Koalitionsparteien wollen mehr Steuergelder
Den Parteien laufen die Mitglieder davon und an den Wahlen nehmen immer weniger Bürger teil. Grund genug für SPD und CDU, für eine Erhöhung der Parteienfinanzierung einzutreten
Zu mehr "Sachlichkeit in der Diskussion um die Parteienfinanzierung" hat die Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier aufgefordert. So etwas sagen Politiker gerne dann, wenn die Gefahr besteht, dass unpopuläre Entscheidungen bevorstehen, deren Einbettung in andere, als die von den Politikern gewünschten gesellschaftspolitischen Zusammenhänge vermieden werden soll. So empfindet man es beispielsweise im mächtigen SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen als "unsachlich", wenn angesichts des von der CDU und SPD verlangten "Inflationsausgleichs" für die eigene Parteikasse auch über eine Erhöhung - sprich Inflationsausgleich für Sozialhilfe und ALG 2 -Empfänger - diskutiert wird (Kindheit und Jugend unter Hartz IV).
Die Parteienfinanzierung soll bitte schön nur im Zusammenhang mit dem Parteiengesetz und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1992 diskutiert werden. In diesem Urteil heißt es:
Das Gesamtvolumen solcher staatlicher Zuwendungen an eine Partei darf die Summe ihrer selbsterwirtschafteten Einnahmen (vgl. § 24 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und 8 PartG) nicht überschreiten ("relative Obergrenze").
b) Der Umfang der den Parteien in den Jahren 1989 bis 1992 aus öffentlichen Kassen zugeflossenen finanziellen Mittel muß, solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren, als hinreichend angesehen werden. Der sich aus diesen Zuwendungen als Mittelwert für ein Jahr ergebende Betrag bildet das Gesamtvolumen staatlicher Mittel, die den Parteien äußerstenfalls von Bund und Ländern insgesamt zugewendet werden dürfen ("absolute Obergrenze").
c) Der Erfolg, den eine Partei beim Wähler, den sie bei der Summe der Mitgliedsbeiträge sowie bei dem Umfang der von ihr eingeworbenen Spenden erzielt, muß zu einem jeweils ins Gewicht fallenden, im einzelnen allerdings vom Gesetzgeber zu bestimmenden Anteil in den Maßstab eingehen, nach dem die zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel an die Parteien verteilt werden.
Diskussionen etwa darüber, warum die SPD zu wenig Geld hat, warum ihr die Mitglieder gleich scharenweise weglaufen und vieler Orts kaum noch eine Basis vorhanden ist, sind nicht erwünscht und deshalb "unsachlich".
Eine "Anpassung" sprich Erhöhung der staatlichen Mittel an die Preisentwicklung kann nur durch eine Änderung des Parteiengesetzes geschehen. In den vergangenen fünf Jahren ist das allerdings nicht erfolgt. Die SPD wünscht nun eine Erhöhung der "absoluten Obergrenze" (zurzeit 133 Millionen Euro) an die Inflationsrate. Nach einem Bericht der Bild-Zeitung sei in einem internen Papier der Bundestagsfraktionen von Union und SPD die Rede von 153 Mio Euro, das wäre eine Erhöhung um 20 Mio. Euro.
An eine Änderung der Struktur der staatlichen Finanzierung hat niemand gedacht. Mitgliederentwicklung und Wahlzurückhaltung spielen für die Frage der Anpassung der staatlichen Mittel an die Preisentwicklung keine Rolle. Das hat der Vorstand der SPD nachdrücklich bestätigt.
Inge Wettig-Danielmeier
Es gäbe "noch keine konkrete Vereinbarung über den Umfang der Erhöhung der staatlichen Mittel für Parteien", so die noch amtierende SPD-Schatzmeisterin. Ihre Nachfolgerin Barbara Hendricks stellt einen Zusammenhang her, den es faktisch nicht gibt. Wenn immer weniger Bürger zur Wahl gingen, gäbe es für die Parteien auch immer weniger. Dieser Zusammenhang wird seitens der Bundestagsverwaltung - zuständig für die Auszahlung der Staatsgelder an die Parteien - jedoch nicht bestätigt. Vielmehr sorge das komplizierte Berechnungssystem dafür, dass auch bei einem weiteren Rückgang der Wahlbeteiligung die Steuerquelle für die Parteien sprudelt.
CDU-Generalsekretär Pofalla machte deutlich, dass auch die CDU gerne mehr hätte, schließlich habe es fünf Jahre lang keine Anpassung gegeben. Er schloss aber eine Erhöhung um 20 Millionen Euro "definitiv" aus. Die Erhöhung solle nur "moderat" sein.
Ein FDP-Sprecher geklärt gegenüber Telepolis bislang läge ihr noch "kein Vorschlag der Regierungsparteien vor". Folglich hätten sich die Parteigremien der FDP also auch noch nicht damit beschäftigen können. Klar sei, dass sich die FDP strikt an die Kriterien halten werde, die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 1992 vorgegeben worden sind. Bündnis 90/Die Grünen und auch die Links-Partei kritisierten das Vorhaben.
Großspenden aus Versicherungen und Industrie
Die Parteien erhalten einen bestimmten Betrag je Wählerstimme und einen Zuschuss aus Steuermitteln für die eingeworbenen Parteispenden. Aus Steuermitteln werden bisher insgesamt höchstens 133 Mio Euro pro Jahr ausgezahlt. Die Mittel der einzelnen Parteien berechnen sich wie folgt: 0,70 Euro für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene gültige Stimme (Zweitstimme) beziehungsweise jede für sie in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebene gültige Stimme, wenn in einem Land eine Liste für diese Partei nicht zugelassen war. Für die ersten 4 Millionen Stimmen erhöht sich der Wert auf 0,85 Euro. Weiterhin erhalten die Parteien 0,38 Euro für jeden Euro, den sie als Zuwendung (Mitglieds- oder Mandatsträgerbeiträge sowie rechtmäßig erlangte Spenden) erhalten haben. Dabei werden jedoch nur Zuwendungen bis zu 3.300 Euro je natürliche Person berücksichtigt.
CDU/CSU und FDP sowie mit einigem Abstand auch die SPD erhalten oftmals Großspenden. Einer Aufstellung der Bundestagsverwaltung zufolge erhielt die CSU im Mai 2007 330 000 Euro vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V. (VBM). Die CDU erhielt 100 000 und die FDP 75 000 vom Verband der Chemischen Industrie in Frankfurt am Main. CDU und SPD bekamen im März 2007 von der Daimler Chrysler AG je 150.000 Euro. Die CDU erhielt im Januar 2007 vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg 200.000 und die FDP 100.000 Euro. Die FDP erhielt im Oktober 2006 von der Deutschen Bank 200.000, die Commerzbank spendierte im November 2006 der CDU 100.000, der SPD 75.000 und der FDP 60.000 Euro.
Manchmal könnte man auf den Gedanken kommen, dass großzügige Spenden in direktem Zusammenhang mit politischem Wohlwollen stehen. So erhielt die CDU von der Firma Capital Lease GmbH, eine der weltgrößten Container-Leasingfirmen mit Sitz in Hamburg, am 5. Juni dieses Jahres eine Spende über 100.000 Euro. Der aus Sri Lanka stammende Firmeninhaber Ian K. Karan, der auch zahlreiche kulturelle und soziale Projekte in Hamburg unterstützt, erhielt am 28. Juni 07 aus der Hand des Hamburger Bürgermeisters Ole van Beust das Bundesverdienstkreuz.