Europäer lehnen einen Krieg gegen den Irak ohne UN-Legitimation ab
Nach einer Umfrage sieht die Mehrzahl der Europäer im Irak zwar eine Bedrohung des Weltfriedens, das Hauptinteresse der USA aber im Öl
Nach einer Umfrage von EOS Gallup Europe lehnt die überwiegende Mehrheit der Europäer einen Krieg gegen den Irak ab, wenn dieser nicht mit der Unterstützung der UN begonnen wird. Die Umfrage hat Gallup zwischen dem 21. und 26. Januar in 30 europäischen Ländern durchgeführt, also noch vor der Erklärung der 8 europäischen Staaten, die zur Unterstützung der US-Regierung aufrufen (Die Achse des neuen Europa konstituiert sich).
Für die Europäer, so das eindeutige Ergebnis der Umfrage, muss ein militärisches Eingreifen vom Sicherheitsrat gebilligt werden. Ein nicht von den Vereinten Nationen gedecktes Vorgehen der US-Regierung und alliierter Staaten wird von 82 Prozent der Befragten abgelehnt. Selbst in den 13 Ländern, die in die EU aufgenommen werden wollen, vertreten noch 75 Prozent diese Position. Das "neue Europa" würde mithin riskieren, die Billigung einer militärischen Invasion seitens der USA gegen die Mehrheit seiner Bürger zu befürworten. Der spanische Regierungschef Aznar, von dem die gemeinsame pro-amerikanische Erklärung ausging, kann allerdings am wenigsten auf eine Kriegsbereitschaft seiner Bürger setzen. 74 Prozent lehnen in Spanien jede Kriegsbeteiligung ab. Nur 13 Prozent würden sogar mit einer entsprechenden UN-Resolution einen Angriff auf den Irak unterstützen.
Eine Beteiligung europäischer Länder an einer militärischen Intervention kann für die Mehrheit der Europäer nur dann gerechtfertigt werden, wenn der Irak tatsächlich noch Massenvernichtungswaffen besitzt und diese entdeckt werden (59%), er andere Länder der Region bedroht (59%) oder eine neue Resolution des Sicherheitsrats vorliegt (57%). In den 13 Beitrittsstaaten sind allerdings nur 42 Prozent dieser Meinung, was allerdings vornehmlich an der Türkei liegen dürfte. Von den befragten Türken befürworten selbst mit einer UN-Resolution nur 33 Prozent eine militärische Beteiligung ihres Landes. Insgesamt werden Aktivitäten der UN auf der Ebene der internationalen Politik als gut beurteilt (70%), aber auch die der EU (66%), von der von den meisten Befragten zudem eine aktivere Rolle erwartet wird.
Zwei Drittel der Befragten sind gleichwohl der Ansicht, dass der Irak tatsächlich eine Bedrohung des Weltfriedens darstellt (in der Türkei allerdings nur 43 Prozent), und 40 Prozent finden, dass eine Lösung des Irak-Problems wichtiger ist als die des internationalen Terrorismus oder des Nahostkonflikts. Hier dürfte die Medienberichterstattung, die den Konflikt mit dem Irak in den Mittelpunkt stellt, einiges beigetragen haben. Doch die meisten Europäer wollen auch keine einseitig Politik, sondern verlangen, dass man Nordkorea ebenso viel Aufmerksamkeit widmen müsse.
Den Argumenten der US-Regierung (und ihrer acht neuen Vasallen) scheint man aber skeptisch gegenüber zu stehen, dass es neben der Entwaffnung selbstlos um die Befreiung des irakischen Volkes von der Knute der Diktatur Husseins ginge. 72 Prozent sind der Ansicht, dass der Hauptgrund für den Druck auf militärische Intervention seitens der US-Regierung in den großen Ölvorräten des Landes liegt. Selbst in Großbritannien meinen dies 60 Prozent der Befragten. Nur 41 Prozent bezeichnen die amerikanische Außenpolitik als "positiv", 54 Prozent betrachten sie als "negativ". Dabei gibt es interessante Variationen. So finden nur 15 Prozent der Schweizer das Auftreten der USA in der internationalen Politik "positiv" und 23 Prozent in der Türkei, aber 58 Prozent in Großbritannien und sogar 69 Prozent in Rumänien.
Seltsamerweise halten zwar die Befragten die Lösung des Irak-Kriegs für dringlicher als die des internationalen Terrorismus, dennoch meint über die Hälfte der Menschen in den EU-Mitgliedsstaaten (55%), dass die terroristische Bedrohung hoch ist. Die Angst scheint in den Beitrittsländern mit 27 Prozent weitaus geringer zu sein. Besonders bedroht fühlen sich Briten (83%), Spanier (70%), Frankreich und Italien (jeweils 59%). Und al-Qaida halten mit 84 Prozent der Befragten mehr Menschen als Bedrohung des Weltfriedens als den Irak.
Das Europäische Parlament hat vorgestern eine Resolution mit einer Mehrheit von 287 gegen 209 Stimmen angenommen, in der vom Irak die volle Umsetzung der UN-Resolution verlangt wird. Der Arbeit der UN-Inspektoren wird Vertrauen ausgesprochen. Die Erkenntnisse der Waffeninspekteure würden aber ein militärisches Handeln noch nicht rechtfertigen. Ein unilaterales militärisches Vorgehen wird ebenso abgelehnt wie das Konzept des Präventivschlags, da dieser gegen das Völkerrecht verstoße. Der Rat und die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Verbrechen Husseins am Internationalen Strafgerichtshof verhandelt werden.
Der griechische Ministerpräsident Costas Simitis kritisierte gestern in seiner Funktion als Präsident des Rats die gemeinsame pro-amerikanische und mit den anderen europäischen Staaten nicht abgesprochene Erklärung: "Die Weise, in der die Initiative der 5 Mitgliedsstaaten und drei Kandidaten zum Irak-Konflikt geäußert wurde, trägt nicht zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber dieser Angelegenheit bei."