Korea Inc.: Der Rat der Weisen am Katastrophenbasar
Während westliche Institutionen und Medien asiatische "Vetternwirtschaft" zum Sündenbock der asiatischen Finanzkrise stempelten, blieben andere mögliche Ursachen wie globale Überproduktion weithin undiskutiert. Denn von einer Krise der globalisierten Freien Marktwirtschaft mag (noch) niemand sprechen.
Die asiatische Wirtschaftskrise wird zuguterletzt als Meilenstein im "unaufhaltsamen Trend zur kapitalistischen Marktwirtschaft" anerkannt werden. Auf diese Weise faßte ein zufriedener Alan Greenspan, Vorsitzender der amerikanischen Zentralbank, die Situation im April zusammen. "Unaufhaltsamer Trend" ist begrifflicher Fundamentalismus - aus dem vielfältigen Repertoire des Kapitalismus. Greenspan machte damit die staatliche Planwirtschaft in den betroffenen Ländern zum Sündenbock der Krise, da sie zur Überproduktion von Gütern geführt habe, die von Konsumenten nicht gewollt wurden. Was er dabei jedoch unerwähnt liess, ist, dass die Förderung der Interessen einer US-dominierten Freien Marktwirtschaft in dieser Situation durch schamloses Ausspielen geo-finanzieller Stärke der Supermacht erreicht worden ist. Und dies nicht nur rhetorisch. Die Stärke der USA ruht auf zwei eng miteinander verknüpften Machtquellen: dem Status des Dollars als Weltwährungsreserve, sowie ihrer, durch den Golf Krieg unterstrichenen, militärischen Übermacht. Zu Beginn der Krise sprach der leitende Volkswirt einer multinationalen Bank davon, dass "der Dollar in Asien im Begriff sei, mit einer Schale Reis in einer Hungersnot vergleichbar zu werden", und dies zu einem Zeitpunkt, als die Reispreise in einem verarmtem Indonesien gerade in die Höhe geschnellt waren. Die Gunst der Stunde nutzend, eröffneten sich westlichem Finanzkapital bis dato beispiellose Profitmöglichkeiten.
Als die plötzliche Verarmung der Region offensichtlich wurde, tourte US Verteidigungsstaatssekretär William Cohen durch Asien, um neue Anlegerechte für die US-Navy zu sichern und verlangte von Südkorea, ungeachtet der IMF-Auflage, staatliche Ausgaben drastisch zu kürzen, sein Verteidigungsbudget unter keinen Umständen zu beschneiden.
Ebenso vergass Mr. Greenspan in seiner triumphalen Rede seine eigenen verschlüsselten Warnungen vor globaler Rezession und der Überbewertung der US Aktien zu erwähnen, die er in Vorträgen vor einem ganz anderem Publikum geäußert hatte. Andere Kommentatoren machten besonders auf zwei in der Globalisierung lauernde Gefahren aufmerksam: die Tendenz zur Überproduktion, sowie die Probleme unkontrollierten Kreditflusses, und verwiesen darauf, in welcher Weise diese zu der Krise in Asien beigetragen hatten. Im Großen und Ganzen jedoch versagte diesen anschuldigenden Stimmen der Mut angesichts der Offensive in Institutionen und Medien. Der dabei geprägte Begriff "crony capitalism" (Vetternwirtschaft/Nepotismus) dient als allumfassende Anklage an ein asiatisches Entwicklungsmodell, das in den vorangegangenen 25 Jahren ein phänomenales Wirtschaftswachstum erzeugt hatte.
