Kniefall vor Trump: Hat die Meinungsfreiheit in den USA ausgedient?
Zensur bei der Washington Post – kuschen Superreiche vor der Macht? Eine Fallstudie zur Karikatur von Medienfreiheit.
Was haben Mark Zuckerberg, Jeff Bezos, Sam Altman und Patrick Soon-Shiong gemeinsam? Klar, sie sind nicht Elon Musk, der vermutlich reichste Mensch auf Erden, dessen mittlerweile brachial anmutendes, offenes Durchsetzen – in den USA, aber auch in Deutschland - seiner massiven wirtschaftlichen, politischen und kulturell-ideologischen Interessen derzeit von transatlantisch-liberalen Seiten häufig moralisierend moniert wird.
Aber: Genau diese vier ebenfalls ultra-(einfluss-)reichen Männer, wie Musk Großprofiteure des globalen Digital-Kapitalismus – und witzigerweise eben nicht der Bad Boy Musk selbst – tauchen auf in der Skizze einer Karikatur der renommierten US-Cartoonistin Ann Telnaes.
Die kurze Geschichte dieser unveröffentlichten Zeichnung kann als eine Karikatur über Medienfreiheit selbst verstanden werden.
Die Zeichnerin erklärt auf Substack rückblickend: Auf ihrer Skizze zu einer Karikatur für die traditionsreiche Tageszeitung Washington Post seien am Fuße einer Trump-Statue vier Herren im Kniefall vor dem einstigen und kommenden POTUS (President of the United States) versinnbildlicht – sowie durch "Mickey Mouse" im Staube kriechend zudem der Kulturindustrie-Konzern Walt Disney samt angeschlossenem TV-Netzwerk ABC.
Bei den karikierten Personen handelt es sich um: Zuckerberg als Gründer, Eigentümer und Chef von Meta (Facebook, Whatsapp, Instagram, Threads etc.), Altman als Chef des KI-Konzerns AI, Soon-Shiong als Herausgeber der Los Angeles Times und, last but not least, um den Amazon-Gründer und heutigen geschäftsführende Vorstand des Amazon-Verwaltungsrates Bezos.
Dieser hatte, Ironie und Spoiler dieser Geschichte, 2013 sein Portfolio (oder eben sein Imperium) um die traditionsreiche Washington Post erweitert.
Unter der Überschrift: "Warum ich bei der Washington Post kündige – Ohne eine freie Presse kann die Demokratie nicht funktionieren" schreibt Ann Telnaes:
Ich arbeite seit 2008 als Karikaturistin für die Washington Post. Ich hatte redaktionelles Feedback und produktive Gespräche – und einige Meinungsverschiedenheiten – über Karikaturen, die ich zur Veröffentlichung eingereicht habe, aber in all dieser Zeit wurde noch nie eine Karikatur deswegen verhindert, weil ich mich entschieden hatte, meine Feder gegen jemanden oder etwas Bestimmtes zu richten. Bis jetzt.
Zeitenwende auch hier?
Laut der Zeichnerin ist das Ganze tatsächlich ein "Game Changer": Sie habe mit ihrer kritischen Karikatur aufspießen wollen, dass etliche Tech-Milliardäre sich bei Donald Trump anbiederten, um das Geschäftsklima für sich zu verbessern.
Man könnte auch sagen: Um Musk zu überholen, ohne ihn einzuholen. Und Zeitungs-Besitzer Bezos ist mittendrin, statt nur dabei.
Talnaes weiß natürlich, dass im Kapitalismus in der Regel (also: per gesetzlich gesichertem Eigentumstitel) das Lied dessen gespielt wird, dem der jeweilige Laden gehört. "Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird."
Allerdings ist die Zeichnerin idealistisch (oder eben moralisch integer) genug, auf eine öffentliche Aufgabe journalistischer Medien zu verweisen, wonach der Journalismus in demokratisch verfassten Gesellschaften dem Allgemeinwohl verpflichtet sei.
In Medien wie der Washington Post sollte also gerade nicht gelten: "Wes' Brot ich ess, des' Lied ich sing". Im Gegenteil: Medienfreiheit erweise sich vor allem darin, auf etwaige soziale Missstände hinweisen zu können – im Zweifelsfalle auch als "Nestbeschmutzerin".
Karikaturistin versus Redakteur
Nun habe sie erstmals der verantwortliche Redakteur der Post darin gehindert, diesen ihren "kritischen Job" zu erfüllen. Klar, dass der verantwortliche Redakteur David Shipley persönliche Vorwürfe zurückweist und darstellt, er habe lediglich Wiederholungen vermeiden wollen.
"Nicht jedes redaktionelle Urteil ist Ausdruck einer bösartigen Macht", hatte Shipley öffentlich erklärt. Er habe sich gegen die Karikatur entschieden, weil andere meinungsbetonte Formen dasselbe Thema aufgriffen.
Viel Lärm um nichts also? Karikierend ließe sich kurz bilanzieren: Elon Musk kann es vermutlich egal sein, wer unter ihm US-Präsident ist. Jeff Bezos vielleicht (doch oder noch) nicht.