Körper lügen nicht

Der britische nationale Bewährungsdienst denkt über die Einführung des Polygraphen zur Überwachung entlassener Sexualstraftäter nach

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In den USA ist die Wahrheitsliebe bekanntlich groß und deshalb erfreut sich der Lügendetektor sei es bei Straftätern, Tatverdächtigen oder gewöhnlichen Jobbewerbern einer kontinuierlichen Beliebtheit. Auch im Vereinigten Königreich würde man der Wahrheit gern ein Stück näher kommen, daher könnte dort der Lügentest zur Überwachung entlassener Sexualstraftäter seine große Stunde feiern.

Lügendetektoren oder Polygraphen zeichnen den Verlauf von Herzströmen, Atemfrequenz, Blutdruck und Hautfeuchtigkeit auf. Funktionen, die vom Vegetativen Nervensystem gesteuert und daher der willentlichen Steuerung des Untersuchten entzogen sind. Begleitet werden diese Aufzeichnungen von einem Kreuzverhör, mit tatbezogenen und nicht die Tat betreffenden Fragen. Grundannahme dieser Methode ist es, dass Täter und Nichttäter auf einen derartigen Fragenkatalog psychisch unterschiedlich reagieren und sich dies im Messergebnis niederschlägt. Die Untersuchungen mit dem Polygraphen sind allerdings heftig umstritten, außer in den USA werden sie nur in Polen und seit neuestem in der Schweiz durchgeführt.

Seit dem vergangenen Jahr testet auch die britische Bewährungsbehörde National Probation Service (NPS) den Einsatz von Lügendetektoren und ist offensichtlich dabei, sich damit anzufreunden. In seiner Online-Ausgabe zitiert der Guardian die NPS-Chefin Eithne Wallis, die in Aussicht stellte, dass der Lügendetektor, künftig als Instrument zur Überwachung von auf Bewährung entlassenen Sexualstraftätern eingesetzt werden könnte. Voraussetzung sei allerdings, dass er seine Zuverlässigkeit unter Beweis stelle. Die laufenden Untersuchungen scheinen zufriedenstellende Ergebnisse zu liefern. Zusammen mit zwei amerikanischen Spezialisten wurden insgesamt 30 Täter polygraphischen Tests unterworfen. Sie wurden zu ihrer Tat, ihrem gegenwärtigen Verhalten und ihren Phantasien befragt. Sie wurden auch befragt, ob sie Kontakt zu Kindern hätten und ob sie sich nach möglichen Opfern umsähen. Die Probanden scheinen dabei erstaunlich freimütig oder einfach schlechte Lügner gewesen zu sein. Denn ob willentlich oder nicht, sie gaben offenbar zu, unerlaubten Kontakt zu Kindern gehabt und Orte aufgesuchten zu haben, an denen Kinder zu finden waren. Angeblich konnten durch diese Aussagen weitere Straftaten von drei Tätern verhindert werden.

Die beteiligten amerikanischen Experten empfehlen den Lügendetektortest besonders für Sexualstraftäter, da diese Tätergruppe sich in Gesprächen äußerst manipulativ verhalte und sehr geschickt im Lügen sei. Skeptiker hegen allerdings gerade aus diesen Gründen Zweifel. Wer sich so manipulativ verhalte, könne auch einen Lügendetektor mit Leichtigkeit überlisten, lautet ihr Argument.

Bei aller Kritik scheint jedoch die Stimmung für den Polygraphen bei allen Beteiligten sehr günstig. Auch die National Association for the Care and Resettlement of Offenders (Nacro), die sich um die Resozialisierung entlassener Häftlinge kümmert, hat grundsätzliches Einverständnis signalisiert, sofern das Gerät eines von vielen anderen Kontrollinstrumenten und beschränkt auf diese eine Tätergruppe zum Einsatz kommt.

Bei polizeilichen Ermittlungen dürfen Polygraphen in Großbritannien weiterhin nicht eingesetzt werden, sie sind wie auch in Deutschland vor Gericht als Beweismittel nicht zulässig. Dass auch hierzulande in absehbarer Zeit mit dem Lügendetektor nach der Wahrheit geschürft werden könnte ist ausgeschlossen. Denn auch wenn die Rückfallprognosen insbesondere von Sexualstraftätern ein heikler Punkt sind, und es darüber hinaus Stimmen gibt, die die Möglichkeit des Unschuldsbeweises z. B. für des sexuellen Missbrauchs Verdächtigte fordern, ist der Lügendetektor kein Thema. Zwar sind polygraphische Untersuchungen nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1998 nicht mehr grundsätzlich verboten, doch auch der jüngste Versuch der Münchner Mordkommission, den Lügendetektor salonfähig zu machen, ist im April dieses Jahres am Bayerischen Innenministerium gescheitert, das die Methode als zu aufwändig und teuer ablehnte.