Konflikt in Spanien über die Haltung zum Irak-Krieg spitzt sich zu
Die überwiegende Mehrheit der Bürger und die Opposition ist gegen den Kurs der konservativen Regierung, die überdies EU-weit für die höchste Arbeitslosenquote verantwortlich ist
In einem Geheimtreffen ist die spanische Regierung beim Versuch abgeblitzt, die Opposition für den Krieg zu gewinnen. Eine scharfe Polemik und Zensurvorwürfe sind nach Anti-Kriegsprotesten von Künstlern zur Filmpreisverleihung entbrannt.
Der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar ist am Sonntag damit gescheitert, die Isolation seiner Regierung wegen der US-Kriegsunterstützung zu durchbrechen. Aznar hatte den sozialistischen Oppositionsführer José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE), zu einem Geheimtreffen geladen, um seine Unterstützung für den Irak-Krieg zu erhalten.
Dass sich die spanischen Spitzenpolitiker am Sonntag im Regierungssitz getroffen haben, wurde erst am Montag bekannt, als Aznar den Oppositionsführer wegen dessen Kritik am Krieg scharf angriff. In nur elf Sekunden beleidigte Aznar de PSOE-Chef wiederholt und warf ihm "Machtgeilheit", einen "ranzigen Isolationismus", "Opportunismus", "Unverantwortlichkeit" und "fehlende Staatsräson" vor.
Zapatero gab zurück, Aznar sei nicht um einen "Konsens" bemüht, sondern versuche nur "Unterstützung für den Kurs" des US-Präsidenten zu bekommen. "Es kann keinen Krieg wegen Überzeugungen oder Verdächtigungen geben", erklärte Zapatero. "Die PSOE kann keinen Präventivkrieg unterstützen, für den es weder Gründe noch Ursachen gibt." Bush zu folgen, sei ein großer Fehler. Der Konsens zum Angriff des Irak von 1991 sei etwas anderes gewesen: "Damals hat der Irak Kuwait angegriffen, aber heute geht es um einen Angriff auf den Irak." Zudem habe es damals einen breiten Konsens in der UN gegeben. Die PSOE ruft zusammen mit der Vereinigten Linken, Gewerkschaften und anderen Organisationen zu Demonstrationen in mehreren spanischen Städten am 15. Februar auf.
Künstlerproteste vertieft den Konflikt
Dabei können sich die Sozialisten auf eine breite Unterstützung in der Bevölkerung stützen. Denn Aznar spaltet mit seiner Politik nicht nur Europa, sondern stellt sich auch gegen seine Bevölkerung (Europäer lehnen einen Krieg gegen den Irak ohne UN-Legitimation ab). Der breite Widerspruch hat sich deutlich am Sonntag bei der Verleihung des spanischen Filmpreises von der Akademie Goya gezeigt. Unter den Augen einer entsetzten Ministerin für Kultur verwandelten die Künstler die Verleihung des Preises vor laufenden Kameras in einen Protest gegen den Krieg und die Ölpest in Galicien. Fast 20 Prozent Einschaltquote verschaffte der Aktion große Verbreitung.
Nachdem Fernando León de Aranoa mit fünf Preisen für den besten Film geehrt worden war, hielt er ein Schild vor die Kameras, auf dem zu lesen war: "Nein zum Krieg". Der Aktion schlossen sich große Teile der Anwesenden mit eigenen Aussagen an. "Ein Wahlsieg ist kein Freibrief für einen Krieg", sagte Javier Bardem, ausgezeichnet als bester Schauspieler in Aranoas Film.
Seither tobt eine scharfe Polemik um Zensur und Meinungsfreiheit in Spanien. Denn der öffentlich-rechtliche Sender TVE, den der Volksmund "TV-Azna" aufgrund des Einflusses der Regierung nennt, wollte die Bilder des Protestes nicht an andere Sender herausgeben. TVE hatte die exklusiven Übertragungsrechte von der Gala, in der Zusammenstellung für andere Sender fehlten die Bilder vom Protest komplett. Erst auf massiven Druck der Sender sei eine zweite Ausgabe zusammengestellt worden, die sich der Wirklichkeit annäherten, berichtet El Pais.
Die Goya-Präsidentin Marisa Paredes verteidigte inzwischen die Meinungsfreiheit der Künstler. "Es reicht", sagte die Schauspielerin, die Leute könnten sagen, was sie wollen. "Wir haben lange in einer Diktatur gelebt und wissen wie viel die Freiheit kostet". Wegen dieser Worte und ihrem Verhalten bei der Gala fordert nun der Chef der Vereinigung der Produktionsfirmen (FAPAE), Eduardo Campoy, ihren Rücktritt.
Arbeitslosigkeit nimmt zu
Jedenfalls ist der Film von Aranoa "Los lunes al sol" (Montags in die Sonne) sehr sehenswert. Er beschreibt sensibel das hoffnungslose Schicksal von Arbeitslosen in Spanien am Beispiel von Werftarbeitern in Galizien.
Wie die drastisch sich die Situation der Arbeitslosigkeit darstellt, hat gerade die europäische Statistikbehörde Eurostat deutlich gemacht. Das Land steht nicht nur an der Spitze der Kriegsbefürworter in Europa, sondern weist auch die höchste Arbeitslosigkeit auf. Mit einer Steigerung von 10,7 auf 12 Prozent in nur einem Jahr hat das Land dazu die höchste Steigerung verzeichnet.
Im Durchschnitt liegt die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone (und in Deutschland) bei 8,5 Prozent (nach den aktuellen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit allerdings bei 11,1%). Über dem Durchschnitt liegen Spanien (12%), Finnland (9%) und Frankreich (8,9%). Nach Eurostat sind im Land der konservativen Nachfolger der Franco-Diktatur fast ein Viertel aller Jugendlichen ohne Job und 17, 3 Prozent der Frauen. Im Vergleich zum Rest des Euro-Raums wird hier das Ausmaß des Scheiterns von Aznar deutlich, der seit Jahren die Vollbeschäftigung ankündigt. Bei den Jugendlichen liegt Spanien fast 7 Prozent über dem Durchschnitt und bei den Frauen gar um 7,4 Prozent. Dabei sind in dem Land Zeitarbeit und flexiblen Arbeitsverträge weit verbreitet, die aber offenbar keinen Beschäftigungseffekt bringen. Nur 8,4 Prozent aller Arbeitsverträge, die im letzten Jahr in Spanien unterzeichnet wurden, waren unbefristet.