Eine ähnlich unerwähnte Ironie ist, dass das von den Vereinigten Staaten zum eigenen Vorteil geleitete Krisenmanagement selbst ein Paradabeispiel für westlichen "crony capitalism" darstellt, in dem Mr. Greenspan einen festen Bestandteil bildet. Er selbst, ex-Goldman-Sachs-Manager und nun Finanzminister Robert Rubin, JP Morgan Banker und andere führende Figuren in der Clinton Verwaltung waren es, die schliesslich hinter der "neutralen" Schale des IMF zum Vorschein kommen mußten, um Südkorea vor der Einstellung seiner Schuldenrückzahlung zu bewahren. Die kombinierten Konsequenzen der vom IMF verordneten, deflationären Medizin und seiner Holzhammermethode im Namen internationaler Kredit- und Finanzpolitik hatte die Wahrscheinlichkeit einer solchen Zahlungseinstellung selbst erst ermöglicht. Zu dem damaligen Zeitpunkt, unmittelbar vor Weihnachten 1997, dominierte in der westliche Presse kurzweilig die Sorge vor dem Einfluss solchen Vorgehens auf das anfällige globale Kredit- und Finanzsystem. Während ihrer Treffen im Situation Room des Weissen Hauses (üblicher Weise der Ort, an dem nordamerikanisches geo-militärisches Krisenmanagement betrieben wird) beschleunigten diese "crony capitalists" widerstrebend schnelle Finanzhilfe für Süd Korea. Damit war eine unmittelbare Krise verhindert und die Medien widmeten ihre Aufmerksamkeit wieder ganz dem asiatischen "crony capitalism".
Die Krise nahm ihren Anfang im Juni letzten Jahres, als die Probleme thailändischer Banken auf Grund ungedeckter Kredite für den Immobiliensektor, teilweise finanziert durch ungedeckte Kredite internationaler an thailändische Banken, nicht mehr verhehlt werden konnten. Dies führte zu einem Angriff im Währungsmarkt auf den thailändischen Baht, dessen Wert für 14 Jahre an den US Dollar gebunden gewesen war. Dieser festgezurrte Wechselkurs wurde am zweiten Juli abgeschafft, was in den darauffolgenden vier Monaten zu einer sich fortpflanzenden Kapitalflucht führte, als weitere an den Dollar gebundene Währungen unter Beschuss gerieten. Die Standarderklärung dazu führt dies auf die allgemeine Erkenntnis zurück, dass die betroffenen Länder von "crony capitalism"geschüttelt und festgesetzte Wechselkurse ein Teil dieser Probleme seien. Die Ideologie des freien Marktes propagiert freie Wechselkurse als Norm. Doch, wie sich in dieser Krise wiederholt zeigte, wird diese Ideologie oft nach Gutdünken ausgelegt. Als beispielsweise Donald Tsang, Anhänger der freien Marktwirtschaft und Finanzminister von Hongkong, seinen ebenfalls an den Dollar gebundenen Wechselkurs im Oktober 97 verteidigte, erntete er von der Finanzpresse Applaus, da er damit Stabilität gesichert und "Vertrauen" bewahrt habe.
Die Ideologie des freien Marktes basiert auf einem hochstilisierten Bild unerschütterlichen und rationalen Individualismus'. Dieses ungeachtet einer Wirklichkeit, in der multinationale Konzerne nach Zehnjahresplänen arbeiten. Desweiteren führte die Krise die Herdenmentalität internationaler Kredit- und Finanzmärkte vor Augen. Wie die Daten der Internationalen Bank für Zahlungsausgleich (Bank of International Settlements) zeigen, brach der kontinuierliche Geldfluss in die Region trotz Warnzeichen nicht ab. In den Hochburgen westlichen (crony) Kapitalismus ist "Transparenz" hochgehandelte Notwendigkeit und zu einem absoluten Mantra geworden. Die aus diesen Lagern stammende Auslegung der Ereignisse erklärt das Entstehen der Krise mit dem Fehlen ebendieser Transparenz im undurchsichtigen südostasiatischen Bankenwesen. Doch die Weltbank (Global Development Finance Report 1998) sagt deutlich:
"Dem Anschein nach hat es in Thailand genügend öffentlich zugängliche Daten gegeben, die Beobachtern erlaubt hätten, die sich anbahnenden Probleme bereits ein Jahr vor der Abwertung des Baht zu erkennen."
