Körner im Fußboden

Die Andenbewohner Perus bauten schon vor 4.000 Jahren Mais an und trieben Handel mit den Tieflandbewohnern.

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Das alte Peru war der Sitz hoch entwickelter Andenkulturen; die bekannteste ist das Inkareich. Doch über einen wichtigen Grundpfeiler der Entwicklung dieser Kulturen ist wenig bekannt: den Übergang von der Jäger-und-Sammler-Kultur zur sesshaften Bauerngesellschaft. Dazu gehört neben der Tierzucht auch das Betreiben von Landwirtschaft, das Kultivieren von Nutzpflanzen und der Handel damit. In den letzten zehn Jahren hat die Analyse pflanzlicher Mikrofossilien aus Ausgrabungsstätten im Tiefland Südamerikas das Wissen über die prä-kolumbianische Pflanzendomestizierung und die Verbreitung von Nutzpflanzen in den Regenwäldern und anderen Gebieten deutlich vorangetrieben. Was sich jedoch entlang der Anden abspielte, ist nur lückenhaft erschlossen.

Jetzt haben Archäobiologen die bislang frühesten Nachweise für den Anbau und die Verarbeitung von Mais in einer jungsteinzeitlichen Andensiedlung in Peru gefunden. Sie berichten in der aktuellen Ausgabe von Nature (Vol. 440 vom 2.3.2006).

An den Hängen des Cerro Aycano

Die Siedlung Waynuna liegt an den Hängen des Cerro Aycano über dem Cotahuasi-Tal im Bezirk Arequipa in Südperu. Den frühen Bewohnern Perus boten sich dort günstige Bedingungen zur Besiedelung: Eine vorgelagerte natürliche Terrasse, in deren unmittelbarer Nachbarschaft sich weitere Terrassen befinden sowie ein ständig Wasser führendes Flüsschen. In der Nähe liegt das Obsidianvorkommen Alca. Das vulkanische Gesteinsglas bildete ein wichtiges Handelsgut, das viele südamerikanische Zivilisationen einschließlich der Inka benutzten.

Ausgrabung in Waynuna. (Bild: Daniel H. Sandweiss, University of Maine)

Waynuna liegt auf 3.625 Meter Höhe und damit an der Schnittstelle von zwei ökologischen Zonen mit unterschiedlichem landwirtschaftlichem Potenzial: Auf der Höhe von 2.300 bis 3.600 Metern kann Maisanbau stattfinden. Zwischen 3.600 und 4.000 Metern, in der kühlen Hochlandzone, gedeihen Knollengewächse wie die Kartoffel. Seit einigen Jahren graben Archäologen in Waynuna. Jetzt hat ein Forscherteam um Linda Perry vom Archaeobiology Program des Department of Anthropology des National Museum of Natural History der Smithsonian Institution ein 4.000 Jahre altes Bauernhaus der Siedlung auf Mikrofossilien von Pflanzen untersucht. Im Fußboden und an Steinwerkzeugen wurden die Wissenschaftler fündig. Sie entdeckten die Stärkekörnchen von drei Nutzpflanzen: Mais, Kartoffel und Pfeilwurzel. Am häufigsten stießen sie auf Überreste von Mais, auch in Form von Phytolithen (aus Pflanzenresten entstandenes Sedimentgestein) aus Maisblättern und Maiskolben.

Handel mit dem Tiefland

Diese Entdeckungen sind in mehrerlei Hinsicht interessant: Was die Geschichte des Maisanbaus in den Anden betrifft, gilt bislang nur als gesichert, dass dort vor 2.500 Jahren Mais angebaut wurde. Die Körnchen aus Maisstärke beweisen jedoch, dass Mais dort schon vor etwa 4.000 Jahren als Nahrungsmittel verwendet wurde. Die morphologischen Eigenschaften der identifizierten Stärkekörnchen belegen sogar, dass die frühen Andenbewohner sich von zwei unterschiedlichen Maisarten ernährten. Die Blatt- und Maiskolbenreste zeigen, dass er dort angebaut und verarbeitet wurde.

Auch die fossilen Überreste der Pfeilwurzel lassen interessante Rückschlüsse zu. Pfeilwurzel ist ein Gewächs des tropischen Regenwaldes und gedeiht nur bis zu einer Höhe von 1.000 Metern. Sie kann also nicht in Waynuna angebaut worden sein. Die Pflanzen stammen, so vermutet Perry, aus dem weiter östlich gelegenen Amazonas-Regenwald. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass die Bewohner des Tieflandes sich an dem Obsidian des Alca-Vorkommens bedienten, es ist also sehr wahrscheinlich, dass sie bei dieser Gelegenheit auch ihre Nahrungsmittel dort vorstellten.

„Die Pfeilwurzelüberreste sind der früheste empirische Beweis für den Transport von Gütern und Menschen aus dem östlichen Tieflandgebieten in das Andenhochland“, schreibt Perry. „Dieser Güterverkehr bildet einen Grundpfeiler für die Modelle des Zivilisationsprozesses im Andenhochland von den ersten Anfängen bis zu den Inka, doch bislang fehlten dafür direkte Beweise aus dem Hochland.“

Dass auch andere Nahrungsmittel aus dem Tiefland, z. B. Achira, Erdnüsse und Maniok, zu den wichtigen Handelsgütern zwischen Hoch- und Tieflandbewohnern zählten, belegen bislang nur ikonographische Darstellungen.

Geographische Lage von Waynuna (Bild: Nature)

Die Geographische Lage, die Nähe zum Wasser und die Position als Übergangsbiotop (Ökoton), in dem sowohl Mais als auch Knollengewächse angebaut werden können, machten Waynuna für die frühen andinischen Bauern zu einem besonders attraktiven Siedlungsort. Archäobotanische Daten, die in dieser Region gewonnen wurden, belegen, dass Siedlungen an der Schnittstelle von Mais- und Knollengewächsanbau über lange Zeit hin bevorzugt wurden.