Königsweg Inflation?
Aus der gigantischen Staatsverschuldung gibt es zwei Auswege - Inflation oder Rosskur. Welchen Weg wird die Politik gehen?
Im Zuge der Finanzkrise haben die Regierungen nahezu aller Staaten sehr tief in die Taschen gegriffen, um Finanzsystem und Realwirtschaft vor dem sicheren Kollaps zu retten. Heute sind die OECD-Staaten mit 43 Billionen US$ verschuldet, was fast dem Bruttoinlandsprodukt der gesamten Welt entspricht. Alleine die Eurozone hat 7,7 Billionen US$ Verbindlichkeiten und täglich werden es mehr. Das Staatsdefizit der Eurozonenländer hat sich seit 2007 versiebenfacht, alleine 2009 und 2010 werden die Staatsschulden um rund 1,3 Billionen Euro steigen – mehr als die Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Bevor man überhaupt damit anfangen kann, bestehende Schulden zurückzahlen, müsste man daher erst einmal die rasant steigenden Defizite abbauen, um die Schuldenspirale zu stoppen. Dies ist bei einer stagnierenden Konjunktur allerdings nur über die Kürzung von Staatsausgaben und der Erhöhung der Staatseinnahmen, also der Steuern möglich. Da der Staat jedoch nicht im luftleeren Raum operiert, haben derlei fiskalische Verschiebungen jedoch immer auch eine Auswirkung auf die Konjunktur.
Wenn es beispielsweise heißt, man müsse die Personalausgaben des Staats senken, bedeutet dies ganz konkret, dass zusätzliche Polizisten oder Lehrer nicht eingestellt werden und die Bezüge der Staatsbediensteten im besten Falle stagnieren. Ein Arbeitsloser, der Lehrer oder Polizist hätte werden können, kostet den Staat - und vor allem die Sozialkassen - allerdings ebenfalls Geld. Ein arbeitsloser Lehrer oder Polizist kauft sich auch kein Auto, geht seltener essen und wird sich auch keinen Handwerker leisten, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist.
Die meisten Ausgabenkürzungen haben somit eine negative Auswirkung auf die Konjunktur. Kriegt der Bauer weniger Subventionen, schiebt er Investitionen vor sich hin, investiert der Staat weniger in Bildung, Straßenbau oder die Kinderbetreuung, wirkt sich dies negativ auf die Ergebnisse und somit schlussendlich auch auf die Beschäftigungslage und die Investitionen bei Bildungsträgern, Bauunternehmen oder Erziehungsstätten aus. Die negativen Folgen sind dabei nicht auf den direkten Sektor beschränkt, sie betreffen direkt und indirekt alle Sektoren und sind räumlich nicht begrenzt, sondern international. Kürzen die USA die Staatsausgaben, wirkt sich dies letztlich – wenn auch in geringem Umfang – bis zum Handwerker in der oberbayerischen Provinz aus.
Wollen wir uns totsparen?
Eine Ausgabenkürzung bewirkt auch immer eine Schwächung der Einnahmeseite in der Zukunft. Weniger Gewinne bedeuten weniger Gewerbe- und Einkommenssteuern, geringere Gehälter und eine höhere Arbeitslosenzahl reduzieren die direkten und auch die indirekten Steuereinnahmen. Dies setzt sich sogar bis auf die Ausgabenseite fort – die Steuerzuschüsse für die Sozialsysteme müssen steigen, da die Einnahmen an die Erwerbseinkommen gekoppelt sind. Vollkommen unabhängig von der Staatsverschuldung sorgt ein "Sparen" somit vor allem dafür, dass die Wirtschaftsentwicklung abgewürgt wird und die fiskalische Situation sich nicht etwa verbessert, sondern verschlechtert. Im schlimmsten Falle bedeutet dies den Einstieg in eine Abwärtsspirale, die mit einer Deflation einhergeht.
Fährt der Staat beispielsweise seine Defizite auf den Nullpunkt und erkauft sich die diese "Konsolidierung" über einen Rückgang des Wirtschaftswachstums um 2%, steigt die relative Staatsverschuldung um 2%. Der Anteil der Staatseinnahmen, die der Staat in diesem Fall für den Schuldendienst aufnehmen muss, steigt demzufolge. Würgt der Staat die Wirtschaft noch stärker ab, um Schulden zurückzuzahlen, begibt er sich in einen Teufelskreis aus Deflation und Rezession, der letztlich sogar auf eine Erhöhung der relativen Staatsverschuldung hinausläuft. Japan hat diesen Weg in der Vergangenheit beschritten und heute einen Rekordschuldenstand, der doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt ist.