In einem Moment der Aufrichtigkeit gesteht selbst die Financial Times offen ein, dass diese Informationen augenscheinlich schlichtweg ignoriert wurden. In einem Artikel über diese historische Epoche überbewerteter Aktien auf westlichen Märkten wird die Vervierfachung des privaten Nettokapitalflusses in die asiatischen Länder von 1992 bis 1996 folgendermassen beschrieben:
"...was den Kapitalzufluss zum grossen Teil verursacht hatte, war die Suche nach höheren Gewinnen von für Risiken unsensibel gewordenen und nach mehr Profit lechzenden Investoren im westlichen "bull market" (langanaltende gute Konjunktur an der Börse). Wie nicht anders zu erwarten, endete die Manie in Panik".
In einer Zeit kopflastigen Finanzkapitals haben die Banken ein starkes Bedürfnis Kredite zu vergeben, und sogenannte entstehende oder sich entwickelnde Märkte versprachen die höchsten Gewinnspannen. Letzten Endes ist dies auf das niedrigere Lohnniveau in jenen Regionen zurück zu führen. Ein zum grossen Teil unerwähnter Auslöser der Panik war, dass mit dem immer grösser werdenden Gewicht Asiens in der Weltwirtschaft die Löhne in der Region, sowohl im Vergleich mit dem Westen, als auch mit China, zu steigen begannen. Jener koreanische Arbeiter, der noch bis vor kurzem benutzt wurde, um die westliche Arbeiterklasse einzuschüchtern, damit sie für das gleiche Gehalt härter arbeiten, war in den gewalttätigen Streiks vom Februar 1997 zu einem verwöhnten Arbeiter geworden, der sich nun selbst der Wirklichkeit des globalen Marktes stellen mußte. Die Krise hat dies mit gnadenlosem Nachdruck unterstrichen.
Ein weiterer Auslöser waren die Südkorea vom IMF und der westlichen Kriseninterpretation von den "crony capitalists" aufgebürdeten Notmassnahmen. Wie Jeffrey Sachs formulierte:
"Der Fond verwandelte eine sich anbahnende Gefahr in ausbrechendes Unglück, durch öffentliches und ostentatives Schliessen von Banken, Zinssatzerhöhungen, Verteuerung der Kredite signalisierten jedem, der es noch nicht begriffen hatte, dass diese Ökonomien in den freien Fall gehen würden."
Standard and Poor (jene nordamerikanische Kreditbewertungsagentur, die an den Schulden Südostasiens nichts auszusetzten hatte, bis die Krise bereits voll im Gange war) und das US-Finanzministerium wurden selbst zu Schiedsrichtern des Vertrauens. Das erstaunt kaum, angesichts des engen Zusammenhangs der Stärke des US Dollars mit dem geo-militärischen Supermachtstatus der Vereinigten Staaten. Als Vertrauensschiedsrichter unterstüzten ihre Handlungen und Kommentare ein Abrutschen asiatischer Währungswerte.
Das südostasiatische Entwicklungsmodell, beispielsweise in Südkorea, war zusätzlich besonders anfällig für "Kapitalfluchten". Samsung hatte erkannt, dass die Aufnahme grösserer Kredite notwenig war, um effektiv am Wettberb etwa in der Microchip-Industrie teilnehmen zu können. Auf Grund dieser Entwicklungsstrategie und eines ausgesprochen hohen Niveaus inländischer Ersparnisse wurden derartige Unternehmen eher von Anleihen als dem im Westen üblichen Modell des Gangs zur Börse finanziert.
Diese Taktik erwies sich als extrem erfolgreich, war jedoch anfällig für Situationen, in denen Zinssätze derart hoch wurden, dass Schuldrückzahlungen jederzeit Bruttogewinne übersteigen konnten. Massive de facto Abwertungsprogramme und vom IMF aufgebürdete Zinssatzanhebungen haben diese Situation zusätzlich verschärft.
