Konrads Spezialkleber gibt's jetzt wirklich
Das Dresdner Fraunhofer-Institut entwickelte eine Wasserstoffpaste, die dem Autotreibstoff aus Pippi Langstrumpf ähnelt
Wasserstoff gilt derzeit als ein Energieträger, der klima-halal ist - aber auch er hat Nachteile: Tankstellen müssen ihn flüssig bei minus 253 Grad Celsius oder unter extrem hohem Druck lagern. Deshalb kostet die Einrichtung einer einzigen Wasserstoffzapfsäule zwischen einer und zwei Millionen Euro. Diese Investitionskosten erklären zumindest zum Teil, warum dieser Treibstoff derzeit deutschlandweit nur an etwa hundert Tankstellen bezogen werden kann. Auch im Autotank benötigt Wasserstoff den 700-fachen Atmosphärendruck. Die Tanks der Fahrzeuge sind deshalb so groß und schwer, dass sich die Energiedichtevorzüge gegenüber Lithium-Akkus bislang in Grenzen halten.
Magnesium ist das sechsthäufigsten Element in der Erdkruste
Ein Team um Marcus Vogt vom Dresdner Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFaM) will das ändern. Dazu hat es bei einer Temperatur von 350 Grad Celsius und einem Druck von fünf bis sechs Bar ein Hydrid aus Wasserstoff und Magnesium erzeugt - dem sechsthäufigsten Element in der Erdkruste, das (anders als Lithium) praktisch unbegrenzt (und entsprechend günstig) zur Verfügung steht. Zusammen mit einem Ester und einem Metallsalz entsteht daraus eine bis zu einer Temperatur von 250 Grad Celsius stabile Paste, die an den Treibstoff erinnert, mit dem Pippi Langstrumpf im Film Auf der Walze ein Autowrack zum Laufen bringt: Konrads Spezialkleber.
Damit das Auto damit läuft, wird in diesem Film von 1970 noch Wasser dazu gegeben. Das ist auch bei der in Dresden entwickelten Paste nötig. Dieses Wasser sorgt nicht nur dafür, dass die Paste den Wasserstoff freigibt, sondern liefert auch etwa die Hälfte der Wasserstoffatome, mit der eine Polymerelektrolytbrennstoffzelle Strom erzeugt, der den Elektromotor eines Fahrzeugs antreiben kann.
Notstromaggregate
Den IFAM-Forschern zufolge könnte ein Auto mit einer Pastenkartusche, die so viel wiegt, wie eine Lithiumbatterie, zehn Mal so weit fahren wie ein herkömmliches Elektromobil. Mit dieser Energiedichte und Reichweite könnte es sich mit Kohlenwasserstoffverbrennungsmotoren messen, denen das politische Aus droht, weil sie als klima-haram gelten.
Den Wissenschaftlern schweben aber keine so großen und schweren, sondern deutlich kleinere Kartuschen vor, die der Fahrer an herkömmlichen Tankstellen kaufen und wie einen Butan- oder Propangasbehälter einsetzen kann. Weil sich die Paste pumpen lässt, ist darüber hinaus auch eine Befüllung ohne Kartusche denkbar. Die Einrichtung entsprechender Zapfsäulen würde den Wissenschaftlern nach mit "einigen zehntausend Euro" deutlich günstiger kommen als die Einrichtung einer herkömmlichen Wasserstoffzapfsäule.
Weitere Einsatzgebiete sieht man unter anderem beim Betrieb von Drohnen: Die könnten damit deutlich länger in der Luft bleiben und deshalb "Inspektionsaufgaben" in Wäldern oder an Stromleitungen besser wahrnehmen. Über mobile Generatoren ließe sich aus der Paste auch Strom für den Hausgebrauch oder die Arbeit erzeugen, wenn die zentrale Versorgung ausfällt (vgl. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Blackout kommt").
Erst einmal planen die Forscher aber nur eine Pilotanlage am Braunschweiger Fraunhofer-Projektzentrum für Energiespeicher und Systeme (ZESS), deren Ausstoß auf lediglich vier Tonnen jährlich begrenzt ist. Die Frage, wie wirtschaftlich ihre "Powerpaste" sein kann, lassen sie bislang offen. Die Antwort darauf hängt wohl auch maßgeblich auch davon ab, wie günstig Strom für die Produktion von Wasserstoff ist. Russland plant hier - anders als Deutschland - nicht nur mit Windrädern und Photovoltaikanlagen, sondern auch mit Kernkraftwerken, die in der neuesten Generation sogar Atommüll verbrennen.
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