Kniefall am Ende des Regenbogens

Seite 2: Bildregie, Bandenwerbung und Torjubel

Wer das Spiel im Fernsehen sah, der staunte einmal mehr über Bildregie der Uefa, die krampfhaft versuchte, nicht nur den Flitzer während der ungarischen Nationalhymne sofort auszublenden, sondern überhaupt möglichst wenig Regenbogenfahnen im Stadion zu zeigen.

Da verschwand dann schon einmal ein Spieler beim Eckstoß, hinter dem es schön bunt glänzte, in einem kurzen Wimpernschlag vom Bildschirm. Natürlich trug Mannschaftskapitän Manuel Neuer an dem Abend wieder seine bunte Armbinde. Dieses textile Statement war zuvor von der Uefa überprüft und als unpolitisches Zeichen für Vielfalt genehmigt worden.

Das blieb nicht das einzige Zeichen. Nach seinem Tor rannte Leon Goretzka jubelnd in Richtung des Blocks der Ungarn-Fans und zeigte mit beiden Händen ein Herz - das Symbol für Liebe und gegen Hass. Wie genau er das meinte, verkündete er kurz nach dem Schlusspfiff ganz explizit auf Twitter: "Spread Love" und ein Regenbogenfahnen-Emoji.

Die Spieler sind in ihrer gelebten Realität der Vielfalt längst viel weiter als die Fußball-Funktionäre und der ritualisierten Wiederholung der Equal- oder Respect-Worthülsen der Uefa längst müde.

Street-Art-Sticker, München. Foto: A. Naica-Loebell

Wenn die Uefa und Viktor Orban gehofft hatten, damit sei die Sache nun erledigt, wurden sie gründlich enttäuscht. Die Kampagne für echte Weltoffenheit und Toleranz nahm weiter Fahrt auf.

Denn nun entschiedenen sich verschiedene Sponsoren in den EM-Stadien ihre Werbebande zu verändern und aller Welt während der Partien ständig hinter den Fußballern die Regenbogenfarben zeigen. Das verdeutlicht wie Volkswagen, booking.com oder Heineken die öffentliche Meinung einschätzen, denn natürlich geht es ihnen nur ums Geschäft.

Pinkwashing hin her, dazu musste sich die Uefa konkret positionieren und verkündete, sie unterstütze die "Botschaft der Toleranz und Gleichstellung" der Sponsoren, denn "Wir glauben fest an gleiche Rechte für alle, dazu gehört auch die Unterstützung der LGBTQI+-Community."

In Budapest wurden vor dem folgenden Achtelfinale-Spiel von internationalen Aktivisten ebenfalls Regenbogenfähnchen verteilt, die den Leuten dann allerdings im Stadion sofort wieder abgenommen wurden.

Allerdings konnte Orban nicht verhindern, dass die Regenbogenfarben vom Spielfeldrand leuchteten und der niederländische Kapitän Georginio Wijnaldum eine Armbinde mit der bunten Aufschrift "One Love" trug.

Ende der Toleranz

Mit Spannung wartete die interessierte Öffentlichkeit anschließend darauf, ob die hoch gelobten Bandenwerbung bei so viel Engagement und Unterstützung der Uefa für "Toleranz und Gleichstellung" auch bei den Viertelfinale-Spielen in Russland und Aserbaidschan laufen würde.

In Russland ist die LGBTI-Gemeinschaft starker Diskriminierung und zunehmender Kriminalisierung ausgesetzt, in Aserbaidschan wurden die einschlägigen Strafrechtsparagrafen zwar abgeschafft, weil Präsident Ilham Alijew sich der EU annähern will, aber im Alltag erfährt die queere Szene viel homophobe Gewalt und Ausgrenzung.

Es kam, wie es kommen musste: Die Uefa knickte ein und verbot die regenbogenfarbene Bandenwerbung für die Partien in Baku und St. Petersburg. Der Verband berief sich auf "lokale Gesetze", wobei es in Aserbaidschan überhaupt keine derartige rechtliche Bestimmung gibt. In Baku wurde dänischen Fans im Stadion sogar eine Regenbogenfahne von Ordnern abgenommen.

Es ist wie es ist. Sport und besonders der Fußball sind natürlich unpolitisch und die Uefa setzt sich für "EqualGame" ein, denn:

Es ist unabdingbar, dass die UEFA den Fußball für alle zugänglich macht und die Macht des Sports dafür nutzt, eine globale Führungsrolle im Kampf für soziale Gleichstellung einzunehmen.

Uefa