Mr. Greenspans scheinheilige Argumente über jede Form von staatlicher Planwirtschaft wenden sich genau gegen diese Entwicklungstrategie, die sich zuvor als so erfolgreich erwiesen hatte. Alle Anzeichen deuten aber darauf hin, dass dieses Modell genau in jenem Augenblick aus den Fugen geriet, als "Liberalisierungs"-Massnahmen durchgesetzt worden waren. Ha Joon-Cheng aus Cambridge argumentiert, dass übermässige Aufnahme ungedeckter Kredite und Firmenzusammenbrüche gerade dann enstanden, als Seoul seine traditionellen Praktiken koordinierter Investitionen und gelenkten Wettbewerbs in den frühen 90ern abschaffte. Mit der geschwächten Zusamenarbeit von Firmen, Staat und Banken wuchs die Auslandsverschuldung explosionsartig.
In dieser neuen Situation gab es grosse Bereiche der Überkapazität in Südkorea, doch Mr. Greenspan gibt sich auch diesbezüglich scheinheilig, indem er Überproduktion als besonderes Merkmal der Region und dieses Entwicklungsmodelles identifiziert. Ein besonders unverfrorener Vertreter der Ideologie des Freien Marktes, Ed Yardemi, leitender Volkswirt der Deutschen Morgan Grenfell, bemerkte zu Beginn der Krise, dass "Korea GMBH bereits bankrott" und dies eine "Zombie Wirtschaft" sei. Doch ungeachtet solch alberner Jugendhaftigkeit schloss er auch den internationalen Kontext ins Bild mit ein, indem er globale Überproduktion in einer Vielzahl verschiedener Sektoren, von Plastik- und Auto- bishin zu Elektronik- und Microchip-Industrien beschrieb. Yardemi schlussfolgerte:
"Die Welt braucht alle Yuppies, die sie aufbringen kann."
Eine perverse und unbewusste Anerkennung der sich kontinuierlich auf lokaler und globaler Ebene vergrössernden Kluft zwischen Arm und Reich, einer Realität, in der sich schwache Nachfrage als Spiegelbild von Überkapazität herausstellt. In weiterer Konsequenz bedeutet das, dass das Umgehen dieses Ungleichgewichtes von der Kaufkraft der relativ Reichen abhängt.
Dies jedoch ist viel zu unbeqeum für die Ideologie der freien Marktwirtschaft, oder sogar der "Neuen" Sozialdemokratie. Stattdessen wird Überkapazität als asiatisches Problem abgestempelt. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Microchip-Industrie: Samsungs Erfolge wurden nach der kapitalistischen Standarderklärung einer zügellosen Überproduktion zugeschrieben, das trotz der Tatsache, daß die US Firma Micron ihre Produktion des Standardchips 16M 1997 zügellos hochschraubte, was zu drastischem Preisverfall führte und damit zu Koreas Liquiditätsproblem wesentlich beitrug. Trotzalledem sind asiatische Firmen nicht nur ausschliesslich als Überproduzenten abgestempelt worden, sondern wurde obendrein ihre Produktionskapazität durch das Krisenmanagement unter Leitung der USA geschwächt. Trotz westlichen Lobes für Chinas Vorgehen in der Krise war daher im Chinese PeopleŽs Daily davon die Rede, die US/IMF Forderungen dienten hauptsächlich dazu "die ostasiatische Bedrohung für die USA zu verringern". Sogar westliche Banken sprachen davon, dass Länder wie Indonesien "die Mehrwerts-Leiter hinunterrutschten". Den Forderungen liegt der offensichtliche Widerspruch zu Grunde, dass die sich anschliessende Wirtschaftskrise in Asien westliche Befürchtungen einer globalen Rezession gesteigert hat. In letzter Zeit richteten sich westliche Schuldzuweisungen an Japan und das Versagen seiner Konsumenten, Yuppies und anderer, die Nachfrage zu beleben.
