Klingende Architekturmodelle

Kiste mit Schaumlöffeln und Laustprechern

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Die niederländische Stiftung Venture sammelt seit rund zehn Jahre architektonische Modelle, die sie 3D-Manuskripte nennt: das Format einer niederländischen Versandbox ist vorgegeben (44 x 32 x 7 cm), die äußere und innere Gestaltung völlig frei. Alle zwei bis drei Jahre wird ein neues Thema angeregt, ein Kurator bestellt und aus dem dann Gesammelten eine Ausstellung aufgebaut, die für einige Jahre am Platz der Stiftung in Amsterdam - mit der schönen Adresse 'Tussen de Bogen 42' - zu sehen ist.

Bisherige Themen waren "Die Stadtbücherei der Sinne" (1995), "Das Geschriebene gegen das Konstruierte" (1997), "Farbe und Raum" (1998) und "Zeit und Dualität" (1999/2000). Parallel zur letzten Aufgabe entwickelte sich eine eigene Gruppe mit dem Doppeltitel "Akustische Architekur - Architektonische Akustik", die die Arbeit von 14 KünstlerInnen, ArchitektInnen und DesignerInnen versammelt.

Künstlers Paul Panhuysen

Als er 1936 seine erste Platte aufnahm, setzte sich der Bluesgitarrist und -sänger Robert Johnson in die Ecke des Hotelzimmers und spielte gegen die Wand; so war die Raumakustik für das hinter ihm stehende Aufnahmegerät besser. Mit dieser Geschichte - die sich bequem um Dutzende Beispiele aus früheren und späteren Tagen erweitern ließe - beginnt der Text der CD-ROM zu diesem Projekt; er ist auch auf dem Faltkarton abgedruckt, in dem sich der Datentonträger befindet.

Wahrscheinlich ist diese Episode dem Kurator Frans Bevers erst nach Eingang der 3D-Manuskripte eingefallen, denn die Objekte sind von bemerkenswerter Simplizität und oft nur mit einem Minimum an Technik ausgestattet. Für das ganze Ensemble symptomatisch ist die hölzerne Kiste des Künstlers Paul Panhuysen: Sie wird an der Schmalseite aufgeklappt und enthält acht billige Schaumlöffel aus der Haushaltswarenabteilung eines Supermarkts, die mit dünnen Drähten untereinander und an Piëzo-Lautsprechern verbunden sind. Von einigen Solarzellen getrieben, verstärken diese Piëzos die Klappergeräusche der Objekte und ihrer Resonanz auf den Holzwänden. Andere Objekte können ihre Herkunft aus dem Design nicht verleugnen und erstrahlen in matter Opazität beim Abspielen einer Bach'schen Invention - da wird der Zusammenhang zwischen Raum und Klang schon schwerer herstellbar.

Jan Hoogstad

Der Besuch einer Klangkunst-Architektur-Ausstellung ist nicht immer leicht: Die Objekte müssen zum Klingen gebracht werden, die Umgebung muss relativ ruhig sein, die anderen Objekte dürfen sich nur bedingt am gesamten Klang-Umfeld beteiligen. Oft genug sind solche Kunstwerke auch nur vom Künstler zu spielen oder zerbrechen schnell an der mangelnden Sensibilität von AusstellungsbesucherInnen. Insofern ist eine CD-ROM, die die Arbeiten visuell und mit Klangbeispielen vorstellt, in jedem Fall sinnvoll. Diese hier ist obendrein hervorragend programmiert - das notwendige Quicktime 4 ist auch vorhanden - und gestalterisch wie vom Inhalt her absolut perfekt.

Neben dem Katalog der Objekte gibt es einen Salon mit Vorträgen und Diskussionen sowie Klangbeispielen der niederländischen Komponisten Dick Raaijmakers, Maarten Brandt und Victor Wentink zu besuchen, und ein weiterer Überblick demonstriert die ganze Geschichte des Unternehmens 'Vedute'. Da stört es auch nicht, dass die Homepage der Stiftung eher mager ausgefallen ist. Die CD-ROM entschädigt jedoch nicht nur durch ihre hohe Klangqualität, sondern auch der Faltkarton um sie herum ist alle Betrachtung wert. Ton Homburg und sein Büro OPERA sind nach dem Abgang von der Szene-Zeitschrift FRAME endgültig in den Olymp der niederländischen Design-Klassiker aufgestiegen und beweisen es mit diesem kleinen Karton einmal mehr.

Also: Alles in allem ein sehr erfreuliches Angebot auf einem kleinen Gebiet, dessen Bedeutung für Kunst, Musik, Design und Kultur noch längst nicht abgesteckt ist.

Acoustic Architecture - Architectural Acoustics, Booklet with CD-ROM, Vedute Amsterdam 2000, ISBN 90-76359-04-0