Kohlekommission: Deeskalation gefordert

Seite 2: Rabiate RWE-Mitarbeiter

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Ebenfalls letzte Woche hatte ihre Kommissions-Kollegin Antje Grothus in Buir am Hambacher Tagebau äußerst unschönen Besuch von RWE-Mitarbeitern und Gewerkschafter der Industrie Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie bekommen. In einer persönlichen Stellungnahme beschreibt Grothus die Vorgänge wie folgt:

Am Sonntag, dem 14.10.2018, traten Betriebsratsvorsitzende von RWE und Mitglieder der IGBCE bei einem öffentlichen Dorfspaziergang in Keyenberg mit einem Plakat auf, das u.a. meinen Namen, mein Konterfei und den Zusatz "Der Arbeitsplatzfeind No. 1" trug. Nur drei Tage später, am 17.10.18 zog einer dieser Betriebsratsvorsitzenden mit ca. 80 Mitarbeitern und IGBCE- Fahnen lautstark und Böller zündend in einem von der Polizei des Rhein-Erft Kreises geduldeten Aufzug vor meinem privaten zu Hause auf, in dem neben meinem Partner auch meine Kinder wohnen.

Während der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis, sich vom Vorgehen seiner Mitglieder distanzierte und sich entschuldigte, veröffentlichte die RWE AG über ihren Twitter-Account @RWE_Presse einen Brief des Betriebsratsvorsitzenden Zentrale Köln RWE Power an mich. Darin heißt es u.a.: 'Was wir wollten, ist zu zeigen, dass es nicht nur um Bäume geht, sondern um Menschen und deren Familien, die ganz konkret von Arbeitsplatzverlusten bedroht sind.

Antje Grothus
Tagebau Welzow. Foto: Wolfgang Pomrehn

Diese "erneuten Entgleisungen des Betriebsratsvorsitzenden" müssten "personelle Konsequenzen haben. Eine Entschuldigung von Michael Vassiliadis reicht in diesem Fall nicht aus." Grothus verwahrt sich außerdem dagegen, dass sie und ihre Familie Betroffene zweiter Klasse seien:

Wir sind direkt betroffen durch massive Wertverluste unserer Immobilien, Heimatverlust durch Zwangsvertreibung und Zwangsenteignung, durch die von der Kohleförderung und -verstromung ausgehenden Gesundheitsgefahren, und massive Beeinträchtigungen unserer Lebensqualität. Sowohl in Deutschland als auch weltweit vernichtet Kohle direkt und indirekt Existenzen, und die Klimakrise gefährdet Menschenleben.

Antje Grothus

Auch die in der Kommission sitzenden Vertreter verschiedener Umweltverbände forderten in einer gemeinsamen Erklärung Konsequenzen von der IG BCE und von RWE. Sie sollten dafür sorgen, dass ihre Mitglieder und Beschäftigte sich "nicht weiter an Hetzkampagnen und übergriffigen Protesten gegen Mitglieder der Kohlekommission und Vertreter des Bürgerprotestes im Rheinland beteiligen". Beide müssten mäßigend auf ihre Leute einwirken, um eine Eskalation am Rande der diese Woche stattfindenden Sitzung der Kohlekommission zu vermeiden. Am kommenden Wochenende sind verschiedene Proteste gegen den weiteren Braunkohleabbau im Rheinland geplant.

Die IG BCE ruft derweil gemeinsam mit dem ver.di-Fachbereich Ver- und Entsorgung unter dem Motto "Wir sind laut für unsere Jobs" für den morgigen zu einer Demonstration anlässlich der Tagung der Kohlekommission im Rheinland auf. Von anderen Gewerkschafter kommt hingegen heftig Kritik an den Positionen der IG BCE während Waldbesetzer in einem offenen Brief die RWE-Mitarbeiter auffordern, lieber mit ihnen gemeinsam für vernünftige Sozialpläne und einen Strukturwandel zu kämpfen, der die Arbeiter nicht auf der Strecke lässt.

Strompreis

Unterdessen kommt Unterstützung für die oben erwähnten wahlkämpfenden Ministerpräsidenten vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Dessen Präsident Dieter Kempf mahnte eine bei jedem Wetter zuverlässige Stromversorgung an und wählte markige Worte: "Die Politik darf das Tempo des Ausstiegs aus der Kohleverstromung nicht im Blindflug erhöhen, ohne sich der Nebenwirkungen bewusst zu sein."