Währendessen sind die vom Westen in der Region gemachten Gewinne mannigfach. Indizien über die Grössenordnung westlicher Käufe asiatischer Vermögenswerte, als diese billig verschleudert wurden, sind voller Widersprüche (keine Transparenz in diesem Fall). Weniger zweideutig ist das Eindringen westlichen Kapitals in die Region. Beispielslose IMF-Bedingungen sicherten die Öffnung des koreanische Finanzmarktes für derartiges Eindringen. Zusätzlich sind diese Gewinne in dem, von den Medien nur äusserst mangelhaft besprochenen, Abkommen der World Trade Organisation über das Finanzwesen vom frühen Dezember 1997 globalisiert worden. Das Übereinkommen wurde von 102 Ländern unterzeichnet, wird 142 direkt betreffen, 1999 in Kraft treten und damit den Finanzsektor, nach jahrelangem Widerstand seitens der Dritten Welt, öffnen. Wie die Financial Times berichtete, war das Abkommen Resultat von Lobbying amerikanischer und europäischer Finanzinstitutionen und schliesslich der asiatischen Wirtschaftskrise, die den letzten Widerstand durchbrach. Das Wall Street Journal kommentierte, dass gerade als 50 Jahre Entwicklung zum Freihandel zum Stillstand gekommen zu sein schienen (man nehme die Blockadepolitik des US-Kongresses gegenüber Clintons Bemühungen um ein "fast-track" Mandat für seine Freihandels-Verhandlungen als Referenz) "der asiatische Scherbenhaufen die Sache wieder in Schwung" brachte.
Die kopflastige Dominanz der Kreditfinanzen wiederspiegelnd, äusserte eine triumphierende Charlene Barshefsky, Handelsbevollmächtigte der USA:
"Dies ist der grösste Deal, den Amerika je machen wird, da es keinen Wirtschaftszweig gibt, der dem Finanzsektor jemals das Wasser reichen könnte".
Es geht weniger um Freie Marktwirtschaft, als die sich für den Westen ergebende Möglichkeit, als Vermittler zwischen Anlegern aus aller Welt und Investoren aus aller Welt zu agieren - und daraus grossen Profit zu schlagen. Darüberhinaus werden die Möglichkeiten für nationale wirtschaftliche Entwicklung mit diesem Abkommen untergraben. In diesem Licht betrachtet, dient die kontinuierliche Betonung fehlender Transparenz im asiatischen Bankwesen als Rechtfertigung für das universelle Vordringen westlichen Banken- und Versicherungswesens in jeden Winkel nationaler Finanzsysteme. Dies soll nicht heissen, es habe etwa im japanischen oder indonesischem Bankenwesen keine Korruption oder Vetternwirtschaft gegeben, doch müssen zu dieser Aussage einige qualifizierende Zusätze gemacht werden. Selbst wenn man die im Kreditskandal enthüllte Korruption in den USA ignoriert, haben westliche Banken, wie die Financial Times mit Beweisen belegt, Wege gesucht und gefunden, die Basler Konvention und sensibles Wirtschaften, sprich das marktgerechte Verhältnis von Einlagen und Anleihen, zu umgehen, während sie gleichzeitig eben dies dem asiatischen Bankenwesen aufbürden. Im Westen richten und biegen sich die Regeln nach maximalen Profitmöglichkeiten. Gleichermassen versuchen in den USA einflussreiche Interessensvertreter im Namen Freier Marktwirtschaft Schuldtitel betreffende Vorschriften zwischen bis dato streng getrennten industriellen und finanziellen Gruppen zu brechen, während die Auflösung eben dieser Grenzen als Schlüsselkomponente in der asiatischen Vetternwirtschaft identifiziert wurde.
Die Betonung mangelnder Transparenz im asiatischen Bankwesen diente in vieler Hinsicht als Mittel zum Zweck. Sie wurde dazu benutzt, eine sinnvolle Diskussion oder praktische Vorschläge über die Regulierung freien globalen Kreditflusses aufs Abstellgleis zu schieben. Die westliche Postion dazu wird am besten in einem Kommentar von Robert Hormats (Goldman Sachs International) zusammengefasst:
"Solange nationale Institutionen stark sind, gibt es keinen Anlass, auf globaler Ebene starke institutionelle Strukturen zu etablieren. Sind nationale Institutionen in Ländern jedoch schwach, macht es keinen Unterschied, wie stark globale Institutionen sind, da sie in diesen Umständen ohnenhin nicht effektiv werden könnnen."
