Kohlendioxid aus der Luft soll in Gestein gespeichert werden
Seite 3: Kakophone Zukunftsmusik
Mittlerweile werden die Flutbasalte anderer magmatischer Großprovinzen der Erde auf ihre mögliche Eignung als Kohlendioxid-Endlager hin untersucht, zum Beispiel der Dekkan-Trapp und der Rajmahal-Trapp in Indien. Ebenfalls auf der Agenda: die Einpressung von Kohlendioxid in Tiefsee-Basaltformationen, in den USA beispielsweise in die sedimentbedeckten Basalt-Aquifere auf der vor der Westküste gelegenen Juan-de-Fuca-Platte. Die theoretische Speicherkapazität der Mineralien der Ozeanrücken des Planeten wird mit 100.000-250.000 Gigatonnen Kohlendioxid angenommen - verglichen mit 18.500 Gigatonnen, die freigesetzt würden, sollte man alle fossilen Energieträger der Erde verbrennen.
Doch das alles ist vor allem noch eins: Zukunftsmusik. Weltweit sind etwa ein dutzend größere CCS-Projekte in Betrieb, doch auch nach zwanzig Jahren Forschung und Entwicklung und Milliarden-Ausgaben an weltweit verbrauchten Fördergeldern später steht ein genereller technologisch-wirtschaftlicher Machbarkeitsnachweis von CCS-Lösungen aus. Ein Bedarf danach wird aus den Zielen des Pariser Klimaabkommens abgeleitet. Im Abkommen wird die Erde auf einen ziemlich großen Thermostaten reduziert, dessen Temperatur man nach Belieben auf eine Kommastelle genau regulieren kann, je nach gewählten Klimaschutzmaßnahmen. Eine davon: "negative Emissionen". Dahinter verbergen sich Verfahren, die auf ein dauerhaftes Entziehen des Kohlendioxids aus der Atmosphäre abzielen.
Doch die weitere Entwicklung von CCS sieht sich mit Unwägbarkeiten konfrontiert: im Umgang mit den Risiken, bei ungeklärten rechtlichen Fragen und den zu erwartenden Kosten, mit einem erhöhten Ressourcenbedarf aufgrund von Wirkungsgrad-Einbußen bei CCS-tauglich gemachten Kraftwerken, in der Gesamtenergiebilanz, bei der Akzeptanz in der Bevölkerung. Beobachtern zufolge zersprengt letztendlich der vorgegebene Zeitrahmen jegliche Hoffnung auf einen Erfolg. Binnen kürzestem müsste eine gigantische CCS-Industrie aus dem Boden gestampft werden, doch eine Transformation des Energiesektors in diesem Sinne ist derzeit schlicht nicht vorstellbar.
Climeworks filtert Kohlendioxid direkt aus der Luft
Die Climeworks-Anlage auf Hellisheiði, gewissermaßen ein CarbFix-Add-on, holt das Kohlendioxid mit porösen Granulat-Filtern aus der Luft, die mit Aminen modifiziert wurden. Sind sie mit dem Gas gesättigt, werden sie auf 100 °C erhitzt. Die dafür nötige Energie soll hauptsächlich aus der Abwärme des Geothermalkraftwerks stammen.
Das aus den Filtern freigesetzte Kohlendioxid wird konzentriert gespeichert, in Wasser gelöst und in den Untergrund gepumpt. Dort sollen so pro Jahr 50 Tonnen Kohlendioxid endgelagert werden - etwa die Menge, die ein einzelner US-Haushalt pro Jahr ausstößt.
Erst im Mai 2017 hatte Climeworks im schweizerischen Hinwil eine kommerzielle Anlage in Betrieb genommen. Das 23-Millionen-US-Dollar-Projekt filtert Kohlendioxid direkt aus der Luft und leitet es im Anschluss an ein Gemüse-Treibhaus weiter, wo es das Wachstum von Gurken und Tomaten fördern soll. Eine nahegelegene Müllverbrennungsanlage liefert die Prozesswärme zur Entladung der Filter. Zur Zeit kostet es rund 600 US-Dollar, um eine Tonne Kohlendioxid aus der Luft zu holen, und bei voller Auslastung wird die Anlage gerade einmal 900 Tonnen pro Jahr schaffen.
Eine Schar von Kritikern weist darauf hin, dass es viel billiger sei, die Kohlenstoffabscheidung direkt an den Kraftwerken zu perfektionieren oder Kohlendioxid erst gar nicht in Umlauf gelangen zu lassen. Technologien, die negative Emissionen propagierten, würden vielmehr die Sicht auf gangbare Wege versperren.
Bei Climeworks denkt man unterdessen vorwärts gewandt und global: Bis 2025 soll der Preis auf 100 US-Dollar pro Tonne gedrückt sein, um dann 1 % der weltweiten anthropogenen Kohlendioxid-Emissionen wegzufiltern. Was damit dann geschehen soll?