fehlender Fettreserven gestorben.

Drittens treibt der jährliche Zyklus von Schmelzen und Gefrieren wichtige Meeresströmungen an und versorgt so die Ökosysteme der Ozeane auf der ganzen Welt mit Nährstoffen und Energie – im Norden ist es etwa der Golfstrom, im Süden die Antarktische Umwälzzirkulation.

Eine Studie der University of Southampton legt nahe, dass die Antarktische Umwälzzirkulation bereits jetzt schwächelt, bis Mitte des Jahrhunderts könnte sie 40 Prozent ihrer Kraft einbüßen. Solche Warnungen gibt es auch für den Golfstrom, der wie ein Wärmeband Europa mit Energie versorgt.

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