Kohleausstieg in der Lausitz: Warum hier oft die Klimakrise ausgeblendet wird

Kohleförderung auf Gedeih und Verderb: Der Tagebau Welzow-Süd in der Niederlausitz. Luftaufnahme (2019): Wolkenkratzer / CC-BY-SA-4.0

Das Schreckgespenst vom vorgezogenen Kohleausstieg geht in der Lausitz um – unbegründet, denn noch ist überhaupt nicht klar, wie er umgesetzt werden soll

Die Koalitionsgespräche zwischen Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen haben noch nicht einmal richtig begonnen, da macht sich Angst breit in der Lausitz. Vor allem ein Abschnitt aus dem zwölfseitigen Sondierungspapier ist der Grund dafür: Alle drei Parteien sprechen sich darin für einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung aus. "Idealerweise gelingt das schon bis 2030", heißt es darin. Die Sächsische Zeitung hat nun zu diesem Thema Stimmen in der Lausitz eingefangen - und die meisten von ihnen bringen die Unsicherheit zum Ausdruck, die in der Region herrscht.

Landräte und Bürgermeister, Gewerkschafter und Unternehmer hoffen, dass es für den Kohleausstieg mehr Zeit gibt. Nur Umweltschützer hoffen, dass es schneller geht als bislang geplant. Dabei ist noch nichts Konkretes beschlossen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner verwies erst am Donnerstag darauf, dass über Teilbereiche der Klimapolitik noch gar nicht geredet worden sei. Im ZDF-Morgenmagazin machte er nur noch einmal die Position seiner Partei deutlich: Man wolle mit aller Kraft für einen Kohleausstieg vor 2038 arbeiten. Und er sei sich sicher, dass Deutschland ihn bis 2030 schaffen werde.

In der Lausitz kommen solche Worte nicht besonders gut an. Torsten Pötzsch von der Wählervereinigung "Klartext" und Oberbürgermeister von Weißwasser, ist einer von denen, die dem vorzeitigen Kohleausstieg nichts abgewinnen können. Es gebe doch Gesetze, sagte er der Sächsischen Zeitung, und "auf irgendetwas muss man sich ja noch verlassen können". Die Unternehmen im Lausitzer Revier hätten sich auf 2038 eingestellt.

Und für den Fall, dass das nicht überzeugt, schob Pötzsch nach: Bei den nächsten Kommunalwahlen sei deshalb ein Rechtsruck zu befürchten. Mit 22,1 Prozent der Stimmen wurde aber die Alternative für Deutschland (AfD) schon bei der Gemeinderatswahl im Jahr 2019 zur zweitstärksten Kraft hinter der Wählervereinigung "Klartext".

Chancen für Forschungsstandort

Dagegen sieht der Bürgermeister der Gemeinde Boxberg auch Chancen. Seine Gemeinde lebt heute vor allem noch vom Braunkohlekraftwerk des Energieunternehmens Leag; aber Achim Junker ist zuversichtlich: Boxberg könnte zu einem Forschungsstandort für Carbonfasern werden. Nur ob das bis 2030 zu machen ist, darüber zeigte er sich gegenüber der Sächsischen Zeitung skeptisch. "Für einen vernünftigen Strukturwandel brauchen wir Zeit", sagte er demnach und hatte dabei auch die Wärmeversorgung zahlreicher Kommunen im Blick. Weißwasser, Hoyerswerda und auch Teile von Boxberg werden zum Beispiel mit Fernwärme aus Kohlekraftwerken versorgt.

Zeter und Mordio schrie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): Das Vorziehen des Kohleausstiegs sei "ein großer Vertrauensbruch gerade von Seiten der SPD und FDP". Die Pläne wirkten derzeit noch "wie Wortmeldungen aus der Opposition". Die Parteien seien sich offenbar nicht klar darüber, "dass sie in Kürze die Verantwortung für das größte Industrieland Europas haben".

So viel Aufregung - aber weshalb? Die Aussagen im Sondierungspapier sind vage. Etwas anderes ist von einem solchen Papier sicher auch nicht zu erwarten. Wer aber genau hinschaut, erkennt: Das Jahr 2030 wurde auch nur als ideales Ausstiegsjahr benannt, um die grüne Basis zu beruhigen. Die Bedingungen für den vorzeitigen Kohleausstieg wurden im Sondierungspapier benannt: massiver Ausbau der Erneuerbaren Energien und Errichtung moderner Gaskraftwerke.

Beides stellt die künftige Bundesregierung vor große Herausforderungen: Der Ausstieg aus der Atomenergie steht bevor; der Kohleausstieg wird vorbereitet; gleichzeitig muss aber ein Strombedarf gedeckt werden, der durch E-Mobilität, klimafreundliche Heizungen und durch die Produktion von grünem Wasserstoff in die Höhe schnellen dürfte. Wie das alles geschafft werden soll, darauf muss die künftige Bundesregierung erst noch eine klare Antwort liefern. Erst dann lohnt eine gesellschaftliche Debatte wirklich.

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