"Konkurrenz, Karriere und Kollaps": Neue Männer braucht die Gesellschaft
Ein "Männerkongress" mit Psychologen und Sozialwissenschaftlern will nun auf das benachteiligte, entwertete und verstörte Geschlecht aufmerksam machen
Den Männern geht es schlecht. Von wegen starkes Geschlecht. Schon zu lange haben Feministinnen und Frauenbewegung den Mann klein gemacht, der nun nicht mehr nur in Beziehungen oder in der Schule versagt, sondern überhaupt an sich leidet und zum Problemfall wird. Und überhaupt wird die Gesellschaft feminisiert. Damit soll jetzt Schluss sein, fordern die Organisatoren eines Männerkongresses, der kurz nach dem Fasching am 19. und 20. Februar in Düsseldorf stattfindet, und verkleiden als Frage, was sie wollen: Neue Männer müssen sein. Wenn die über ihre Erneuerung etwas hören wollen, müssen sie allerdings 190 Euro Teilnahmegebühr bezahlen.
"Das Bild des Mannes unterliegt einer zunehmenden Fragmentierung und Defunktionalisierung bis hin zur Entwertung positiver männlicher Eigenschaften", wird in der Ankündigung gewarnt. "Dies hat zu einer mittlerweile tiefgreifenden und häufig leidvollen Identitäts- und Orientierungskrise vieler Männer und Jungen geführt." Und drastisch heßt es: "Der Suizid Robert Enkes im vergangenen Jahr hat den problematischen Umgang vieler Männern mit ihren Gefühlen deutlich gemacht: Die Selbstmordrate von Männern liegt dreimal höher als die von Frauen, ihre Lebenserwartung ist sechs Jahre geringer."
Ins Leben gerufen hat den Männerkongress, der nun offenbar nach den Jahrzehnten der Frauenbewegung das Signal für eine emanzipatorische Männerbewegung setzen will, der Düsseldorfer Psychoanalytiker und stellvertretende Direktor des Instituts für Psychosomatische Medizin der Universität Düsseldorf, Matthias Franz, der sich schon länger mit alleinerziehenden Familien und fehlenden Vätern beschäftigt. Auch auf dem Kongress wird es unter dem Titel "Der vaterlose Mann" um die "erhöhte psychosoziale Belastung alleinerziehender Mütter und besonders der betroffenen Jungen" gehen. Franz selbst will allerdings nicht nur jammern, sondern wirbt für präventive Maßnahmen wie Elterntraining.
Noch freilich scheint die Jahrhunderte lange Männerherrschaft noch nicht wirklich gebrochen zu sein. Bis auf wenige Ausnahmen stehen an der gesellschaftlichen Spitze Männer. Besonders deutlich ist aber in Schulen und Universitäten, dass die Frauen nicht mehr nur einen höheren Anteil an der höheren Ausbildung haben, sondern meist auch besser sind. Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld spricht so von einer "gravierende Benachteiligung des männlichen Geschlechts in Erziehungs- und Berufsbildungseinrichtungen".
Während sich die jungen Männer vermehrt in den Hauptschulen, Sonderschulen und Förderschulen ansammeln, sinke ihr Anteil in den Realschulen und Gymnasien. Schon ihr Freizeitverhalten ist "träger und weniger anregend" als bei den jungen Frauen: "Sie trainieren ihren Sehsinn und ihren Hörsinn durch die Nutzung von elektronischen Medien sehr stark, vernachlässigen aber alle anderen Sinnesbereiche extrem. Die Bildungsforschung hat schon seit Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass sich hieraus gravierende Konsequenzen für die Leistungsfähigkeit ergeben." Hurrelmann führt den Niedergang des männlichen Geschlechts in der Wissensgesellschaft allerdings vor allem auf die überkommene, seit Jahrzehnten kritisierte Männerrolle zurück. Der Mann instrumentalisiert seinen Körper und konkurriert um Macht, Aufmerksamkeit und Einfluss, woraus er die drei Ks der Männer ableitet: "Konkurrenz, Karriere und Kollaps".
Hurrelmann schlägt zur Kompensation eine "männlichkeitsorientierte Leistungs- und Kompetenzförderung" vor, inklusive Körpersensibilität, Gewaltprävention, Leben in der sozialen Gemeinschaft und die Förderung der Konfliktfähigkeit. Und weil die sozialen Einrichtungen von den Horten bis zu den Schulen von Frauen dominiert werden, müssten hier auch mehr Männer angestellt werden.
Bei einem Männerkongress darf natürlich der Soziologe Gerhard Amendt nicht fehlen, der schon länger den Untergang des Mannes beklagt (Die Männer haben sich durch den Feminismus entmachten lassen). Auf dem Kongress wird Amendt über "den verlassenen Mann" sprechen - und meint damit die Männer, die von ihren Frauen verlassen wurden: "Das hohe Risiko für viele Männer manifestiert sich als vielschichtige Gesundheitsproblematik, als Depressivität, als Verlust der Sinnfälligkeit des eigenen Lebens. Besondern schwer sind davon Männer der unteren Gesellschaftsschichten betroffen, die zugleich sozialpolitisch die am schwersten vernachlässigte Gruppe von Männern bilden."
Schwer psychoanalytisch zur Sache geht Matthias Hirsch, der konstatiert: "Die in ihrer weiblichen Identität unsichere Mutter verwendet den Sohn als Selbstergänzung, indem sie seinen idolisierten Penis vereinnahmt und verwaltet." Dadurch werden die Söhne entwertet. Offenbar meint Hirsch, dass die ödipalen Konfliktlagen in den islamischen Gesellschaften mit ihren Ritualen besser geregelt sind:
Anders als in anderen, besonders islamischen Kulturen, in denen die enge, erotisierte Mutter-Sohn-Beziehung abrupt durch eine symbolische Kastration (Beschneidung) beendet und damit eine patriarchalische männliche Identifikation erzwungen wird, bleibt der Sohn mit seinen basalen Konflikten von Vater und Mutter letztlich auch von der weitgehend entritualisierten westlichen Gesellschaft alleingelassen.
Matthias Hirsch
Entwertet wurde der Mann auch für Walter Hollstein, weil die überkommene Rolle der Männer nicht mehr in die moderne Gesellschaft passt und so eine "Identitätskrise des Mannes" aufgebrochen ist. Die Frauenbewegung habe für die Frauen ein "kohärentes Orientierungsbild" geschaffen hat, das aber gebe es für die Männer nicht. Dazu kommt, dass sich faktisch nur relativ wenige Männer in Machtpositionen befänden, viele Männer aber im Berufsleben bereits Benachteiligungen ausgesetzt seien und Männer auch eher arbeitslos werden/bleiben als Frauen. Die "Nöte des männlichen Geschlechts" würden, so Hollstein, gesellschaftlich ignoriert. Auch daran sollen Feminismus und Frauenbewegung Schuld sein:
Die Wahrnehmung ist durch den Einfluss von Frauenbewegung und Feminismus selektiv eingestellt worden. Das schließt einerseits die Thematisierung weiblichen Problemverhaltens aus und verhindert andererseits die Anerkennung männlicher Problemlagen. Beides gehört nicht mehr zur political correctness.
Walter Hollstein