Kontrollgelüste aus dem Orbit

Seite 4: Satellitenaufklärung auch zur Handhabung von politischem Protest

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Die undurchsichtige Nutzung der GMES-Aufklärung sowohl für umwelt- als auch sicherheitstechnische Belange lässt am Beispiel des G8-Gipfels in Heiligendamm illustrieren. Zur Sicherung der damaligen "Roten Zone", die mit einem Stahlzaun vor Tausenden Demonstranten gesichert werden musste, haben die Behörden auf Material der Späher aus dem All zurückgegriffen. Im Rahmen des LIMES-Projekts erhielt das "Zentrum für satellitengestützte KrisenInformation" des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Bilder zur Aufbereitung und Analyse. Die daraus erstellten Satellitenbildkarten wurden – ebenfalls via Satellit - in "naher Echtzeit" zur Einsatzleitung des Technischen Hilfswerkes (THW) übertragen.

Das ZKI hat keine Aufklärungsdaten der Blockaden und Demonstrationen online gestellt, sondern lediglich Aufnahmen vor und nach dem Gipfel. Auf einem der Bilder ist gut zu erkennen, wie Demonstranten mit der "Fünf Finger-Taktik" Polizeisperren umgingen und schließlich zu Tausenden den Gipfel blockiert hatten. Während solche Satellitenbilder im Nachhinein sowohl zur Schadensanalyse und Entschädigungszahlen des Landes Mecklenburg-Vorpommerns an betroffene Landwirte genutzt werden könnten, dürfte doch die Echtzeit-Kontrolle und Handhabung von Demonstrationen im Vordergrund stehen.

Satellitenaufklärung in Heiligendamm. Bild: ESA/DLR

Das Technische Hilfswerk hat mit der Satellitenverbindung beim G8-Gipfel zur Übertragung der Lagebilder ebenfalls von "Lösungen" aus einem Forschungsprojekt der Europäischen Raumfahrtagentur profitiert. Das THW hatte seinen "mobilen Kommandoposten in Heiligendamm" mit seinem "Hauptquartier in Bonn" verbunden. Telefon- und Datenverbindungen wurden dabei von einem Kommunikationssystem übertragen, dessen Kernelemente im Rahmen des ESA-Forschungsprogramms ARTES 3 (Advanced Research in Telecommunication Systems – Multimedia Programme) von der ND SatCom GmbH Friedrichshafen, einem Tochterunternehmen der SES ASTRA Holding, entwickelt wurden.

Die Aufklärungsdaten wurden über eine "innovative SkyRAY Light-Antenne" übermittelt, die auf dem Dach eines THW-Fahrzeuges montiert war. Diese Antennen können schnell "nach dem Plug-and-Play-Prinzip" aufgebaut werden, was laut Hersteller "gerade bei sensiblen Anwendungen im Regierungsbereich äußerst wichtig" sei. Die breitbandige Verbindung zwischen Bonn und Heiligendamm wurde über den geostationären Satelliten HellasSat 2 gewährleistet, der zu den Telekommunikationskapazitäten der ESA gehört.

Auch anlässlich des NATO-Gipfels 2009 in Strasbourg und Baden-Baden kamen Satelliten zum Einsatz. Während der Test beim G8-Gipfel noch im Rahmen des LIMES-Projekts der Europäischen Union erfolgte, stand die Beihilfe letztes Jahr unter der Ägide des satellitengestützten Systems ARGOS. In öffentlichen Publikationen kommt ARGOS als argloser Dienst zur Ortung von Flugrouten daher. Das Hauptkontrollzentrum von ARGOS steht in Toulouse, ein zweites soll sich in Maryland/ USA befinden. Das System wird kommerziell vermarktet.

Bereits auf den Bildern mit geringer Auflösung ist gut zu erkennen, wie Demonstranten sich an der Grenze versammeln und von der deutschen Polizei aufgehalten werden. Gleichzeitig wird eine Demonstration auf deutscher Seite daran gehindert, wie zugesagt die Europa-Brücke in Richtung Frankreich zu überqueren. Die Karte ist nachträglich aufbereitet, markiert sind die später in Flammen stehenden Gebäude (Grenzkontrollstation und Ibis-Hotel). Wie auch bei den online gestellten Karten zum Widerstand in Heiligendamm fehlen Bilder, die für den Gipfel-Protest zum Symbol wurden, darunter die kilometerhohe Rauchsäule der brennenden ehemaligen Grenzstation.