Richtig, es gibt auch im Westen Stimmen, die sich nicht dem allgemeinen Tenor beugen. Darunter sind die Ansichten Georg Soros' am meisten publiziert worden, doch jene von Peter Sutherland, ebenfalls Goldman Sachs (und British Petroleum) und ehemals Vorsitzender der World Trade Organisation, wohl am erstaunlichsten. Letzterer zeigte sich kontinuerlich beunruhigt über die Anfälligkeit des Systems, welche im Dezember 1997 für einen kurzen Moment offenkundig wurde. Er plädierte daher für ein Weltgipfeltreffen, das sich mit den Herausforderungen der Globalisierung auseinandersetzen solle, da existierende Foren zu geringe Kompetenzen hätten. Doch diese Stimme, eigentlich aus dem innersten Kreis westlicher Vetternwirtschaft stammend, ist ignoriert worden.
Von den USA dominiertes, westliches Kapital lehnt Regeln, internationale Institutionen mit wirklicher Macht oder Verhandlungen auf globaler Ebene über Kapitalflüsse oder den Weltmarkt ab.
Dies ist der Fall seit nunmehr 25 Jahren, als frei flottierende Wechselkurse 1971 eingeführt wurden, bald darauf gefolgt vom Erscheinen des "Petro Dollars". In diesem einen Augenblick in der jüngeren Geschichte, als ernsthafte globale Wirtschaftsverhandlungen hätten stattfinden können, da die Ölproduzenten der OPEC-Länder Macht in ihren Händen hielten, verstand es Henry Kissinger mit der Zustimmung des saudiarabischen Regimes, das Recycling des "Petro Dollars" auf einer ad-hoc Basis und unter der Leitung der USA und westlicher Finanzinstitutionen durchzuführen. Sogar der IMF wurde auf ein nahezu unbedeutendes Niveau heruntergespielt, bis man ihn zur Lösung der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den 80ern wieder auf den Plan rief. Was die Weltwirtschaftskrise der frühen 70er Jahre jedoch hervorbrachte, war das spontan geformte G7 Komitee - inzwischen selbst zu einer Art Institution geworden, die mit Sicherheit jedoch alles andere als global ist. Dieses ad-hoc Gebilde existiert gerade deswegen weiter, da in jeder ernstzunehmenden globalen Verhandlung das Thema Fairness mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den Tisch kommt. Fairness jedoch stellt für westlichen Kapitalismus ein haariges Problem dar, was das Schicksal des Brandt Berichtes aus den 70gern bestätigt. Dieser bekennt offen, dass nur ein gewisser Grad an internationaler Fairness den langfristigen Interessen westlichen Kapitalismus' dienlich wäre.
Seit die asiatische Wirtschaftskrise von den Titelseiten verschwunden ist, haben sich die Schwerpunkte der Debatte etwas verschoben, und man hört von ihr immer öfter im Zusammenhang mit einer globalen Rezession. Eine solche Rezession würde allerdings die Legitimität eines globalen freien Marktes in Frage stellen. Diese Fragestellungen würden vielgestaltig sein: sie würden vom Widerstand koreanischer Arbeiter gegen die Logik der Rationalisierung handeln; von der Möglichkeit der Existenz asiatischer und europäischer Währungsblöcke ausserhalb der Macht des Dollars; und, für solche von uns, die lesen und schreiben, von der Verallgemeinerung der Debatte über Transparenz. Jene wird garantiert mit dem fanatischen Glauben an die Tugend korrekten Geschäftsgebahrens und nationaler Sicherheit, sowohl im undurchsichtigen Staatsgeschäft mit Waffen und Öl, als auch auf allgemeiner Ebene, aneinandergeraten. In der Tat kein leichter Job, in diesen Fragen für Transparenz zu sorgen.
John Barker lebt als freischaffender Schriftsteller in Nord London. Seine Kurzgeschichten erschienen in "Edinburgh Review", "Emergency" und "Passport", sowie in der Anthologie "Serpents Tail". Sein Roman 'Futures' wird demnächst in Frankreich erscheinen.
Aus dem Englischen von Asta von Unger und Armin Medosch.