Königsweg Inflation?

Seite 4: Vor- und Nachteile einer Inflation

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Natürlich hätte eine moderate Inflation, die beispielsweise zwischen 5 und 7% betragen würde, auch Nachteile. Vor allem wären diejenigen betroffen, die auf diese Art und Weise "kalt teilenteignet" werden - das sind die Gläubiger der Staaten. Wer auf eine private Zusatzrente oder die Einkünfte aus einer kapitalgedeckten Lebensversicherung gebaut hat, müsste sich auf magere Zeiten einstellen. Aber haben unabhängige Volkswirte nicht seit jeher bei jeder Gelegenheit vor genau dieser Gefahr gewarnt? Anders als die private Rente ist das gute alte Umlagesystem nämlich inflationssicher, da es an die Lohnentwicklung gekoppelt ist und die Löhne während einer moderaten Inflation zeitversetzt ebenfalls steigen.

Der normale Arbeitnehmer würde daher auch relativ unbeschadet aus einer Inflation herauskommen. Staatliche Transfersysteme wie Hartz IV müssten freilich an die Inflation angepasst werden, was allerdings bei der gegenwärtigen politischen Gemengelage sicherlich Wunschdenken ist. Anders als bei einer Deflation, leidet die Wirtschaft auch nicht sonderlich unter einer moderaten Inflation. Synthetische Finanzgeschäfte verlieren ihren Reiz und Gelder des privaten Sektors werden aufgrund der schleichenden Geldentwertung eher ausgegeben oder investiert – die Konsumquote steigt, die Sparquote sinkt. Für die Wirtschaft ist dies von Vorteil.

Pest oder Cholera?

Zu den Profiteuren einer Inflation zählen immer diejenigen, die Schulden haben, während diejenigen, die Geld verleihen, zu den Verlierern zählen. Somit ist eine moderate Inflation sozialverträglicher als jede andere Art und Weise, die Staatsschulden abzubauen. Natürlich ist Inflation im Vergleich zu keiner Inflation nicht unbedingt wünschenswert. Aber diese Frage stellt sich angesichts der katastrophalen Kassenlange auch gar nicht.

Wenn die Alternative zur Inflation eine Konsolidierungsrosskur sein soll, die mit Deflation, Rezession, Massenarbeitslosigkeit und Armut einhergeht, dann ist die Inflation in jedem Falle die bessere Alternative. Aber in einem Land, in dem man einem Neugeborenen ein Sparbuch schenkt und in dem ein Sparkassendirektor Bundespräsident ist, wäre das natürlich ein Paradigmenwechsel, der liebgewonnen Klischees widerspricht. "Sparen" klingt für deutsche Ohren nun einmal seriös, auch wenn die Folgen desaströs sind.

Die deutsche Politik ist ein Kind der dogmatischen Linie, nach der die Inflation zu bekämpfen sei, koste es, was es wolle. Ein Politiker, der diesen Kampf bis zum bitteren Ende geführt hat, trug den Namen Brüning und man weiß, wie diese Episode deutscher Geschichte endete. Manchmal ist es besser, die Geschichte nicht durch Phantasielosigkeit zu beleidigen. Wir befinden uns kurz vor einer Epochenwende – die Weichen, wohin unser Weg führen soll, werden allerdings bereits jetzt gestellt.