Konzept Macron: "Korrekt" Richtung Abbau von Arbeitnehmerrechten

Seite 2: Vorwürfe des Lobbyismus

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Von 2007 bis 2010 arbeitete Philippe als Chef der Öffentlichkeitsarbeit beim Energiekonzern Areva. Laut der ONG Observatoire du nucléaire war er dort für Lobbyarbeit zum Beispiel bei Verhandlungen über den Uran-Abbau in Niger gegenüber Parlamentariern zuständig Mit seiner Wahl zum Premier seien Interessenskonflikte vorprogrammiert.

Die große Überraschung bei Bekanntgabe der Regierung gestern war die Benennung des in Frankreich weithin bekannten Umweltschützers Nicolas Hulot zum Umweltminister. Hulot, der jahrelang über Fernsehsendungen der grünen Sache ein Gesicht gab hatte sich bislang geweigert, bei Regierungen mit an Bord zu sein. Macron konnte ihn überzeugen.

"Nützlicher Idiot"

Da Hulot sich bei all seinem Engagement für Umweltschutz bei der Frage des Atomausstiegs "sehr zurückhaltend" zeigte, um es zurückhaltend zu formulieren, wurde schon früh auf Verbindungen zu seinen Sponsoren aufmerksam gemacht. Darunter findet sich neben Großkonzernen auch die EDF.

Die genannte ONG L'Observatoire du nucléaire hat für die Rolle die Hulot im Kabinett Philippe spielt, einen drastischen Namen "nützlicher Idiot" in einer anti-ökologischen Regierung. Der Begriff Ökologe wird von der ONG bei Hulot in Anführungsstriche gesetzt. "EdF ist in Frankreich größter Produzent von Atomstrom, "und Hulot, der Retter des Planeten, hat schon gegen vieles opponiert - noch nie gegen Kernkraftwerke. Selbst auf den GAU in Japan reagiert er zahm: 'Der Ausstieg bleibt ein Ziel'", schrieb der Freitag schon vor sechs Jahren.

Die "Bewährungsprobe" für die Ausrichtung der neuen Regierung wird die Umsetzung des "Übergangsgesetzes" sein. Macron hatte angekündigt, bis 2025 den Anteil der Atomenergie an der Stromproduktion auf 50 Prozent herunterzufahren.

Gut möglich, dass dies praktisch erst einmal als ferneres Ziel behandelt wird und die Nominierung Hulot PR-mäßig ein Manko schließen sollte. Zuletzt war viel kritisiert worden, dass Macron für Umweltschutz nur wenig Aufmerksamkeit übrig habe.

Außenpolitik: Ausbau der deutsch-französischen Achse

Priorität hat die Wirtschafts-und Europapolitik. Hier hat das Gespann Macron/Philippe eindeutige Akzente bei der Regierungsbildung gesetzt. Es gibt mehrere Minister, die flüssig oder gut deutsch sprechen, auch Premierminister Philippe soll sein Abitur in Bonn gemacht haben und von Aktkanzler Kohl schwärmen.

Die Annäherung an Deutschland bzw. der Wille zum Ausbau der deutsch-französischen Achse zeigt sich bis hin zur Nominierung der Verteidigungsministerin Sylvie Goulard, die ebenfalls das Deutsche beherrscht und sich eigentlich mehr Europapolitikerin auszeichnet, denn als Expertin für den Posten als Ministerin der Streitkräfte.

Man kann darin ein Zeichen des Einverständnisses mit der Idee des Aufbaus einer europäischen Verteidigung sehen, die von Hollande unterstützt wurde und in Deutschland bekanntlich von von der Leyen. Mit der Wahl des Außenministers Le Drian, der zuvor schon unter Hollande einen Ministerposten bekleidete, nämlich den des Verteidigungsministers, werden bestimmte Linien unter Hollande erstmal fortgesetzt.

Kurz gesagt: Es ist nicht zu erwarten, dass die neue französische Regierung ihre enorme Unterstützung für die syrische Opposition und angeschlossener Organisationen, wie zum Beispiel den White Helmets aufgeben wird. Auch am konfrontativ orientierten Stil gegenüber Russland wird sich, wie sich schon bei Macrons Wahlkampf zeigte, wahrscheinlich nichts Grundsätzliches ändern.

Dass der neue Außenminister als erstes den "Ministre pour l'Europe" im Titel führt, ist bezeichnend. Europa hat zumindest nach außen außenpolitische Priorität und damit kommt dem Verhältnis zu Deutschland eine große Bedeutung bei. Damit korrespondieren Äußerungen der Leitmedien hierzulande, die möglichst große Unterstützung für Macron einfordern.

Wirtschaftspolitik: Liberalisierungskurs mit weniger Bremsen

Eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber der Politik Hollandes bestätigt die Nominierung von Bruno Le Maire als Wirtschaftsminister. Er stammt von den Republikanern, die ihn nun aus der Partei ausgeschlossen haben. Im Unterschied zur sozialdemokratischen PS-Regierung unter Hollande, wo Macron Wirtschaftsminister war, wird es jetzt weniger Bremsen geben, um unternehmensfreundliche Politik durchzusetzen: Deregulierungen bei den Arbeitszeiten, den Kündigungsmodalitäten, der Arbeitslosenversicherung, den Abstandszahlungen, den gewerkschaftlichen Einfluss.

Dass zu Macrons Regierung ein Innenminister gehört, der zuvor dem rechten Flügel des PS angehörte, wie auch Premierminister Philippe in früheren Jahren Mitglied des PS war und sich als "Rechter" bezeichnet, zeigt an, wo sich die Regierung positioniert: Der Schwerpunkt ist rechts von der Mitte mit ein paar Verbindungen in die kulturelle Linke.

Es wird sich demnächst zeigen, wenn Macron anfängt, mit ordonnances erste konkrete politische Umsetzungen seiner Wirtschaftspolitik verfügt, wie gut das auf Beschwichtigung, Moderation und Hoffnung angelegte Konzept gegenüber dem Misstrauen funktioniert. Sein Zielo ist zunächst der Rückhalt bei den Parlamentswahlen. Erhält Macron eine Mehrheit, so wird mit einer verschärften Umsetzung des Liberalisierungskurses gerechnet.

Die Unternehmer, die Macron bei seinem Wahlkampf mächtig unterstützt haben, bauen darauf, nicht wenige verbinden damit Hoffnungen - zwar hat Macron keine echte Mehrheit bei den Wahlen erhalten, aber es waren viele, die schon im ersten Wahlgang für ihn gestimmt haben - und sehr viele fürchten seine Wirtschaftspolitik: Mélenchon hatte sieben Millionen Wähler im ersten Wahlgang.