Mit den Nebenwirkungen meint er nicht etwa den Klimawandel, der nur bei einem raschen Kohleausstieg noch halbwegs im Rahmen zu halten sein wird, wie erst kürzlich der IPCC, die UN-Organisation für Klimawissenschaften, wieder deutlich gemacht hat.

Vielmehr hat er offensichtlich die Energiekosten seiner Mitgliedsunternehmen im Blick, die sein Verband nicht müde wird zu bejammern. Doch eigentlich sind diese durchaus mit denen anderer Länder vergleichbar.

Großkunden, die mehr als 20 Millionen Kilowattstunden im Jahr abnehmen zahlten im vergangenen Jahr nach Angaben des Statistik-Portals statista 9,3 Cent pro Kilowattstunde. In Dänemark, Griechenland, Frankreich und Spanien waren es mit 6,88, 8,49, 6,16 und 7,79 Cent pro Kilowattstunde weniger, aber in Großbritannien und Italien sowie Großbritannien mit 11,9 und 11,91 Cent pro Kilowattstunde auch mehr.

Tagebau Welzow. Foto: Wolfgang Pomrehn

Die Gründe für Preisdifferenzen sind vielfältig, liegen aber sicherlich nicht daran, dass andere Länder mehr Kohlestrom verwenden. In Dänemark wird zum Beispiel rund die Hälfte des Stroms inzwischen von Windrädern geliefert. Aber das Stromnetz arbeitet dort anders als hier als ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaften darf. Die Netzentgelte dürften dort entsprechend niedriger sein.

Wesentlich wird aber sein, dass in Dänemark wie auch hierzulande die privaten Verbraucher und Kleingewerbe den Strom der industriellen Großabnehmer mit den EU-weit höchsten Haushaltspreisen subventionieren.

Hierzulande geschieht das auch über die sogenannte EEG-Umlage, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) benannt ist. Die Besitzer von Solar- und Windkraftsanlagen können Förderung nach dem EEG beantragen - lange nicht alle machen das übrigens noch - und bekommen dann feste, gesetzlich geregelte Vergütungen von den Übertragungsnetzbetreibern.

Diese verkaufen den Strom an der Börse, wobei es ihnen ausdrücklich verboten ist, diesen als Ökostrom zu vermarkten, was eventuell beim Verbraucher einen höheren Preis erzielen könnte. Die Differenz zwischen Börsenstrompreis und Vergütung wird den Übertragungsnetzbetreibern aus einem Fond erstattet, der mit der EEG-Umlage gefüllt wird.

Diese Differenz und damit die Umlage ist umso höher, je größer das Überangebot an der Börse und desto niedriger entsprechend dort der Preis. Ein niedriger Preis kommt aber vor allem den Großabnehmern zu Gute, die sich an der Börse eindecken oder mit den Versorgern Lieferverträge aushandeln, die sich am Börsenpreis orientieren.

In letzter Zeit hat sich der Börsenpreis etwas erholt, weshalb die EEG-Umlage zum 1.Januar zum zweiten Mal in Folge geringfügig abgesenkt wird. Statt 6,792 Cent pro Kilowattstunde werden künftig 6,405 Cent pro Kilowattstunde gezahlt werden müssen.

Dadurch sinkt auch die Mehrwertsteuer leicht, denn der private Stromkunde muss auf diese Umlage auch noch 19 Prozent Steuern zahlen, was vermutlich den wenigsten bewusst ist. Das wären zusätzlich 1,22 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommen übrigens noch weitere 2,05 Cent pro Kilowattstunde an Stromsteuer.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft macht den Verbrauchern jedoch keine Hoffnung, dass ihre Rechnung 2019 geringer ausfallen könnte. Verantwortlich sei dafür vor allem die "historisch hohe" Steuer- und Abgabenlast.

Die Unternehmen hätten hingegen kaum Spielraum. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte hingegen schon in Frühjahr vorgeschlagen, "die Stromsteuer nahezu abzuschaffen, Teile der EEG-Umlage aus dem Staatshaushalt zu finanzieren und die Industrieausnahmen bei den Netzentgelten zu streichen", um die Verbraucher zu entlasten.